Schweiz
Gesellschaft & Politik

SVP will mit neuer Initiative Zuwanderung bekämpfen

«Migrationszahlen sind haarsträubend»: SVP will mit neuer Initiative Zuwanderung bekämpfen

Asyl und Zuwanderung sind Kernthema der SVP-Kadertagung in Bad Horn am 6. und 7. Januar. Bereits liegt ein pfannenfertiger Initiativtext vor – mit brisanten Vorschlägen.
18.12.2022, 16:03
Othmar von Matt / ch media
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Eben erst hat die SVP die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider (SP) massgeblich gefördert. Die grosse Mehrheit der Fraktion stimmte für die Jurassierin und bereitete ihr damit eine solide Basis für die Wahl.

Damit hat es sich aber mit den Nettigkeiten. Ab 1. Januar 2023 wird die SVP zur grossen Gegenspielerin der SP-Bundesrätin, die das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) übernimmt.

Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG, von links) und die Nationalräte Thomas Matter (ZH), Mike Egger (SG) und Manuel Strupler (TG) haben die Nachhaltigkeitsinitiative der SVP ausgearbeitet.
Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG, von links) und die Nationalräte Thomas Matter (ZH), Mike Egger (SG) und Manuel Strupler (TG) haben die Nachhaltigkeitsinitiative der SVP ausgearbeitet.bild: keystone

Die SVP macht Asyl und Zuwanderung zum zentralen Thema an ihrer Kadertagung in Bad Horn vom 6. und 7. Januar - und damit auch im Wahlkampf. Die Neun-Millionen-Schweiz rücke immer näher, sagt SVP-Wahlkampfleiter Marcel Dettling. «Unser Land platzt aus allen Nähten. Wir kämpfen mit den Versäumnissen der letzten Jahre. Wenn wir nicht eingreifen, wächst uns alles über den Kopf.»

Ende 2021 betrug die ständige Wohnbevölkerung laut Bundesamt für Statistik 8.739 Millionen Personen. Bis Ende Oktober 2022 kamen gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) netto 145'958 Personen in die Schweiz: 63'877 Personen bei der ständigen Wohnbevölkerung, 18'251 Personen über ein Asylgesuch und 63'830 Personen über den Schutzstatus S aus der Ukraine.

Damit beträgt die ständige Wohnbevölkerung per Ende Oktober 8.885 Millionen. Hochgerechnet auf das ganze Jahr 2023 wären es 8.914 Millionen. Wandern netto 86'000 weitere Personen zu, ist die Neun-Millionen-Grenze erreicht.

Die Schweiz wachse 2022 um den Kanton Basel-Stadt

Für SVP-Nationalrat Thomas Matter herrscht «Alarmstufe Rot». Der «letzte Moment» sei gekommen, an dem «wir in der Schweiz noch etwas ändern» könnten, sagt er. «Die Migrationszahlen sind haarsträubend. Die Schweiz wächst 2022 um 200'000 Einwohner, das ist die Grössenordnung des Kantons Basel-Stadt.» Dazu drohe aktuell auch noch ein Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo.

Recherchen zeigen: Die SVP steht kurz davor, eine neue Initiative zur Zuwanderung zu lancieren – unter dem Titel «Nachhaltigkeits-Initiative». Dieser Begriff bildet die Zuwanderungsthematik umfassender ab. Gleichzeitig ist er politisch unverfänglicher.

In Bad Horn entscheidet der Parteileitungsausschuss am Rande der Tagung, wann die Initiative lanciert wird – und von wem. Von der SVP Schweiz? Das ist noch unklar. Die Zuwanderung gehört zwar zu ihrer DNA, doch sie muss ihre Kapazitäten im Wahljahr sorgfältig aufteilen. Mit SRG-Halbierungs-Initiative und Neutralitäts-Initiative unterstützt sie bereits zwei Initiativprojekte. Eine Bauerninitiative hingegen ist «vom Tisch», wie Dettling sagt. Das Parlament hat das Ziel zur Verringerung von Nährstoffverlusten gesenkt.

Vier Kantonalparteien stehen bereit

Übernimmt die SVP Schweiz das Lead nicht, kommen vier Kantonalparteien zum Zug: Zug, Zürich, St.Gallen und Thurgau. Vier Nationalräte aus den vier Kantonen haben das Lead: Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG), Thomas Matter (ZH), Mike Egger (SG) und Manuel Strupler (TG). Interesse zeigen auch die Kantonalparteien Tessin und Bern.

Der Initiativtext liegt pfannenfertig vor - und geht sehr weit. Er hält fest, dass die Schweiz bis 2050 die Schwelle von zehn Millionen ständiger Wohnbevölkerung nicht überschreiten darf. Erst ab 2050 ist eine sanfte Dehnung der Limite möglich. Aber nur wegen des Geburtenüberschusses, der für ein organisches Wachstum sorgen soll.

Analog zur Schuldenbremse ist die Initiative als Zuwanderungsbremse konzipiert. Überschreitet das Bevölkerungswachstum gewisse Schwellen, muss die Regierung handeln. Wird die Grenze von 9.5 Millionen erreicht, soll der Bundesrat via Gesetzesvorlage Gegenmassnahmen aufzeigen.

Wird die Zehn-Millionen-Grenze überschritten, folgen rigorose Schritte: Der Bundesrat muss jene internationalen Abkommen kündigen, die zu Bevölkerungswachstum führen. Das betrifft vor allem die Personenfreizügigkeit mit der EU und den UNO-Migrationspakt, falls er dann unterzeichnet ist. Er ist im Ständerat blockiert.

«Mehr ist nicht immer mehr», sagt Nationalrat Manuel Strupler. Er betont, eine rein quantitative Zuwanderung sorge nicht für höheres Pro-Kopf-Wachstum. Dazu verwässere das quantitative Wachstum die Werte der Schweiz. «Irgendwann ist die Party vorüber, und jemand muss sie bezahlen», sagt er. «Wir haben aber die Verpflichtung der nächsten Generation gegenüber, die Werte zu erhalten, die uns erfolgreich machten.»

Thomas Matter geht noch weiter. Er spricht von einer Rezession in der Schweiz. Die Bevölkerung wachse 2022 um 2.5 Prozent, das Pro-Kopf-Einkommen aber nur um knapp zwei Prozent. «Das bedeutet: Faktisch befinden wir uns in einer Rezession - obwohl uns vorgegaukelt wird, es gebe Wachstum.» Für den Wohlstand in der Schweiz sei das Pro-Kopf-Wachstum entscheidend.

In den letzten zwanzig Jahren sei die Bevölkerung um 21 Prozent gewachsen. «Wächst die Schweiz in den nächsten 20 Jahren nochmals so stark, bricht alles auseinander», glaubt er. Die Reserven im Bildungs- und Gesundheitswesen und im Verkehr seien heute aufgebraucht. «Wir müssen deshalb dringend zurück vom quantitativen zum qualitativen Wachstum.»

Wahlkampfleiter Dettling und Nationalrat Matter orten im Asylbereich besonders grosse Probleme. «Heute gibt es eine sehr starke Wirtschaftsmigration», sagt Dettling. «Wer einmal einen Fuss in die Schweiz gesetzt hat, bleibt im Land, was bei Migranten aus Afrika zu Sozialhilfequoten von 34 Prozent führt.»

Matter thematisiert die illegale Migration. «Frankreich und Deutschland schliessen jetzt die Grenzen für illegale Transitmigranten aus der Schweiz. Es bahnt sich ein Desaster an.» Kein Wunder, sagt er, habe Karin Keller-Sutter das EJPD verlassen. (aargauerzeitung.ch)

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186 Kommentare
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Das mittlere Raider
18.12.2022 16:27registriert September 2021
Warum hat die SVP nicht das passende Departement übernommen, wenn sie sich mal wieder für die Migrationspolitik einbringen will? Achja, weil sie keine passende Lösung hat.

Was für ein Quatsch, der da bzgl. Rezession behauptet wird. So wird das nicht berechnet.

Überalterung der Bevölkerung, niedrige Arbeitslosenzahlen, Fachkräftemangel (dazu gehören auch Pflegekräfte), eine auf zusätzliche Zahlende angewiesene AHV - alles ignoriert.

Einwanderung in Sozialsysteme? Nur schwer möglich, da man ohne Job seinen Aufenthaltstitel ziemlich schnell wieder verliert (ausgenommen anerk. Flüchtlinge).
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Chris_A
18.12.2022 16:48registriert Mai 2021
Schaut was in GB passiert. Dort sind auch so Typen wie die von der SVP am Werk. Leere Regale, desolates Gesundheitssystem, dramatischer Einbruch der Wirtschaftsleistung, überall Fachkräftemangel etc etc. Das alles droht uns auch mit den Rezepten der Rechtspopulisten.
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Jonaman
18.12.2022 16:55registriert Oktober 2017
Die SVP hätte ja bei den Departementen jetzt die Chance gehabt, das EJPD zu bekommen. Aber wie erwartet machen die lieber Opposition. Sollen sich doch gleich aus dem Bundesrat verziehen.
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