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Nationalrats-Kandidatin Herolinda Rexhepi: «Eine vergewaltigte Frau verliert im Kosovo ihren Wert»

Kosovo-Albanerinnen demonstrieren während dem Kosvo-Krieg 1998 gegen die Gewalt an Frauen. 
Kosovo-Albanerinnen demonstrieren während dem Kosvo-Krieg 1998 gegen die Gewalt an Frauen. Bild: EPA

Nationalrats-Kandidatin Herolinda Rexhepi: «Eine vergewaltigte Frau verliert im Kosovo ihren Wert»

31.07.2015, 11:3331.07.2015, 13:52
Rafaela Roth
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Die Leidensgeschichte von Luana, die ihren Vergewaltiger im Kosovo heiraten und in die Schweiz holen musste, hat viele Leser tief bewegt. Im Interview spricht Herolinda Rexhepi, Nationalratskandidatin der Jungen CVP Kanton Solothurn mit kosovo-albanischen Wurzeln, über Zwangsheirat, Vergewaltigung und die Stellung der Frau in der kosovo-albanischen Kultur. 

Sind Zwangsheiraten durch Vergewaltigung im Kosovo normal?  
Herolinda Rexhepi: Natürlich nicht. Ich finde es immer wieder schockierend, dass solche Dinge überhaupt noch passieren. Heute konzentriert sich das Problem eher auf die Dörfer. In den Städten kommen Zwangsheiraten oder arrangierte Ehen kaum noch vor. Die Frauen leben selbstbestimmter. Mit dem Thema Vergewaltigung tut sich mein Land aber sehr schwer. 

Wie meinen Sie das? 
Das Thema ist tabuisiert. Eine Frau, die vergewaltigt wurde, verliert im Kosovo ihren Wert. Die Vorstellung, dass eine Frau jungfräulich in die Ehe muss, ist immer noch weit verbreitet. Niemand will eine vergewaltigte Frauen heiraten und sie werden komplett allein gelassen.

«Die Meinung, dass vergewaltigte Frauen selbst schuld sind, ist weit verbreitet.» 

Sie werden verstossen? 
Nicht nur das. Es gibt auch keine staatlichen Anlaufstellen und keine psychologische Betreuung für Opfer von Vergewaltigungen. Bei Anzeigen reagiert die Polizei schlecht und auch wenn der Mann bestraft wird, verliert die Frau ihre Existenz, wenn ihre Familie sie verstösst. Sozialleistungen gibt es ebenfalls keine. 

JCVP-Nationalratskandidatin Herolinda Rexhepi.
JCVP-Nationalratskandidatin Herolinda Rexhepi.Bild: zvg
Zur Person
Herolinda Rexhepi will diesen Herbst für die Solothurner CVP den Nationalrat. Die 22-Jährige Pflegefachangestellte mit kosovo-albanischen Wurzeln ist in der Schweiz aufgewachsen und bezeichnet sich selbst als konfessionslos. Im Jahr 2013 trat die Politikerin der Jungen CVP Solothurn bei. Rexhepi ist verheiratet und lebt in Bellach. (rar) 

Warum haben Opfer von Vergewaltigungen einen so schweren Stand? 
Die Meinung, dass vergewaltigte Frauen selbst schuld sind und den Mann vielleicht sogar zur Tat gereizt haben, ist weit verbreitet. Ausserdem gibt es die Vorstellung, dass Männer oder Väter ihr Gesicht verlieren, wenn sie nicht auf ihre Frauen aufpassen können. Während dem Krieg wurden hunderte Frauen vergewaltigt. Es gab Männer, die sich danach von ihren Frauen scheiden liessen. Die Dunkelziffer bei Vergewaltigungen ist dementsprechend hoch. 

Woher kommen diese archaischen Vorstellungen in der albanischen Kultur? 
Vieles gründet auf dem Kanun, dem alten Gewohnheitsrecht der Albaner. Darin spielt die Ehre eine grosse Rolle. Die Frau wird darin einerseits vergöttert, andererseits steht da auch, dass sie zu Hause bleiben und für den Mann sorgen soll. Auch Menschen die Ehrenmorde begehen, berufen sich oft auf den Kanun. Es gibt traditionelle Familien, in denen die Überlieferungen noch eine grosse Rolle spielen. 

«In der Schweiz gibt es eine gute Infrastruktur von Anlaufstellen. Das Wichtigste ist, dass die Frauen überhaupt davon erfahren.»

Welche Hilfe brauchen Ihrer Meinung nach Kosovo-Albanierinnen, die in der Schweiz in eine solche Situation geraten? 
In der Schweiz gibt es eine gute Infrastruktur von Anlaufstellen. Das Wichtigste ist, dass die Frauen überhaupt davon erfahren. Viele sind schlecht informiert. Information ist ein wichtiger Aspekt der Integration von Kosovo-Albanern, für den ich mich auch politisch einsetzen möchte. 

Was braucht es für eine gute Integration der kosovo-albanischen Migranten? 
Nebst guter Information vor allem die Sprache, also leicht zugängliche Deutschkurse. Überdies sehr wichtig ist ein leichter Zugang zu Ausbildungen und Kursen, um die Menschen schnell in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Gerade die Frauen haben da mehr Probleme als die Männer. 

Warum? 
Weil die Frauen in der Schweiz oft die Hausarbeit übernehmen, schlecht ausgebildet und damit abhängig von ihren Ehemännern sind. Da muss man ansetzen. Dann würden solche Dinge auch nicht mehr vorkommen. 

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Teslaner
31.07.2015 12:02registriert April 2015
Welche Menschen können denken, dass die Frau an einer Vergewaltigung selbst schuld ist?
Leider ganze Religionen und Menschengruppen mit einem Gedankengut wie vor 2000 Jahren!
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mrgoku
31.07.2015 11:52registriert Januar 2014
Ich sehe eher auch ein Problem darin dass die meisten Frauen nichts unternehmen weil sie ihre Familie nicht verlieren wollen oder einfach Angst davor haben... gleichzeitig sind sie aber auch zu Tode unglücklich weil sie nicht mit jemandem zusammen sein können den sie lieben... ein hartes Dilemma sich gegen die Familie entscheiden zu müssen...
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Angelo C.
31.07.2015 12:44registriert Oktober 2014
Zitat aus dem Artikel : "Woher kommen diese archaischen Vorstellungen in der albanischen Kultur?"

"Vieles gründet auf dem Kanun, dem alten Gewohnheitsrecht der Albaner. Darin spielt die Ehre eine grosse Rolle. Die Frau wird darin einerseits vergöttert, andererseits steht da auch, dass sie zu Hause bleiben und für den Mann sorgen soll. Auch Menschen die Ehrenmorde begehen, berufen sich oft auf den Kanun. Es gibt traditionelle Familien, in denen die Überlieferungen noch eine grosse Rolle spielen." Ende des Zitats.

Also exakt das, was ich im letzten Artikel über Luana bereits durch die verlinkten Kanun-Angaben informierend aufgezeigt habe. Viele Kosovaren leben noch immer nach dem Kanun, oft spätestens aber dann, wenn ein Problem "eine Frage der familiären oder persönlichen Ehre" tangiert.

Zwar werden wohl heute auch bei Kosovaren die allerwenigsten Ehen durch Vergewaltigung herbeigeführt, ganz sicher aber noch immer durch massiven familiären Zwang, der in dieser oder jener Weise entarten kann.
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