Schweiz
Bundesrat

Kosten beim Öffentlichkeitsprinzip im Nationalrat

Bundeshaus mit Lupe
Medienschaffende, Aktivistinnen und Bürger können beim Bund Transparenz einfordern.Bild: illustration: watson, bild: keystone

Transparenz nur gegen Cash: Heute geht's dieser Praxis beim Bund an den Kragen

Behörden konnten bislang durch überrissene Gebühren Transparenz-Anträge von Bürgerinnen und Bürgern abwehren. Das könnte sich bald ändern.
15.03.2021, 05:53
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Im Sommer sind es 15 Jahre her, dass sich die Schweiz in einem historischen Entscheid das Öffentlichkeitsprinzip auferlegte. Seither gilt – zumindest auf Bundesebene: Jede Person hat das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten.

Dieser Grundsatz hatte eine grosse Bedeutung, weil es die altertümliche Vorstellung von Behördenarbeit um 180 Grad drehte: Früher konnten Beamte teilweise nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, wie weit sie der Bevölkerung durch Transparenz politisch Rechenschaft schuldig sein will. Mit dem Öffentlichkeitsprinzip wollten Bundesrat und Parlament nichts weniger als das Vertrauen in die Amtsstuben fördern. Dies war auch nötig: Zahlreiche «Affären» lösten in den Jahren davor immer wieder Misstrauen aus.

Viele Gebühren gefordert – aber kaum kassiert

Das Öffentlichkeitsprinzip hatte jedoch Makel. Und zwar erhebliche. Eines von ihnen sorgte in zahlreichen Fällen dazu, dass es Transparenz nur gegen Cash gab. Konkret: Wollte eine kritische Journalistin heikle Dokumente einsehen, so konnten Behörden ihr den bürokratischen Aufwand in Rechnung stellen.

So verlangte das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) von einer Bürgerinitiative rund 16'500 Franken für einen 90-seitigen Bericht. Die Behörde rechtfertigte das mit der notwendigen Anonymisierung und Übersetzung des Dokuments. Transparenz-Experte Daniel Dedeyan sagte im «Tages-Anzeiger» zu solchen Fällen: «Das entspricht ganz und gar nicht dem Geist des Öffentlichkeitsprinzips und zeugt von einer gewissen Willkür.»

Bestätigt wird dieser Eindruck durch die Statistik: In den vergangenen Jahren kassierten alle Bundesbehörden zusammengerechnet nie mehr als 23'000 Franken in einem Jahr. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher sagt dazu: «Ganz offensichtlich werden Gebühren von einigen Verwaltungsstellen gezielt als Zugangshindernis eingesetzt.»

Vorschlag: Grundsätzlich gratis, aber …

Dieser Praxis will nun ein Teil des Parlaments an den Kragen. Die Kommission des Nationalrats für Staatspolitik möchte im Gesetz zum Öffentlichkeitsprinzip einen neuen Grundsatz festhalten. Galt bis jetzt, dass beim Dokumente-Zugang «in der Regel eine Gebühr erhoben» werde, soll's künftig grundsätzlich kostenlos sein.

«In Verfahren für den Zugang zu amtlichen Dokumenten werden keine Gebühren erhoben.»
Vorschlag für die Einführung der «Kostenlosigkeit»

«Grundsätzlich» deshalb, weil eine Ausnahme gefordert wird: Bereiten Schwärzungen, Anonymisierungen und andere Anpassungen einen besonders grossen Aufwand, so könnten maximal 2000 Franken in Rechnung gestellt werden. Ein Teil der Kommission will gar nichts ändern, ein anderer Teil will die Kostenverrechnung davon abhängig machen, ob der Aufwand im Verhältnis zum «öffentlichen Interesse» steht.

Am Montagnachmittag wird der Nationalrat über diese Fragen entscheiden. Kommt die Kostenlosigkeit durch, so wäre zumindest ein gröberer Makel im Öffentlichkeitsgesetz behoben. Journalistinnen und Journalisten forderten zuvor, auch auf die Ausnahmen bei den Gebühren zu verzichten.

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
15.03.2021 06:15registriert Oktober 2018
Ich schätze mal die Bürgerlichen, allen voran die SVP, wollen nichts ändern...
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trichie
15.03.2021 08:13registriert Mai 2017
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen dass Verwaltungsakte von Behörden grundsätzlich nach Aufwand gepreist werden sollen. Kann doch nicht sein dass das reine Ausdrucken eines Dokuments und Stempel draufhauen mit unter 2 Minuten Aufwand je nach Dokument über 50 Franken kosten kann. In der heutigen digitalen Zeit muss ja niemand mehr erst mal eine Stunde in physischen Archiven was zusammen suchen...
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Corto Maltese
15.03.2021 08:27registriert Juli 2016
Gilt die Akteneinsicht auch auf Gemeinde-Ebene? Habe die Erfahrung gemacht dass zumindest bei meiner Gemeinde an der Goldküste geblockt oder verzögert wird.
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Es ist wieder weiss in der Schweiz ... 🧐
Der April macht seinem Ruf wieder einmal alle Ehre. In der Schweiz sind in den letzten Wochen unterschiedlichste Wetterkapriolen zu beobachten. Heute Morgen waren verschiedene Ortschaften plötzlich eingeschneit – so zum Beispiel Bern.

Zuerst hat es andauernd geregnet, dann hatten wir plötzlich Sommertemperaturen, diesen wiederum folgten stürmische Windböen (der Böögg lässt grüssen) – und jetzt gibt's plötzlich wieder Schnee: Der April läuft wieder mal zur Höchstform auf.

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