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Parmelin wieder Bundespräsident: Jetzt warten anspruchsvolle Aufgaben

Bundesrat Guy Parmelin wartet und verfolgt die Debatte, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 10. Dezember 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Guy Parmelins zweite Präsidentschaft könnte seine Abschiedstournee werden.Bild: keystone

Zoll-Deal, EU-Dossier: Auf Bundespräsident Parmelin warten anspruchsvolle Aufgaben

Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt worden. Für den 66-jährigen Waadtländer könnte das Amtsjahr eine Art Abschiedstournee werden – und seine kürzlich erlangten politischen Erfolge rund um den US-Zolldeal krönen.
10.12.2025, 14:5110.12.2025, 14:51

Die Vereinigte Bundesversammlung wählte den SVP-Bundesrat am Mittwoch mit einem Rekordresultat von 203 Stimmen als «Primus inter Pares» (Erster unter Gleichgestellten). Parmelin leitet im nächsten Jahr die Bundesratssitzungen, schlichtet in strittigen Fragen und ist das Gesicht des Gesamtbundesrats.

Letzteres ist sich der Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) gewohnt. Im US-Zollstreit stand er in den vergangenen Wochen und Monaten öfter im Rampenlicht – und fand, im Gegensatz zur amtierenden Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, offenbar einen Draht zum innersten Zirkel der US-amerikanischen Regierung um Donald Trump.

Mitte November reiste Parmelin zu einem Blitzbesuch nach Washington und konnte der Wirtschaft einen Tag später eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung präsentieren. Mit dieser sollen die die von den USA einseitig eingeführten Zusatzzölle auf viele Güter von 39 auf 15 Prozent gesenkt werden.

Als Pragmatiker und Anhänger einer Politik der kleinen Schritte begrüsste Parmelin diesen ersten Schritt vor den Medien. «Die Priorität des Bundesrats bestand darin, einem Teil der Schweizer Industrie Luft zum Atmen zu verschaffen», sagte er. In seinem Präsidialjahr wird es nun darum gehen, den Deal in ein rechtlich bindendes Abkommen zu überführen – eine nicht minder anspruchsvolle Aufgabe.

Im EU-Dossier gegen eigene Partei

Ein weiteres wichtiges Thema, das den Winzer aus Bursins VD im Jahr 2026 beschäftigen wird, sind die bilateralen Beziehungen zu Brüssel. Der SVP-Politiker wird weiterhin die Position der Landesregierung zum Abkommenspaket mit der EU gegen seine Partei verteidigen müssen. Vergangenen Monat sprach er von «grosser Freude» bei der Unterzeichnung des Abkommens über die EU-Programme, das die Schweiz unter anderem wieder an die europäischen Forschungsgelder heranführt.

Der Bundesrat steht auch in Bezug auf die Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz», über die wahrscheinlich nächstes Jahr abgestimmt wird, im Widerspruch zur SVP. Die Annahme des Volksbegehrens würde die Personenfreizügigkeit und somit auch den bilateralen Weg mit der EU gefährden.

2021 – in seinem ersten Präsidialjahr – musste Parmelin der EU-Spitze in Brüssel mitteilen, dass die Schweiz die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen einseitig aufgibt – ein heikler Moment. Einen zweiten Schock will der Bundesrat möglichst verhindern. Dafür muss der Gesamtbundesrat, und allen voran Bundespräsident Guy Parmelin, das Parlament und das Stimmvolk vom EU-Paket überzeugen.

Jonglieren zwischen Interessen

Parallel zu seinen Bemühungen um geregelte Verhältnisse mit der EU und den USA hat sich Parmelin in den vergangenen Jahren stets für eine Diversifizierung der Schweizer Handelspartner eingesetzt. Der Wirtschaftsminister machte den Abschluss und die Modernisierung von Freihandelsabkommen zu einer Priorität – mit teilweise grossem Erfolg.

Nach 16 Jahren Verhandlungen unterzeichnete er im März 2024 in Neu-Delhi das Freihandelsabkommen der Efta-Staaten mit Indien. Am Tag danach erklärte Parmelin: «Ich bin stolz darauf, dieses Abkommen nach einem langen und mühsamen Prozess unterzeichnet zu haben.»

Der Wirtschaftsminister hatte im März 2021 auch erfolgreich das Freihandelsabkommen mit Indonesien vor dem Schweizer Volk verteidigt. Danach folgten weitere Abkommen mit den Mercosur-Staaten, Malaysia, Thailand, Chile und der Türkei. Weniger weit ist er mit China und Japan, mit denen über Aktualisierungen von bestehenden Verträgen gesprochen wird.

Auf der einen Seite fordert die Linke, dass die Abkommen Kriterien in Bezug auf Nachhaltigkeit und Menschenrechte erfüllen müssen. Auf der anderen Seite verlangen die Bürgerlichen möglichst wenige Auflagen für Unternehmen. Und da ist auch noch die Bauern-Lobby, die vor unlauterem Wettbewerb gegenüber Schweizer Produkten warnt.

Gegen «zu viel Papierkram»

Die Interessen der Landwirtschaft beschäftigen Parmelin auch innenpolitisch. Die Debatten über die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik verliefen in den vergangenen Jahren teilweise emotional. Das dürfte auch so bleiben.

Dem ausgebildeten Weinbauern Parmelin ist es ein Anliegen, es sich mit der Agrar- und Lebensmittelindustrie möglichst nicht zu verderben. Schon mehrmals brachte er neue Umweltvorschriften ins Parlament, zeigte sich danach aber wenig enttäuscht darüber, dass die Räte abgeschwächte Vorlagen verabschiedeten.

Zusammen mit der Branche ist der Wirtschaftsminister auch daran, die Bürokratie abzubauen – eine Forderung, die insbesondere bei den Bauernprotesten Anfang 2024 geäussert wurde. «Zu viel Papierkram»: Dieser Vorwurf wird auch innerhalb der Wirtschaft laut. Parmelin sagt jeweils, er verstehe diese Kritik. Der Bundesrat sei darauf, die Wirtschaft best- und schnellstmöglich zu entlasten.

Zurückhaltung statt Offensive

Während seines ersten Präsidialjahres hatte sich Parmelin insbesondere auf internationaler Ebene bewährt, indem er den damaligen US-Präsidenten Joe Biden und den russischen Machthaber Wladimir Putin in Genf empfing. Auf der Treppe der Villa La Grange zeigte er sich entspannt und bewies sein diplomatisches Geschick, indem er die beiden Staatsmänner in ihrer Sprache begrüsste und damit Spott über seine mangelhaften Sprachkenntnisse beiseite schob.

Staatsmännisch zeigte sich Parmelin auch in der Corona-Pandemie. Mit seiner zuversichtlichen, gutmütigen Art gab sich der Waadtländer offen, unkompliziert und volksnah. Trotz seines Zögerns bei wirtschaftlichen Härtefällen wurde er für seine schnelle Reaktion zu Beginn der Krise gelobt. Im Gegensatz zu seinem damaligen Partei- und Bundesratskollegen Ueli Maurer ritzte Parmelin das Kollegialitätsprinzip in der Landesregierung nie und plädierte für eine Beruhigung der Lage.

Auch die teilweise emotionalen Abstimmungskampagnen zu den Umwelt-Initiativen meisterte Parmelin souverän. Vor einer möglichen Energiekrise im Jahr 2022 versprach der Wirtschaftsminister der Bevölkerung: «Der Staat wird nicht bei den Menschen nachsehen, ob ihre Heizung mehr als 19 Grad hat.»

In anderen Fragen hielt sich der Wirtschaftsminister eher zurück, beispielsweise bei den Sanktionen gegen Russland oder bei Fragen des Wohnungswesens und des Mietrechts. Es gab Phasen während seiner Amtszeit, in denen Parmelin öffentlich weniger präsent war.

Vergessene Jahre im VBS

Es waren jene Phasen, in denen medial über seinen Rücktritt spekuliert wurde. Rückenschmerzen, ein Sturz in seinem Büro und das Erreichen des ordentlichen Rentenalters nährten den Boden für solche Gerüchte, insbesondere im Wahljahr 2023. Parmelin sah sich damals gezwungen, Medienberichte über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt zu dementieren.

Seither gehen Politbeobachter davon aus, dass Parmelin nach seiner zweiten Bundespräsidentschaft und vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2027 seinen Rücktritt erklären wird. Seit einiger Zeit ist der Waadtländer das dienstälteste Regierungsmitglied.

Fast schon in Vergessenheit geraten sind Parmelins erste Jahre als Bundesrat. Nach seiner Wahl zum Nachfolger von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Dezember 2015 leitete er wie viele SVP-Bundesräte vor ihm das Verteidigungsdepartement (VBS). Er markierte sogleich das Terrain, indem er erfolgreich das Militärbudget erhöhte. Man könnte sagen, dass Parmelin in diesem Fall seiner Zeit voraus war. (sda)

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