Es ist derzeit die umstrittenste Frage in Bundesbern: Reicht in der Abstimmung über die Bilateralen III das Volksmehr, wie es das Bundesamt für Justiz (BJ) festhält und der Bundesrat vorschlägt? Oder muss auch die Mehrheit der Kantone zustimmen, wie das die SVP fordert?
Im Schlachtgetümmel um diese Frage geriet Christoph Blocher zuletzt in eine ungemütliche Lage: Das proeuropäische Lager machte ausgerechnet ihn zum Kronzeugen für ein einfaches Volksmehr. Als SVP-Bundesrat und Justizminister habe er 2004 bei den Verträgen von Schengen/Dublin selbst erklärt, es brauche kein obligatorisches Referendum bei Staatsverträgen. Zumindest sei dies im Fall Schengen/Dublin nicht eindeutig.
Am letzten Freitag, auf «Teleblocher», holte der SVP-Doyen zum Gegenschlag aus – mit einer veritablen Enthüllung: «Das Bundesamt für Justiz hat damals gesagt, für das Abkommen von Schengen/Dublin braucht es ein obligatorisches Referendum.» Dies habe er im Bundesrat beantragt, doch der habe sich für das fakultative Referendum entschieden. Und als Mitglied der Kollegialregierung habe er das vertreten müssen.
Die SVP-nahe «Weltwoche» machte daraus eine Geschichte unter dem Titel: «Ein Bundesamt für Justiz, zwei Meinungen»: Bei Schengen/Dublin habe das Amt laut Blocher für das obligatorische Referendum argumentiert. Nun, bei den neuen EU-Verträgen und unter SP-Bundesrat Beat Jans, sei es in einem Gutachten zum gegenteiligen Schluss gekommen.
Blochers Aussagen und deren mediale Verbreitung haben am Donnerstag wiederum das BJ auf den Plan gerufen. Es stellte ein Rechtsgutachten vom 1. Juni 2004 online: «Es besteht keine genügende Verfassungsgrundlage, die es rechtfertigt, die Verträge von Schengen/Dublin dem obligatorischen Referendum zu unterstellen», heisst es darin.
Also exakt das Gegenteil dessen, was Blocher heute behauptet. Bloss: Wie kommt dann der Alt-Bundesrat zu seiner Aussage?
Die Antwort liefert ein weiteres Dokument des Bundesamts für Justiz: ein «Begleitschreiben» vom 4. Juni 2004. Es diente der Vorbereitung der Bundesratssitzung vom 7. Juni 2004 und war an den «Chef du Département» gerichtet – an Christoph Blocher also. Darin heisst es: «Entsprechend Ihrem Mandat übermitteln wir Ihnen den Entwurf für einen Mitbericht, in dem wir vorschlagen, die Abkommen von Schengen/Dublin dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.»
Der Mitbericht selbst untersteht als bundesrätliches Dokument noch rund 10 Jahre der Geheimhaltung. Dennoch ist klar: Blocher hat recht – es existiert ein Papier des BJ, welches das obligatorische Referendum für Schengen/Dublin fordert. Geschrieben wurde es auf seinen ausdrücklichen Befehl als Departementschef – weil ihm das eigentliche Gutachten seiner Rechtsexperten nicht in den Kram passte. (aargauerzeitung.ch)