Trump und die Schweiz: Ein Zoll-Deal mit Ungereimtheiten
Ein Aufatmen ging durchs Land, als am letzten Freitag der Durchbruch bei den Zollgesprächen mit den USA verkündet wurde. Endlich war die Schweiz und vor allem ihre Exportwirtschaft den Einfuhrzoll von 39 Prozent los, den ihr US-Präsident Donald Trump Anfang August aufgezwungen hatte. Er zog das Wachstum im dritten Quartal ins Minus.
Allzu lange währte die Freude aber nicht. Denn bald tauchten Ungereimtheiten auf. Es begann damit, dass die SVP die Einigung am Freitag nach den Von-Wattenwyl-Gesprächen mit dem Bundesrat etwas gar voreilig herausposaunt hatte. «Amtlich» wurde sie erst, als der US-Handelsdelegierte Jamieson Greer sie auf dem Fernsehsender CNBC kommunizierte.
War es eine Bedingung der USA und ihres geltungssüchtigen Präsidenten, dass sie den Erfolg verkünden durften? Zeigte sich Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor seinem Abflug aus Washington am Donnerstag deshalb schmallippig? Letztlich spielt das keine Rolle, es ist eine Lappalie. Andere Punkte hingegen verdienen eine genauere Betrachtung.
Die gemeinsame Absichtserklärung der USA mit der Schweiz und Liechtenstein ist «nur ein Zwischenschritt», wie die NZZ schreibt. So ist nicht einmal klar, wann genau die USA den Zoll von 39 auf 15 Prozent senken werden. Das eigentliche Ziel ist ein Handelsvertrag, und da stehen schwierige Verhandlungen bevor. Ein weiteres Thema ist die Vorgeschichte.
Das Krisenmanagement
Als Donald Trump am 2. April einen Tarif von 31 Prozent auf Importe aus der Schweiz ankündigte, war die Aufregung gross. Die schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen. Anfang Juli schien man sich auf einen Deal geeinigt zu haben, doch nach dem Telefonat von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter mit Trump am 31. Juli kam es zur Eskalation.
Mit der Absichtserklärung kann der Schaden begrenzt werden. Doch das Parlament will keineswegs zur Tagesordnung übergehen, sondern «das Krisenmanagement des Bundesrats abklären», sagte Charles Juillard (Mitte), Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerats, dem «Tagesanzeiger». Dies dauere «mindestens» bis Sommer 2026.
Es gibt einiges zu durchleuchten. Dazu gehört nicht nur die teilweise ungeschickte Kommunikation von Keller-Sutter. Auch das Treffen von Schweizer Wirtschaftsführern mit Trump Anfang November im Weissen Haus sollte untersucht werden. Es soll den Durchbruch erst ermöglicht haben, doch die Umstände sind für Aussenstehende dubios.
Dabei geht es gemäss der «NZZ am Sonntag» um die ganz grossen Fragen: «Was ist uns wichtiger, Wohlstand oder Moral? Und wer regiert eigentlich dieses Land? Gilt der Primat der Politik, oder lenken mächtige Wirtschaftsführer die Geschicke der Switzerland AG?» Es sind heikle Punkte, denn sie berühren das Selbstverständnis unserer Demokratie.
Laut der Zeitung handelte die Wirtschaftsdelegation in enger Absprache mit dem Bund, genauer mit Helene Budliger Artieda, der Staatssekretärin für Wirtschaft. Sie ist bekannt für ihre Bereitschaft, unkonventionelle Wege zu gehen. Und bei Donald Trump kommt man mit teuren Geschenken wie einer Rolex-Tischuhr weiter als mit klassischer Diplomatie.
Für Bundesrat Parmelin haben die Unternehmer «patriotisch gehandelt», indem sie «ihre Beziehungen spielen liessen und uns die Tür geöffnet haben», wie er im Interview mit «CH Media» erklärte. Die eigentlichen Verhandlungen habe immer nur der Bund geführt. Das mag zutreffen, dennoch bleibt ein Unbehagen. Die GPK ist gefordert.
Die Verhandlungen
Die Absichtserklärung lässt «viele Fragen offen», so die NZZ. Sie enthält teilweise konkrete Forderungen, bleibt in anderen Punkten aber vage. So soll die Schweiz ihre Handelsbilanz ausgleichen und bis 2028 mindestens 200 Milliarden Dollar in den USA investieren. Doch letztlich kann der Bundesrat beides nicht erzwingen.
Heikel sind landwirtschaftliche Produkte aus den USA, die dem Bauernverband Bauchweh bereiten (Stichwort Chlorhühner). Auch Investitionskontrollen und die Übernahme von US-Sanktionen sind im Joint Statement enthalten. Guy Parmelin schloss gegenüber dem «Tagesanzeiger» nicht aus, dass es «eines Tages zu Forderungen kommt».
Explizit erwähnte der SVP-Bundesrat den Machtkampf der Vereinigten Staaten mit China, was die neutrale Schweiz in die Bredouille bringen könnte, und das weitaus mehr als die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland. Mit anderen Worten: Die eigentlichen Verhandlungen über ein Zoll- und Handelsabkommen werden kein Spaziergang.
Dabei drücken die Amerikaner aufs Tempo, sie wollen einen Abschluss bis Frühjahr 2026. Der Grund könnte das Urteil des Obersten Gerichtshofs zu Trumps Zollpolitik sein, das spätestens im kommenden Juni erwartet und vermutlich negativ ausfallen wird. Die USA haben somit allen Grund, rasch einen definitiven Handelsvertrag zu vereinbaren.
In der Schweiz aber mahlen die Mühlen bekanntlich langsam. Der Vertrag müsste vom Parlament verabschiedet werden und im Fall eines wahrscheinlichen Referendums eine Volksabstimmung überstehen. Die Parteien bringen sich schon in Stellung. So sammelt die SP Unterschriften für einen «Appell», um den «Trump-Deal» bereits jetzt zu stoppen.
Die SVP auf der anderen Seite bemüht sich, die Reihen hinter ihrem Bundesrat Parmelin zu schliessen und den Deal zu verteidigen. Dabei dürfte es in ihrem immer noch einflussreichen Bauernflügel rumoren, und die Sanktionen würden mit der Neutralitätsinitiative «kollidieren». Auf die Volkspartei könnten noch sehr unangenehme Diskussionen zukommen.
FDP-Co-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher, die nach der Ja-Parole zu den Bilateralen III mit dreisten Abwerbe-Versuchen aus der SVP konfrontiert war, liess sich die Gelegenheit zu einem «Revanchefoul» jedenfalls nicht entgehen: «Geht es um die Zukunft der Bilateralen, so beschwört sie mit Hellebarden-Klamauk unsere Unabhängigkeit, um dann diesen undurchsichtigen Deal frenetisch zu bejubeln.»
Grund zur Euphorie hat die Schweiz jedenfalls nicht. Dafür gibt es rund um den Zoll-Deal zu viele Ungereimtheiten. «Die Schweiz war in einer schwierigen Position und hat – wie andere Staaten auch – per Kniefall ein Abkommen abgeschlossen», sagte der Handelsexperte Manfred Elsig von der Universität Bern dem «Spiegel». Umso wichtiger ist Transparenz.
