Bald könnten die Jüngsten unter uns für Unruhe am Jahresende sorgen. Das heisst, mehr als sonst. Damit ist nicht gemeint, dass sie den Baum umwerfen oder buchstäblich endlose Gedichte aufsagen könnten, sondern dass sie möglicherweise einen unerwünschten Freund namens Covid zum Familienessen mit Opa und Oma mitbringen.
Tatsächlich waren laut den neuesten Zahlen des Bundes die beiden Altersgruppen, die Ende November am stärksten mit Covid infiziert waren, die 0- bis 9-Jährigen (747 Fälle pro 100'000 Einw.) und die 10- bis 19-Jährigen (1'219 Fälle pro 100'000 Einw.).
Eine aktuelle Studie des Instituts Pasteur in Paris hat ergeben, dass Kinder, die im gleichen Haushalt leben, die Wahrscheinlichkeit, sich mit Covid zu infizieren, um 30 Prozent erhöhen. Ein Umstand, der Olivia Keiser, Professorin für Epidemiologie am Institut für Globale Gesundheit der Universität Genf, nicht überrascht:
Seit Anfang der Woche versuchen einige Westschweizer Kantone, Massnahmen zu erwirken. So hat Genf die Maskenpflicht ab acht Jahren, Waadt ab zehn Jahren und Neuenburg ab 12 Jahren eingeführt. Doch am vergangenen Freitag verzichtete der Bundesrat unter dem Druck der Kantone darauf, systematische Tests in den Schulen durchzusetzen.
Aber warum wurde nicht schneller gehandelt? Olivia Keiser betont, dass die Kommunikation in Bezug auf Kinder von Beginn der Pandemie an problematisch war. «Am Anfang wurde gesagt, dass sie sich nicht infizieren und dann, dass sie Erwachsene nicht anstecken. Heute stellen wir jedoch fest, dass das nicht stimmt.»
Die Professorin für Epidemiologie weist darauf hin, dass Long Covid und schwere Formen der Krankheit bei jüngeren Menschen zwar weniger häufig vorkommen, aber dennoch auftreten können. Sie fügt hinzu:
Gemäss Keiser hat auch der Widerstand der Eltern, insbesondere gegen die Maskenpflicht an den Schulen, nicht weitergeholfen. Der Genfer Kinderarzt und Infektiologe Alessandro Diana kann das Sträuben der Eltern nachvollziehen. «Ich verstehe ihre Sorge, denn wie alle Säugetiere versuchen wir, unsere Kleinen zu schützen. Der Überbeschützungsreflex ist in unseren Genen verankert.»
Der Kinderarzt ist sich bei dem, was er in seiner Praxis beobachtet, jedoch nicht sicher, ob es die Kinder tatsächlich so sehr stören würde, eine Maske zu tragen. «Das ist eine Projektion unserer Ängste als Erwachsene. Und die Maske scheint mir weniger traumatisch zu sein als ein Krankenhausaufenthalt oder der Verlust eines Eltern- oder Grosselternteils.»
Alessandro Diana plädiert dafür, dass Kinder ab sofort einen Mundschutz tragen sollten. Ohne ein bestimmtes Alter zu nennen, verweist der Infektiologe auf die USA, wo Kinder bereits ab zwei Jahren einen Mundschutz tragen müssen, und auf Italien, wo die Maskenpflicht bereits ab der Grundschule gilt.
Olivia Keiser bestätigt zwar, dass die Maske für alle Kinder im Schulalter nützlich ist, weist aber auch auf andere Lösungen hin, die bei jüngeren Kindern schnell eingeführt werden können. Dazu gehören eine bessere Belüftung der Klassenzimmer, der Einsatz von CO2-Sensoren sowie Quarantänemassnahmen und systematische Tests der Schüler zweimal pro Woche. «Dadurch könnte das Virus viel früher erkannt werden. Wenn man wartet, bis die Symptome auftreten, ist es zu spät.»
Keiser als Mitverfasserin eines wissenschaftlichen Papers zu Infektionen bei Kindern, das vergangenen Oktober veröffentlicht wurde, schlägt noch einschneidendere Schritte vor:
Eine Strategie, die zum Beispiel in Belgien bereits umgesetzt wurde, wo die Schulferien nun um eine Woche vorgezogen werden. Alessandro Diana bestätigt zwar die Wirksamkeit der Massnahme, betont aber, dass sie nur mit Bedacht eingesetzt werden sollte. «Das reduziert die Übertragungen drastisch, aber das macht man nur, wenn man kurz vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems steht. Denn das bringt andere Probleme mit sich: Wer soll auf die Kinder aufpassen?»
Auch wenn sie keinen direkten Einfluss auf die Weihnachtsfeiertage haben wird, ist die Impfung der 5- bis 11-Jährigen eine weitere Lösung, die laut Olivia Keiser so bald wie möglich auch in der Schweiz angeboten werden sollte. «In den USA sind Millionen von Kindern geimpft worden und es werden noch weniger Nebenwirkungen beobachtet als bei Erwachsenen.» Sie ist der Meinung, dass Eltern ihre Kinder impfen lassen können sollten, sofern sie dies wünschten:
Alessandro Diana stimmt zu und geht sogar noch einen Schritt weiter. «In meinen Augen ist es unethisch, Kindern ab fünf Jahren diesen Schutz nicht anzubieten.» Der Experte bei der Plattform Infovac empfiehlt jedoch, vorher eine Serologie durchzuführen, um festzustellen, ob das Kind bereits Antikörper hat oder nicht. Hier könnte jedoch ein ziemliches Dilemma für die Eltern entstehen. «Wenn mein Kind sero-negativ ist, soll ich es als Elternteil lieber dem Virus oder dem Impfstoff aussetzen?»
Aber wie soll man Weihnachten feiern, wenn man weiss, dass die Kinder mit einem unerwünschten Mitbringsel kommen könnten? «Am besten ist es, auf grosse Familienessen zu verzichten. Stattdessen sollte man sich draussen oder in kleinen Gruppen treffen», sagt Olivia Keiser. Sie rät auch dazu, regelmässig die Fenster zu öffnen und sich vor den Treffen testen zu lassen. Alessandro Diana fordert abschliessend dazu auf, einige Barrieren und Abstände zu respektieren:
Nein, als nicht geimpfte Großeltern ist es vielleicht besser sich impfen zu lassen!
Sorry, als nicht geimpfte Grosseltern ist s vielleicht besser sich impfen zu lassen!