Warum dauern die Verhandlungen über das Rahmenabkommen so lange?
Astrid Epiney: Der Knackpunkt liegt momentan in der Innenpolitik: Eine Regelung mit dem Europäischen Gerichtshof als letzter Schiedsinstanz wird teilweise als chancenlos eingeschätzt. Auch hat der Brexit die Verhandlungen verzögert und die Schweiz hat es mit dem Vertragsabschluss nicht allzu eilig. Übrigens darf man nicht vergessen: Die Verhandlungen für die Bilateralen haben auch recht lange gedauert. Zwischen dem Nein zum EWR 1992 und der Unterzeichnung der Verträge 1999 vergingen sieben Jahre.
Steht der Brexit einem raschen Abschluss im Wege?
Man überschätzt die Auswirkungen des Brexits. Für die Schweiz ist es nicht sinnvoll, zu warten, bis die Verhandlungen zwischen Brüssel und London abgeschlossen sind. Das kann noch einige Zeit dauern, und der Ausgang ist ungewiss. Die EU hat nach wie vor ein starkes Interesse an einer Lösung der institutionellen Fragen mit der Schweiz. Das hat der Europäische Rat mehrfach bekräftigt.
Die EU piesackt die Schweiz, indem sie heute schon Updates beim Vertrag über die technischen Handelshemmnisse blockiert. Warum?
Solche Massnahmen illustrieren den Nutzen eines Abkommens in Bezug auf die Rechtssicherheit. Die EU hatte wohl kurzfristig kein grosses Interesse, den Anhang anzupassen. Machtpolitisch sind wir am schwächeren Hebel. Als Kleinstaat kann die Schweiz nur gewinnen, wenn institutionelle Aspekte in einem Abkommen geregelt werden.
Wird die EU mit der Blockade nicht vertragsbrüchig?
Nein, in den Bilateralen 1 gibt es keine Pflicht, die Anhänge anzupassen. Dieser Entscheid liegt allein beim Gemischten Ausschuss.
Die SVP läuft Sturm gegen die «fremden Richter».
Diese Bezugnahme ist nicht sehr hilfreich. Sie verschliesst die Augen vor einer sorgfältigen Analyse. Es hat sich gezeigt: Der Europäische Gerichtshof ist in seinen Urteilen sehr differenziert. Er wird nicht reflexartig «gegen» die Schweiz entscheiden. Vielmehr geht es um eine unabhängige internationale Gerichtsbarkeit. Im Übrigen ist auch für die EU-Mitgliedstaaten nicht gewährleistet, dass bei sie betreffenden Streitigkeiten «ihr» Richter jeweils mitwirkt. Es ist eine Illusion zu glauben, mit einem eigenen Richter würden die Urteile anders ausfallen. Auch die innenpolitische Akzeptanz ist nicht zwingend höher. Das zeigt der Gerichtshof für Menschenrechte, bei dem die Schweiz mit einer Richterin vertreten ist. (aargauerzeitung.ch)