Vor dem Entscheid des Bundesrates am 26. Mai, die Verhandlungen mit der EU zum institutionellen Abkommen abzubrechen, hatte der Bund zwei externe Gutachten über «Alternativen im Verhandlungsprozess zum Institutionellen Abkommen Schweiz-EU» in Auftrag gegeben. Diese hat er nun am Freitag im Internet veröffentlicht.
Die beiden Gutachten hätten die Überlegungen der Verwaltung zuhanden des Bundesrates ergänzt, schrieb das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten in einer Mitteilung.
Das eine Gutachten wurde von Nicolas Levrat, Rechtsprofessor an der Universität Genf, verfasst. Er kam zum Schluss, dass der Bundesrat der EU einen neuen Vorschlag unterbreiten solle - und zwar ein «umfassendes Rahmenabkommen». Dieses solle die ganze Beziehung Schweiz-EU umfassen und nicht nur fünf Marktzugangsabkommen.
Levrat will eine «hohe politische Instanz» etablieren, die jährlich einen politischen Dialog über das Verhältnis Schweiz-EU führt. Ausserdem sollten sämtliche Guillotine-Klauseln aufgegeben und durch periodische Treffen ersetzt werden, bei denen das Funktionen der einzelnen Abkommen evaluiert würde.
Dieser Prozess würde eine regelmässige Anpassung der Anwendungsbedingungen erlauben, heisst es im Gutachten. Werde man sich nicht einig, könnte am Schluss des Prozesses ein Abkommen im äussersten Fall gekündigt oder neu verhandelt werden.
Nach Meinung des Gutachters könnte die Schweiz dahingehend Zugeständnisse machen, dass die EU-Kommission die Möglichkeit hat, den EU-Gerichtshof anzurufen, um die Vereinbarkeit mit EU-Recht festzustellen.
Das andere Gutachten wurde vom frühere EDA- und Finanz-Staatssekretär sowie Unterhändler für die Schweiz in Brüssel, Michael Ambühl, und von Mit-Dozentin Daniela Scherer (ETH Zürich) verfasst. Sie sehen einen Plan B in drei Etappen vor. Zuerst solle bei der EU Goodwill geschaffen werden, dann müsse man die Position der Schweiz konsolidieren und anschliessend ein Paket ausarbeiten, die Bilateralen III.
In einem ersten Schritt könnte die Schweiz beispielsweise mit der Zahlung der Kohäsionsmilliarde oder der Klimapolitik den Boden bereiten. In einem zweiten Schritt solle der Bundesrat eine politisch breit abgestützte Erklärung zur Europa-Politik formulieren.
Und in einem dritten Schritt gelte es, die Bilateralen III auszuhandeln. Darin solle sich die Schweiz mit der EU auf die Übernahme von EU-Recht in neuen Themen wie etwa der Gesundheit einigen. Besonders strittige Themen wie Lohnschutz, Unionsbürgerrecht oder staatliche Beihilfen sollen vorerst ausgeklammert bleiben.
Und bei Streitfällen soll ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht nur über die Verhältnismässigkeit von Strafmassnahmen entscheiden, ohne den Europäischen Gerichtshof anzuhören. (sda)