Der schnellste Weg an die universitären Hochschulen führt über eine gymnasiale Maturität. Die andere Möglichkeit besteht in einer abgeschlossenen Passerelle, wenn man die Berufs- oder Fachmaturität besitzt. Das ist der schnellste Weg für alle, die eine Lehre gemacht haben.
Die Passerelle wurde vom Bund und den Kantonen im Jahr 2005 eingeführt, um die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu verbessern. Doch die Prüfung der fünf Fächer hat es in sich: Deutsch, Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften.
Mit rund 1500 Lernstunden muss man bei der Passerelle rechnen, schreibt etwa die Luzerner Maturitätsschule für Erwachsene in ihrer Infobroschüre. Der Aufwand sei vergleichbar mit einem einjährigen Vollzeitstudium.
Ein grosser Aufwand für die Berufsmaturanden. Viele von ihnen gehen darum an die Fachhochschulen, wo sie ohne Eintrittsschwelle ihr Bachelorstudium beginnen können.
Dies zeigt auch eine Auswertung der Universität Zürich im Auftrag der Schweizerischen Maturitätskommission: Nur ein kleiner Teil der Berufsmaturanden entscheidet sich für den Passerelle-Weg. Diese Resultate hat der emeritierte Professor für Gymnasialpädagogik Franz Eberle herausgefunden, indem er die Daten des Bundesamts für Statistik zwischen 2012 und 2015 analysiert hat.
Von allen Studierenden an den universitären Hochschulen haben nur 3 Prozent den Hintergrund einer Berufsmatura mit abgeschlossener Passerelle. «Die Passerelle ist ein kleiner Beitrag dazu, die soziale Selektivität des Zugangs zu gymnasialen Maturitätsschulen zu glätten», sagt Eberle zur NZZ.
Viel weniger erfolgreich als die Studierenden mit einer kantonalen Matura sind die Passerelle-Absolventen aber nicht. 66,2 Prozent der ehemaligen Lehrlinge hatten innerhalb von 5 Jahren einen Bachelorabschluss an einer universitären Hochschule. Bei den Gymnasiasten sind es 70,3 Prozent.
Ähnlich gering ist der Unterschied in der Abbruchquote: 22,2 Prozent der Berufsmaturanden brachen ihr Studium ab und 18,9 Prozent der kantonalen Maturanden. «Wenn man bedenkt, dass die Berufsmaturanden durchschnittlich nur ein Drittel der Unterrichtsstunden von Gymnasiasten haben, kann man von einem grossen Erfolg sprechen», sagt Eberle zur NZZ.
Die Passerelle hat sich bewährt, doch die Berner SP-Nationalrätin Nadine Masshardt könnte sich vorstellen, diese «den sich verändernden Gegebenheiten anzupassen». Sie sagt zu watson: «Die Passerelle stellt eine zu hohe Hürde dar. Ich habe darum in einem Postulat gefordert, eine Vereinfachung zu prüfen.»
Masshardt hat absichtlich ein Postulat und keine Motion eingereicht, weil sie zuerst «eine Auslegeordnung» haben möchte. «Es soll aber auch geprüft werden, ob ein direkter Zugang an die Universitäten möglich ist – bei entsprechenden Fachkenntnissen ganz ohne Passerelle», sagt sie.
Mit diesem Vorhaben ist die Politikerin im Parlament auf grossen Anklang gestossen. Deshalb ist jetzt der Bundesrat daran, die Passerelle anzuschauen und allfällige Änderungen vorzuschlagen. Bundesrat Parmelin, welcher dem Bildungsdepartement vorsteht, hat sich bereits kritisch dazu geäussert. Für ihn soll vermieden werden, dass sich die Universitäten den Fachhochschulen angleichen.
Der SP-Nationalrätin geht es aber nicht darum, den Fachhochschulen die Studierenden streitig zu machen: «Ich möchte mit einer Vereinfachung der Passerelle die Chancengerechtigkeit erhöhen, das duale Bildungssystem verbessern und dem Fachkräftemangel entgegenwirken.»
Masshardts Ziel ist, dass beispielsweise eine Polymechanikerin ein universitäres Ingenieurstudium angehen kann. Für sie ist klar, dass «Personen mit herausragenden Fachkenntnissen» nicht die Hürde einer Passerelle überwinden müssen, um ein Studium an einer universitären Hochschule machen zu können. «Wir müssen Menschen zu Fachkräften ausbilden, die bereits eine grosse Praxiserfahrung mitbringen», sagt Masshardt. Alles andere stelle für sie eine verpasste Chance dar.
Skeptisch gegenüber Masshardts Forderung ist Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Hochschulen. «Würde das Niveau der Passerellenprüfung gesenkt, könnte eine Zunahme der Studienabbrüche die Folge sein oder eine Verschlechterung des Studienerfolgs», teilt der Verein auf Anfrage mit. Dies sei weder aus Sicht der Hochschulen noch aus Sicht der einzelnen Studierenden zu begrüssen.
Für Swissuniversities ist das aktuelle System ausgeglichen: «Eine Passerelle ermöglicht es, mit einer Berufsmaturität ein Studium an einer universitären Hochschule aufzunehmen. Ihr Gegenstück ist die einjährige Arbeitswelterfahrung für Absolventinnen und Absolventen einer gymnasialen Maturität, die an einer Fachhochschule studieren möchten.»
Wer einen Bachelor- oder Masterabschluss an einer Fachhochschule erworben habe, könne zudem später Weiterbildungsprogramme von universitären Hochschulen besuchen – und diese Abschlüsse machen. «Dem Lifelong-Learning ist damit Rechnung getragen», schreibt der Verein.
Die Rektorenkonferenz stellt sich aber nicht komplett gegen eine Änderung der Passerelle. «Aus unserer Sicht müsste der systemische Kontext geprüft werden, und es müsste auch die Arbeitswelterfahrung als Gegenstück der Durchlässigkeit zwischen den Hochschultypen in die Überlegungen einbezogen werden», so Swissuniversities.
Dann müsste eine BM künftig mit einer Matura vergleichbar werden!