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Lausanne: Ein SVPler will die Hauptstadt des Kantons Waadt verändern

Lausanne Stadt Vogelperspektive
Die Stadt Lausanne von oben.Bild: Shutterstock

Dieser SVPler will Lausanne nicht mehr als Kantonshauptstadt – das ist sein Plan

Zwanzig Waadtländer Abgeordnete, angeführt von SVP-Mann Fabrice Moscheni, schlagen eine Änderung der Kantonsverfassung vor, um das Prinzip einer Wanderhauptstadt einzuführen. Ist das wirklich ernst gemeint? Wir haben es überprüft.
09.04.2025, 09:3509.04.2025, 09:35
Antoine Menusier
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Nein, das ist kein Aprilscherz – auch wenn dieser Text seinen Ursprung am 1. April dieses Jahres hat. Vor einer Woche haben 23 Abgeordnete des Waadtländer Grossen Rates eine von ihrem SVP-Kollegen Fabrice Moscheni verfasste Motion mitunterzeichnet. Diese betrifft eine Änderung von Artikel 4 der Waadtländer Verfassung, der in seiner jetzigen Form besagt, dass «Lausanne die Hauptstadt des Kantons ist».

Wechsel die Hauptstadt alle zehn Jahre?

Die Motionäre, 11 SVPler, 9 FDPler und 3 Grünliberale, wollen das Prinzip eines wandernden Kantonshauptorts einführen. Die Verfassung des Kantons Waadt würde wie folgt geändert:

«Die Hauptstadt wird für eine Dauer von zehn Jahren bestimmt, die am 1. Januar beginnt. Dies ist jeweils der Hauptort eines Bezirks des Kantonsgebiets. Der Wechsel der Hauptstadt erfolgt in alphabetischer Reihenfolge der Waadtländer Bezirke.»
Text des Antrags

Aber warum diese Änderung? Der Wortlaut der Motion beantwortet diese Frage teilweise.

«Um die Hauptstadt näher an die Waadtländer Bevölkerung zu bringen, schlägt diese Initiative vor, dass jeder Bezirk unseres Kantons abwechselnd die Hauptstadt empfangen kann. Dies wird nicht nur unseren Kanton beleben, indem die Macht allen Regionen näher gebracht wird, sondern auch die Gelegenheit bieten, bei jedem Wechsel der Hauptstadt ein grosses Volksfest zu veranstalten, bei dem der Bezirk, der die Hauptstadt beherbergt, im Mittelpunkt steht.»
Text des Antrags

Der Motionär Fabrice Moscheni, ein Abgeordneter aus Lausanne, der aus Sainte-Croix, einer Randregion, stammt, will «die Zusammengehörigkeit der Waadtländer wiederbeleben, indem er diesem Juwel, das die Kantonshauptstadt ist, zu neuem Glanz verhilft». Der Abgeordnete zog eine Parallele zu einer sehr festlichen Veranstaltung:

«Alle 25 Jahre kommen wir in Vevey zur Fête des Vignerons zusammen – hier wäre es alle zehn Jahre, rund um die schöne Idee einer Hauptstadt, die von einem Bezirk zum nächsten wandert.»
Fabrice Moscheni, Abgeordneter SVP im Kanton Waadt.

Der Titel der Hauptstadt ist «in der waadtländischen Verfassung rein symbolischer Natur», sagt Fabrice Moscheni. «Er ist unabhängig vom Standort der kantonalen Institutionen und Verwaltungen», versichert er.

«Es gibt ein Misstrauen gegenüber Lausanne»

Diese Motion kommt einem Seitenhieb auf Lausanne gleich. Die politische Zugehörigkeit der Unterzeichnenden lässt auf eine gewisse Ermüdung im bürgerlichen Lager schliessen – manche würden von Frustration sprechen –, angesichts der Tatsache, dass die Linke in den meisten grossen Städten mehrheitlich vertreten ist. Lausanne, seit 1990 in linker Hand und für die Rechte kaum mehr zu gewinnen, wird aus dieser Perspektive nicht mehr als repräsentativ für die gesamte Bevölkerung des Kantons Waadt angesehen.

Le laureat de la mention "Unique unicite" Fabrice Moscheni, depute UDC au Grand Conseil vaudois lors de la ceremonie du Grand Prix du Maire de Champignac 2024 ce samedi 14 decembre 2024 a La ...
Fabrice Moscheni, Abgeordneter SVP VDBild: keystone

«Es gibt ein gewisses Misstrauen gegenüber Lausanne, das zunehmend als Ort wahrgenommen wird, der sich vom übrigen Kantonsgebiet entfremdet hat. Der frühere Glanz ist verblasst. Die Stadt hat ihre einigende Rolle verloren. Sie arbeitet im Grunde genommen für ihre eigene Bevölkerung, für ihre eigene Klientel», meint Fabrice Moscheni.

Der SVP-Abgeordnete legt nach:

«Eine Hauptstadt hat etwas von einem primus inter pares, um den sich die Heimat symbolisch versammelt. Doch all das scheint die Linke und ihre auf Gleichheit ausgerichtete Sichtweise kaum oder nicht mehr wirklich zu interessieren.»
Fabrice Moscheni, Abgeordneter SVP VD

Lausanne ist nicht mehr «die Bäuerin, die studiert hat», sondern wurde durch das multikulturelle Lausanne ersetzt, stellte Le Temps bereits 2008 fest. Der Landwirt Bernard Nicod aus Granges-près-Marnand im Bezirk Broye-Vully – Namensvetter des bekannten Immobilienunternehmers, jedoch «ohne familiäre Verbindung» – hat die Motion für eine rotierende Hauptstadt mitunterzeichnet.

«Oft fühlen wir Landbewohner uns in der Stadt von den Städtern nicht willkommen.»
Bernard Nicod, Abgeordneter FDP VD

Der FDP-Abgeordnete fügt hinzu: «Lausanne wirft uns vor, dass wir ihr suchtkranke Menschen schicken, und gleichzeitig beklagt sie, dass wir mit dem Auto kommen – dabei hat man je nach Wohnort gar nicht immer einen einfachen Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln.»

Die Nostalgie des Schweizer Comptoir

Bernard Nicod sehnt sich nach dem Comptoir Suisse (1920-1928), das jedes Jahr im Palais de Beaulieu in Lausanne stattfand. «Hier waren Modernität und Tradition vereint. Hier kam man her, um die grossen Haushaltsgeräte zu kaufen», erinnert er sich. Doch der FDP-Abgeordnete hat es nicht nur auf Lausanne abgesehen. Er gibt zu:

French people living in Switzerland casts his ballot during the first round of French legislative elections at the polling station "Palais de Beaulieu" in Lausanne, Switzerland, Sunday, June ...
Wahltage im «Palais de Beaulieu in Lausanne». (Symbolbild)Bild: keystone

«Die loseren Bindungen unter den Waadtländerinnen und Waadtländern sind auch ein Stück weit unsere eigene Schuld – wir, die auf dem Land leben», räumt er ein. «Die Einkaufszentren auf dem Land haben dem Geschäftsleben in den kleinen Städten nicht gutgetan. Zum Glück gibt es noch die Feste, bei denen man sich einmal im Jahr gern wieder trifft.»

«Ich dachte, es sei ein Aprilscherz»

Auf der anderen Seite des Rates sieht man diesen Vorschlag kritisch. «Als ich diese Motion sah, dachte ich, es sei ein Aprilscherz», reagierte der Lausanner Julien Eggenberger, SP-Abgeordneter im Grossen Rat.

«Eine Hauptstadt ist der Ort, an dem sich die Regierung und das Parlament befinden. Wir werden diese Institutionen nicht alle zehn Jahre umziehen, das würde erhebliche Kosten für die Steuerzahler verursachen.»
Julien Eggenberger, Abgeordneter SP VD

Tatsächlich sieht die Motion nicht vor, die Institutionen jeweils mit dem Wechsel der Hauptstadt zu verlegen. Julien Eggenberger nimmt das zur Kenntnis – merkwürdig bleibt die Motion für ihn dennoch.

«Eine Hauptstadt ist nicht etwas Symbolisches. Eine Hauptstadt verkörpert sich in Institutionen.»
Julien Eggenberger, Abgeordneter SP VD

«Da es sich um einen Vorschlag zur Änderung der Verfassung handelt, würde das Volk gegebenenfalls das letzte Wort haben», erklärt Julien Eggenberger. Die Motion wird vor dem Sommer vielleicht noch in der Kommission des Grossen Rates behandelt, die darüber entscheidet, ob sie weiterverfolgt wird oder nicht.

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kafeetrinker
09.04.2025 10:34registriert Januar 2023
😁 😁 Wenn ich das richtig verstanden habe, sollte Haupstadt Kantons Waadt zu einem Wanderzirkus mutieren.
... sollte von einem Fest zum anderem wandern. 🥳🥳🍾🥂
... gewisse Politiker sollten freiwillig auf Alkohol verzichten. 🤣🤣
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El Mussol
09.04.2025 09:49registriert Mai 2023
Wenn es ihm um ein Volksfest alle 10 Jahre geht, kann ich mir kostengünstigere Anlässe vorstellen.
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redeye70
09.04.2025 10:23registriert Mai 2016
Eine klassische Schnapsidee aus dem Bilderbuch – womöglich sogar wortwörtlich zu verstehen 😉 Die Entfremdung zwischen Stadt und Land hingegen ist nicht herbeigeredet sondern leider sehr real. Die angesprochene ablehnende Haltung kann man auch als Städter erleben in der Landregion. Ist also keine Einbahnstrasse.
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