Selten war der Röstigraben so tief wie 1992: Über 70 Prozent der Romands und die beiden Basel stimmten damals für den Beitritt der zum EWR. In der Deutschschweiz legte die Mehrheit ein Nein in die Urne, sodass eine knappe Ablehnung von 50,3 Prozent resultierte.
Seither fand zwischen den Landesteilen in der Europafrage eine Annäherung statt. Der 2000 vom Bundesrat eingeschlagene bilaterale Weg setzte sich auch 2005 und 2009 durch, wobei die Zustimmung in der Westschweiz jeweils deutlich höher ausfiel als in der deutschen Schweiz.
Vor der Abstimmung über die Zuwanderungsinitiative war der Röstigraben letztmals 2012 in einem eidgenössischen Urnengang gut sichtbar. Die Westschweiz stand bei der Buchpreisbindung machtlos einer geschlossene Front von ablehnenden Deutschschweizer Kantonen und dem Tessin gegenüber.
Trotz Support von Zürich und Basel-Stadt unterlag die Ja-Mehrheit der Romandie zuvor 2011 auch bei der Waffeninitiative der übrigen Schweiz. Gegen ihren Willen (und jenen von BS) angenommen wurde 2010 die Ausschaffungsinitiative der SVP, ebenso die Revision der Arbeitslosenversicherung im September 2010.
2008 schaffte die Unternehmenssteuerreform II ganz knapp die Abstimmungshürde, obwohl mit Ausnahme Genfs alle Westschweizer Kantone die bis heute umstrittenen Vorlage ablehnten.
Dank klarer Zustimmung der Romandie, des Tessins und der Deutschschweizer Städte wurde 2004 die Mutterschaftsversicherung gutgeheissen. Bachab ging zugleich die Postinitiative, gegen den Willen der lateinischen Schweiz. Entgegen dem Wunsch der Romands (und von BS) werden auch beide Einbürgerungsvorlagen abgelehnt.
Auf der Gewinnerseite stand die lateinische Schweiz 2002 bei der Ablehnung der Asylinitiative. Die Deutschschweiz sagte nur knapp Ja, die lateinischen Kantone lehnten das Volksbegehren ab. Angenommen wurde jedoch das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) – trotz (knapper) Ablehnung in der Romandie.
2002 sprachen sich die lateinischen Kantone gegen die Liberalisierung des Strommarktes aus – die Deutschschweiz war gespalten. Resultat: Das Elektrizitätsmarktgesetz wurde abgelehnt.
2000 wurden die beiden Initiativen für ein flexibles AHV-Alter trotz klaren Ja-Mehrheiten in der Süd- und Westschweiz verworfen. Die Umverteilungsinitiative zur Reduktion der Militärausgaben fiel trotz zustimmenden Mehrheiten in der Romandie durch.
1999 wurde die Mutterschaftsversicherung trotz eines Ja der West- und Südschweiz abgelehnt, die Heroinverschreibung trotz eines Westschweizer Neins angenommen.
1997 scheiterte die Revision der Arbeitslosenversicherung (mit einer Kürzung der Arbeitslosentaggelder) wegen eines klaren Neins der West- und Südschweiz; die Deutschschweiz war gespalten.
Klare Fronten herrschten 1995, als alle Deutschschweizer Kantone eine Lockerung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Lex Friedrich) gegen den Willen der Romands und der Tessiner bodigten.
1994 wurde die lateinische Schweiz bei der Alpeninitiative von der Deutschschweizer Ja-Mehrheit überstimmt. Eine solche Barriere hatte das Land schon beim Gurtenobligatorium 1980, bei der Autobahnvignette und der Schwerverkehrsabgabe 1984 sowie der Benzinzollerhöhung 1993 entzweit. Alle diese Vorlagen wurden gegen den Willen der Westschweiz angenommen.
Umgekehrt fand 1994 die Aufstellung von Blauhelmen nur in der Westschweiz Zustimmung. Im selben Jahr retteten die West- und Südschweizer mit ihrem klaren Ja das Krankenversicherungsgesetz, die Deutschschweiz war uneins.
(can/sda)