Meditation gilt als Königsweg bei Stress, hat aber auch Schattenseiten
Die Meditation, die seit Jahrhunderten im Buddhismus und Hinduismus praktiziert wird, hat in den letzten paar Jahrzehnten einen beispiellosen Siegeszug in der westlichen Welt erlebt.
Die Meditation, die in unserer hektischen Welt zu mehr Gelassenheit und innerer Ruhe beitragen soll, gilt als wirksames Mittel gegen Stress. Hört man sich ein wenig um, erhält man den Eindruck, dass gefühlt jede 2. Person - mehrheitlich Frauen - schon Meditationskurse besucht hat. Es besteht kein Zweifel, dass die Meditation eine nützliche Disziplin ist, um Distanz zum stressigen Alltag zu gewinnen.
Es gibt allerdings zwei Aspekte, bei denen die Meditation problematisch wird. So kann sie einerseits zum Einfallstor für radikale Formen der Esoterik werden, andererseits gibt es strenge Meditationsschulen, die nicht unbedenklich sind.
Meditation als «Einstiegsdroge»
Zum ersten Aspekt: Bei den Meditationskursen kommen Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft in Kontakt mit spirituellen Suchern, die schon viele esoterische Seminare und Workshops besucht haben. Diese berichten gern von ihren angeblich grossartigen Erfolgen auf dem Weg zur Erleuchtung.
Die Angesprochenen lassen sich oft inspirieren und zu solchen Kursen einladen. Auf diese Weise rutschen Meditationsschülerinnen schon mal in die esoterische Parallelwelt, was sich verhängnisvoll auswirken kann.
Ein Einfallstor in problematische Formen der Esoterik können aber auch Meditationslehrer und Meditationsschulen sein, denn die meisten bieten auch andere Disziplinen an. Dazu gehören vor allem Geistheilung oder alternative Heilmethoden.
Ein Beispiel: Die Zürcher Meditationslehrerin Ingrid Lama schreibt auf ihrer Homepage: «Mein Weg hat mich seit 2014 mit heilenden Kräften in Verbindung gebracht, die ich gerne als Mittlerin zwischen Himmel und Erde an meine Klienten weitergebe. (…) In einer Heilsitzung/einem Heilimpuls verbindet sich das Medium mit heilenden Energien oder höheren Schwingungen aus der geistigen Welt und leitet diese weiter an ihre Klienten. Das Medium ist ein Mittler zwischen den Energien höher schwingender Wesen und dem Klienten.»
Das hat nichts mehr mit Meditation zu tun, sondern ist laut meiner Ansicht Esoterik der problematischen Art. Diese Versprechen sind weder plausibel noch beweisbar.
Auch Yoga kann eine «Einstiegsdroge» für problematische Formen der Esoterik sein, zumal viele Meditationsanbieter auch Yoga und Geistheilung praktizieren.
Ein weiteres Beispiel: Daniel Waldburger ist Meditationslehrer und hat die Schule für Bewusstsein gegründet. Er schreibt: «Die grosse Aufgabe ist, das Unterbewusstsein aufzulösen und zu heilen, damit wir frei, friedlich und voller Kraft und Freude leben. Wir brechen die Bürde unseres Karmas und der Wiedergeburt, um wieder in den Ursprung unseres Seins, in die Ewigkeit und in Unverwundbarkeit einzutreten.»
Das sind esoterische Versprechen, die aus dem Reich der spirituellen Fantasie stammen.
Problematisch können auch radikale Formen der Meditation werden. Dazu zähle ich die bekannte und beliebte Vipassana-Meditation, die weltweit rund 130 Zentren unterhält. Die meisten Kurse dauern zehn Tage und verlangen einen asketischen Einsatz. Doch davon liest man auf der Schweizer Webseite nichts, was fahrlässig ist. Wer sich auf ein solches spirituelles Abenteuer einlässt, sollte wissen, was ihn erwartet. Man sollte nicht eigene Recherchen anstellen müssen.
Zehn Tage schweigen und meditieren
Die Sächsische Zeitung hat intensiv recherchiert und mit Absolventen der Kurse gesprochen. Das Fazit der Zeitung: «Sie schweigen zehn Tage, essen wenig, schlafen kaum. Viele sind danach glücklich wie nie. Aber manche müssen in die Psychiatrie.»
Ein Meditationsschüler, der schon 18 Mal den 10-Tage-Kurse absolviert hat, sagte, der Kurs sei «wie eine Operation an seinem Verstand. Und wie bei einer Operation im Krankenhaus sei es gefährlich, zu gehen, bevor sie zu Ende ist».
Mit anderen Worten: Wenn man den Kurs begonnen habe, gebe es kein Zurück. Egal wie stark die Schmerzen in den Knien sind und wie stark man unter der Askese und dem Sprechverbot leidet. Und er gestand, dass es eigentlich eine Katastrophe sei, was man sich dabei antue.
«Eine Technik, die das Leiden auslöscht.»
Das bedeutet, zehn Stunden am Tag im Schneidersitz meditieren. Ein Ritual, das nicht nur höllische Schmerzen erzeugen kann, sondern auch für die Knie eine Tortur ist, die orthopädische Schäden bewirken können.
In einer Broschüre von Vipassana heisst es: «Es ist eine Technik, die das Leiden auslöscht.» Das klingt schon fast zynisch.
Es überrascht denn auch nicht, dass manche während des Kurses Stimmen hören, Panik bekommen und in die Psychiatrie müssen, wie die Zeitung weiter schreibt.
Eine Belgierin hat denn auch schlechte Erinnerungen an den Kurs. Es sei wie in einer Sekte gewesen, sagte sie. Sie habe sich total isoliert gefühlt und die Unterwerfung als Indoktrination empfunden. Während der Gruppenmeditationen habe man sie sogar von einem Gang zur Toilette abhalten wollen.
22 Prozent haben unerwünschten Effekten wie Angst und Panik
Eine Studie der Charité in Berlin kam zum Schluss, dass von 1400 Meditierenden 22 Prozent von unerwünschten Effekten wie Angst, Panik und selten von Psychosen berichteten. Der Psychologe Ulrich Ott von der Universität Giessen hat nachgewiesen, dass bestehende psychische Probleme während der Meditation aufblühen können.
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