Der Druck auf die Schweiz nimmt zu: Die Anwaltskanzlei Holman Fenwick Willan mit Sitz in London plant rechtliche Schritte gegen die Schweiz. Das schreibt die «International Financing Review». Demnach will die Kanzlei «im nächsten Monat» ein sogenanntes Investor-Staat-Schiedsverfahren beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) mit Sitz in den USA einreichen. Dabei handelt es sich um eine zwischenstaatliche Einrichtung der Weltbank, die als Gerichtsstand für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten dient.
Der Grund: Die Kunden der Kanzlei haben beim behördlich orchestrierten Zwangsverkauf der Credit Suisse an die UBS am 19. März 2023 viel Geld verloren. Denn ihre sogenannten AT1-Anleihen wurden auf behördliche Anweisung auf null abgeschrieben. Es ist der Zweck solcher verlustabsorbierender AT1-Anleihen, im Krisenfall von Fremd- in Eigenkapital gewandelt oder ganz abgeschrieben zu werden. Die Frage ist nur, ob die Bedingungen hierfür bei der CS-Rettung erfüllt waren.
Insgesamt haben die AT1-Halter 16 Milliarden Franken verloren, während die Credit Suisse ihre Schuldenlast um 16 Milliarden Franken verkleinern konnte. Holman Fenwick Willan vertritt nun in Singapur ansässige Kunden, die AT1-Anleihen im Gegenwert von über 80 Millionen US-Dollar hielten, sowie Anleihegläubiger in China und im Nahen Osten, die Anleihen im Wert von 300 Millionen US-Dollar besassen. Um wen es sich konkret handelt, wird nach Einreichen der Klage sichtbar werden. So fordern es die Spielregeln beim ICSID-Schiedsgericht.
Basis für die Klage sind bilaterale Investitionsabkommen, welche die Schweiz abgeschlossen hat. Demnach können nur Anleihegläubiger aus China, Hongkong, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Japan, Südkorea, Kuwait, Oman, den Philippinen, Katar und Saudi-Arabien sich dieser neuen Klage anschliessen, da nur diese Länder solche Investitionsabkommen mit der Schweiz haben.
Auch in der Schweiz gehen verschiedene AT1-Halter juristisch gegen die Abschreibung vor. Insgesamt seien «im Zusammenhang mit den AT1-Kapitalinstrumenten am Bundesverwaltungsgericht rund 320 Beschwerden eingegangen», hielt das Gericht in St.Gallen auf eine frühere Anfrage von CH Media fest. Diese umfassten ungefähr 3000 Beschwerdeführende. Insgesamt dürften diese Gläubiger – Privatpersonen und institutionelle Anleger wie Pensionskassen – gemessen am Nennwert der Anleihen rund 7 bis 8 Milliarden Franken verloren haben, wie Prozessbeobachter schätzen. Die grösste Gruppe führt Thomas Werlen von der international tätigen Anwaltskanzlei Quinn Emanuel an. Die Kanzlei vertritt knapp 1000 Gläubiger mit Forderungen von rund 5,5 bis 6 Milliarden Franken.
Auch in den USA sind die rund 50 AT1-Gläubiger vor Gericht gezogen, wobei es sich nicht um dieselben Personen handelt wie in der Schweiz. Sie werfen der Schweiz respektive dem Bund vor, sich beim Verkauf der CS an die UBS wie eine Investmentbank verhalten zu haben. Die von den Klägern, die ebenfalls von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel vertreten werden, zurückgeforderte Summe beläuft sich auf 372 Millionen Dollar. Der District Court for the Southern District of New York wird nun entscheiden müssen, ob er überhaupt eine Klage gegen die Eidgenossenschaft annehmen will.