Gewaltsamer Tod von HSG-Dozentin Shqiponja Isufi erschüttert Schweizer Albaner-Gemeinde
Vor drei Wochen wurde Shqiponja Isufi in ihrem Haus in Bergdietikon AG tot aufgefunden. Die Rettungskräfte konnten nur noch den leblosen Körper der 41-Jährigen bergen. Dringend tatverdächtig und seit dem mutmasslichen Femizid in Untersuchungshaft: ihr ebenfalls albanischstämmiger Ehemann.
Die promovierte Ökonomin hatte sich einen Namen als renommierte Wirtschaftsexpertin gemacht. Sie war als Lehrbeauftragte an der Universität St.Gallen und als Dozentin bei Expert Suisse tätig. Immer wieder wurde sie von Schweizer Medien porträtiert.
Isufis Tod hat nicht nur Familie und Umfeld erschüttert. Auch die albanische Diaspora steht nach wie vor unter Schock und trauert mit der Familie Isufi um den Verlust der zweifachen Mutter. Shqiponja Isufi, deren Vorname auf albanisch «Adler» bedeutet, entstammt einer politisch engagierten Familie aus Gjilan (Kosovo).
«Schuld an diesen Femiziden sind die sexistischen Strukturen in der albanischen Gesellschaft»
Isufis Eltern mussten bereits in den 80er-Jahren wegen Repressionen des serbischen Regimes als politisch Verfolgte in die Schweiz flüchten. «Dass ausgerechnet Qamil Isufi, der so viel für uns Albaner geopfert und geleistet hat, seine Tochter auf diese grausame Weise verlieren muss, ist eine Schande für unsere Gesellschaft», sagt eine Quelle aus dem Umfeld der Isufi-Familie gegenüber watson.
Auf Social Media lassen Albanerinnen und Albaner ihrem Unmut freien Lauf: Man solle das Thema der häuslichen Gewalt und der Gewalt an Frauen in der albanischen Gesellschaft endlich ansprechen. «Diese Frauenmorde sind nicht einfach Tragödien.»
Schuld an diesen Femiziden seien die sexistischen Strukturen in der albanischen Gesellschaft, heisst es in einem Facebook-Kommentar. «Es vergehen Tage, Wochen, Monate und Jahre – des Schweigens.» Ebendieses Schweigen nähre und halte dieses «strukturelle Monstrum» am Leben.
Das Schweigen zu durchbrechen, sei umso wichtiger im Kontext der Diaspora, wo Ausgrenzung und Rassismus diese so wichtige Debatte erschwerten und verlangsamten, heisst es in einem Kommentar auf Facebook weiter.
Shqiponja Isufi wurde Anfang Oktober in ihrer Geburtsstadt Gjilan beigesetzt. Die Trauerfeier glich einem Staatsbegräbnis, an dem auch die amtierende Justizministerin Kosovos, Albulena Haxhiu, teilnahm. Vor der Trauergemeinde hielt der Vater der Getöteten eine bewegende Rede.
In eloquentem Albanisch erklärte Qamil Isufi: «Ich habe ihr alles gegeben, was sie gebraucht hat. Mit meinem ganzen Wesen habe ich mich der Erziehung meiner Kinder gewidmet. Ich bin stolz, dass Shqiponja stets ihr Bestes gegeben, alle Erwartungen übertroffen und alle Grenzen gesprengt hat. Wir als Eltern werden diese Wunde in unserer Seele ein Leben lang tragen. Für diese Wunde gibt es keine Heilung.»
In einem auf Facebook veröffentlichten, herzzerreissenden Brief an die getötete Shqiponja Isufi erhebt nun ihre Tante schwere Vorwürfe an den tatverdächtigen, inhaftierten Ehemann der HSG-Dozentin. Darin beschuldigt die Tante den Ehemann des Mordes und wirft ihm vor, er hätte Isufis Körper in «jener schwarzen Nacht ohne einen Hauch von Erbarmen verstümmelt». Solche Verbrechen gegenüber albanischen Frauen kenne man nur aus dem Kosovo-Krieg. Nur ein Seelenloser sei imstande, ein derartiges Verbrechen zu begehen.
Weiter heisst es im öffentlichen Brief der Tante:
Shqiponja, während ich mit dem Kummer deines Verlustes weiterleben muss, frage ich mich:
Wird dieses unter Albanern wachsende Phänomen (Femizid, Anm. der Redaktion) einmal enden?! Bis wann werden wir von solchen Taten hören müssen?
Du warst das Vorbild einer Frau, die ungeachtet der Herausforderungen imstande ist, die Spitze des Erfolges zu erklimmen.
Du warst und wirst für immer unser Stolz und gleichzeitig unser Schmerz bleiben.»
Beim tatverdächtigen Ehemann der Getöteten handelt es sich um einen aus Tetovo (Nordmazedonien) stammenden 47-jährigen Schweizer mit albanischen Wurzeln. Er wuchs in Graubünden auf, wo er an einem renommierten Internat seine Matura absolvierte, und besuchte später an der Universität Zürich mehrere Studiengänge.
Seinem Facebook-Profil zufolge glaubte er an verschiedene Verschwörungstheorien, war ein Impfgegner und Corona-Massnahmen-Skeptiker. Der mutmassliche Täter war als Selbstständiger in der Finanzbranche tätig. Auf seinem LinkedIn-Profil steht geschrieben: «Geht nicht – gibt’s nicht!»
Wegen dringendem Tatverdacht befindet sich der Schweizer in Untersuchungshaft.
Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
