Schweiz
Charlie Hebdo

Schweiz schaffte Angreifer von Paris nach Italien aus

Das Ende: Polizisten erschiessen den Angreifer in Paris.
Das Ende: Polizisten erschiessen den Angreifer in Paris.
Bild: YON VALAT/EPA/KEYSTONE

Schweiz schaffte Angreifer von Paris nach fünf Monaten aus

Der Mann, der am Jahrestag des Anschlags auf die Satirezeitung «Charlie Hebdo» in Paris beim Angriff auf Polizisten erschossen wurde, hatte zuvor eine lange Geschichte als Straftäter und Asylsuchender – darunter auch in der Schweiz. Diese hatte ihn 2013 nach Italien ausgeschafft.
12.01.2016, 02:1612.01.2016, 08:17
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Mit einem Metzgerbeil und einer Sprengstoffgürtel-Attrappe stürmt der Tunesier Tarek Belgacem am Donnerstag auf Polizisten vor einem Kommissariat im Pariser Viertel Goutte d'Or. «Allahu Akbar» schreit er, die wachhabenden Polizisten schiessen. Belgacem ist tot.

Bei der Leiche wird ein Bekennerschreiben mit einer aufgemalten Fahne der Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») gefunden, in dem der Mann «IS»-Chef Abu Bakr al-Baghdadi die Treue schwört.

Nach Angaben des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve handelte es sich um einen Einzeltäter. Seiner Kenntnis nach hatte der junge Mann keine Komplizen, sagte Cazeneuve am Sonntag am Fernsehen. Er habe sich wohl in mehreren europäischen Staaten aufgehalten, in Deutschland, aber auch in Luxemburg und in der Schweiz.

Inhaftiert und spurlos verschwunden

In dieser Asylunterkunft im deutschen Recklinghausen war der Delinquent und «IS»-Sympathisant zeitweise zu Hause.
In dieser Asylunterkunft im deutschen Recklinghausen war der Delinquent und «IS»-Sympathisant zeitweise zu Hause.
Bild: INA FASSBENDER/REUTERS

Gleichentags liess das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf vermelden, der Tunesier habe zeitweise in einer Asylbewerberunterkunft in Recklinghausen gehaust. Nach einem Hinweis der französischen Sicherheitsbehörden untersuchten Polizisten die Wohnung des Mannes. Hinweise auf weitere geplante Anschläge fanden sie keine. Nach und nach kommen Informationen zutage, die den Werdegang von Tarek Belgacem rekonstruieren lassen.

Etwa, dass er in Deutschland sieben verschiedene Identitäten nutzte. Asyl hatte er unter dem Namen Walid Salihi beantragt. Die angegebenen Staatsangehörigkeiten waren mal syrisch, mal marokkanisch, mal georgisch. Der Mann sei zudem mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. So habe er eine einmonatige Freiheitsstrafe unter anderem in Heinsberg, Iserlohn und Bochum abgesessen. Die deutschen Landesbehörden stuften ihn als Verdachtsfall ein, doch im Dezember 2015 verschwand er spurlos aus der Flüchtlingsunterkunft.

In Frankreich hatte er sich laut Staatsanwalt bei einer früheren Kontrolle als Marokkaner ausgegeben. In einem bei ihm gefundenen Schreiben nannte er dagegen einen anderen Namen und bezeichnete sich als Tunesier.

Nach Italien ausgeschafft

Nun wird eine weitere Etappe der Odyssee des Getöteten nachgezeichnet: Wie der Tages-Anzeiger am Montagabend meldete, hatte Belgacem im Januar 2013 in der Schweiz einen Asylantrag gestellt. Das bestätigte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) der Zeitung. «Der Asylantrag wurde abgelehnt, und der Mann wurde im Juni 2013 nach Italien ausgeschafft.»

Dies war laut der Zeitung gemäss den Schengen-Regeln möglich, weil der Mann bereits in Italien registriert worden war. Für die rund fünf Monate, während deren er sich in der Schweiz befand, bestehen laut dem Fedpol keine Hinweise, dass der Mann in terroristische Aktivitäten verwickelt war. (kad)

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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meliert
12.01.2016 04:24registriert August 2014
Fragt sich nun: wieviele solche "Schläfer" halten sich als Asylanten "getarnt" in der Schweiz und im übrigen Europa auf?
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