Kein Autosalon in Genf. Keine Basler Fasnacht. Keine Hockeyspiele mehr. Am 28. Februar 2020 kam es in Bern zum Paukenschlag: Der Bundesrat verbot alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Leuten. Und er rief die «besondere Lage» gemäss Epidemiengesetz aus – die Ausbreitung des Coronavirus sollte so verhindert werden. Es war ein Entscheid von historischer Dimension.
Zum ersten Mal kam die besondere Lage zur Anwendung. Damit gingen Kompetenzen von den Kantonen an den Bund über. Sie erlaubte drastische Eingriffe wie das Veranstaltungsverbot oder später die Schulschliessungen. Was Ende Februar noch niemand wusste: Nur zwei Wochen später sollte der Bundesrat gar die «ausserordentliche Lage» ausrufen und per Notrecht regieren.
Die dramatischen Tage in der Pandemiebekämpfung sind längst vorbei. Routine herrscht allenthalben. Massnahmen und Strukturen werden Stück für Stück rückabgewickelt. Die wissenschaftliche Taskforce hatte bereits letzte Woche ihren letzten Auftritt an einer Medienkonferenz des Bundes. An die Pandemie erinnert noch die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und die Pflicht zur Isolation bei einer Ansteckung.
Es sind die zwei letzten verbliebenen Massnahmen. Sie fallen am 1. April – mit dem Ende der besonderen Lage und dem Auslaufen der Covid-Verordnung. Ab Freitag gilt wieder die normale Lage gemäss Epidemiengesetz. Für den Bundesrat ist damit fertig Pandemie.
Normale Lage heisst: Die Verantwortung zur Umsetzung des Epidemiengesetzes liegt wieder bei den Kantonen. Sie entscheiden, welche Massnahmen notwendig sind, um das Coronavirus einzudämmen. Sie sind frei, jene Instrumente anzuwenden, die wir in den letzten zwei Jahren Pandemie kennengelernt haben: Vom Veranstaltungsverbot über die Quarantäne- und Isolationspflicht bis hin zu Schulschliessungen. Die Aufgaben des Bundes sind indes beschränkt auf die Überwachung der Pandemie, das Ausstellen der Zertifikate und die Beschaffung der Impfstoffe.
Der Bundesrat wird am Mittwoch an seiner Sitzung ein Grundlagenpapier verabschieden, dass die Verantwortlichkeiten und Aufgaben von Bund und Kantonen für den weiteren Verlauf der Pandemie regelt. Die Kantone werden darin angehalten, die Test-, Impf- und Spitalkapazitäten für den kommenden Herbst bereitzustellen. Das Innendepartement von Bundesrat Alain Berset skizziert im Papier drei Szenarien für den weiteren Verlauf der Pandemie.
Im ersten Szenario geht der Bund aufgrund des hohen Immunitätsgrades von tiefen Fallzahlen und einer tiefen Belastung des Gesundheitssystems aus im Herbst. Im zweiten Szenario steigen die Fallzahlen an, doch sie lassen sich mit den bestehenden Infrastrukturen bewältigen. Im dritten Szenario steigt das Infektionsgeheschen stark an. Wegen der abnehmenden Immunität und neuer Varianten werden neue Massnahmen notwendig.
Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri sagt, die Kantone würden sich für eine neue Welle im Herbst wappnen, die man brechen müsse. Ob es wiederum Massnahmen wie Masken- oder Isolationspflicht brauche, sei schwer vorauszusagen. Wenn, dann aber eher punktuell etwa bei Einrichtungen im Gesundheitswesen und nicht für die breite Bevölkerung.
Das Grundlagenpapier geht am Donnerstag in die Konsultation bei den Kantonen. Ein politischer Streitpunkt zwischen der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) und dem Gesundheitsdepartement von Alain Berset offenbarte sich bereits in den letzten Wochen. Dem Vernehmen nach drängte die GDK darauf, dass im Papier die Hürden für die Rückkehr zur besonderen Lage nicht zu hoch angesetzt werden.
Gemäss Epidemiengesetz erfolgt der Übergang zur besonderen Lage und damit zur gemeinsamen Verantwortung von Bund und Kantonen, wenn die öffentliche Gesundheit gefährdet ist. In der Bundesverwaltung heisst es dazu, die Kantone müssten jetzt lernen, ihre Aufgaben zu machen – und nicht schon wieder nach dem Bund zu rufen. Diese Befindlichkeiten sind nur allzu gut bekannt. Während der letzten zweier Jahre liess sich immer wieder beobachten, wie Bund und Kantone sich gegenseitig die Verantwortung zuschoben, um neue Massnahmen zu ergreifen.