Spanien gewinnt Paralympics-Gold – 10 von 12 Basketballern sind gar nicht behindert
Es ist der Gipfel der Unverfrorenheit, was die spanische Mannschaft für Menschen mit geistiger Behinderung durchzieht. Im Basketball-Final der Paralympics in Sydney hat es das Team bis in den Final geschafft. Dort wartet Russland, und weil Spanien einen deutlichen 87:63-Sieg feiert, gewinnt es die Goldmedaille.
Was noch niemand weiss, aber bald alle Welt erfahren wird: Der Triumph wurde auf unfaire Weise errungen.
Korrupter Arzt winkt alles durch
Ein Investigativjournalist lässt die Bombe platzen. Carlos Ribagorda war es gelungen, sich in die Mannschaft zu spielen und an den Paralympics teilzunehmen. Ribagorda berichtet, dass er und andere Mitspieler nie bezüglich einer Behinderung untersucht wurden. Ausserdem werden mehrere Leser stutzig, als sie auf der Titelseite der Sportzeitung «Marca» ein Bild des Siegerteams sehen – mit Spielern darauf, von denen ihnen keinerlei Beeinträchtigung bekannt war.
Nun werden die Spieler doch noch untersucht. Und es stellt sich heraus: Nur zwei von zwölf Basketballern hätten mittun dürfen. Ein Arzt, der mit dem Präsidenten des spanischen Verbands der geistig behinderten Sportler verwandt ist, hatte die nötigen Papiere für die anderen unterschrieben. Ihre Goldmedaillen müssen die Betrüger wieder abgeben.
Anweisung, langsamer zu spielen
Ribagorda zufolge war es das Ziel des Verbandspräsidenten gewesen, durch ein erfolgreiches Abschneiden mehr Geld vom spanischen Staat zu erhalten. Damit die Überlegenheit auf dem Basketball-Court nicht allzu augenfällig war, hätten die Trainer ihre Akteure angewiesen, bewusst langsamer zu spielen.
Trotzdem fällt Beobachtern schon in Sydney auf, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu und her gehen kann. «Bei Spanien und Russland gab es jeweils zwei, drei Spieler, die in unserer Basketball-Liga der Nichtbeeinträchtigten mithalten könnten», klagte später im «Guardian» ein australischer Trainer. «Was diese Spieler mit und ohne Ball anstellten, war weit über dem, was unsere Spieler jemals leisten können.»
Auch Enthüller Ribagorda hat beim Gegner Russland Spieler entdeckt, «die schlicht zu gut» waren. Ausserdem sagte er, dass in der spanischen Delegation auch zwei Schwimmer, ein Tischtennis-Spieler und mindestens ein Leichtathlet dabei waren, die nicht wie vorgegeben eine geistige Behinderung hätten. Eine Untersuchung des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) kommt zum Schluss, dass nur das spanische Basketball-Team betrogen hat.
Paralympics ziehen Konsequenzen
Der Skandal hat Folgen. Nicht nur für die Direktbeteiligten, die ihre Medaille zurückgeben und – wie der Verbandspräsident – ihr Amt aufgeben müssen. Er hat auch Folgen für sämtliche Sportler mit geistiger Behinderung. Weil es schwierig ist, sie korrekt einzuteilen, fliegen diese Athletinnen und Athleten für mehrere Jahre aus dem Programm der Paralympics. Heute gibt es dort wieder Kategorien für Menschen wie sie. Bedingung ist ein Intelligenzquotient von höchstens 75 Punkten und dass man im Alltag auf Hilfe angewiesen ist.
Die Probleme bleiben dennoch, wie der Chef de Mission des deutschen Teams an den Paralympics 2021 in Tokio ausführte. Die Tests für die Einteilung der Athletinnen und Athleten seien weltweit von unterschiedlicher Glaubwürdigkeit. «Wenn man sieht, dass die Sportlerinnen und Sportler da in Fremdsprachen Interviews geben, dass sie davon erzählen, dass sie zu Hause Auto fahren, dann passt das überhaupt nicht zusammen mit der Form von geistiger Behinderung, wie wir sie bei uns kennen», sagte er dem Deutschlandfunk.
Heute gelten deshalb die Special Olympics, ein eigener Anlass, als die Heimat für alle Sportlerinnen und Sportler mit einer geistigen Behinderung. Mit rund 7000 ist die Teilnehmerzahl im Sommer etwa doppelt so hoch wie jene der Paralympics.
