Mitte Dezember verurteilte das Bezirksgericht Zürich vier aus der Türkei stammende Männer zu mehrjährigen Gefängnisstrafen wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei. Sie waren die Drahtzieher hinter der illegalen Glücksspiel-Bezahlkarte «Antepay», mit der sie ab 2019 innert zwei Jahren einen Umsatz von 324 Millionen und einen Reingewinn von 171 Millionen Franken erzielten.
Einige Millionen wusch der kriminelle Clan über den Fussballclub Zürich, bei dem er mit seiner Bezahlkarte 2019 und 2020 als Hauptsponsor auftrat.
Die kriminellen Akteure waren in der helvetischen Spitzenfussball-Szene tief verankert. Aber nicht nur dort. Im Umfeld von «Antepay»-Verurteilten finden sich unter anderem auch illustre Kosmetiksalons im Raum Zürich.
Kriminelle Strukturen und Clans haben längst ein Auge auf solche Etablissements geworfen. Weil es dort nicht auffällt, wenn regelmässig auch höhere Beträge in bar bezahlt werden, eigenen sie sich unter anderem gut für Geldwäscherei. Selbst wenn sie kaum oder gar keine Kunden haben.
Einen solchen Fall schilderte die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) in ihrem Jahresbericht 2021.
Eine Bank hatte auf dem Konto einer Kundin, «die gemäss eigenen Angaben einen Beauty-Salon betreibt», eine Reihe von verdächtigen Finanztransaktionen festgestellt. Im Lauf eines Jahres wurden Bareinzahlungen in der Höhe von 70'000 Franken auf das Konto getätigt. Von der Bankkundin selbst, aber auch von anderen Frauen. Das Geld wurde teilweise in einer Schweizer Stadt eingezahlt und wenig später im europäischen Ausland abgehoben. Es stellte sich heraus, dass der Geldempfänger und angebliche Lebenspartner Bankkundin «mit organisierter Kriminalität und Menschenhandel in Verbindung» stand.
Die Einnahmen stammten nicht aus dem Beauty-Geschäft, das im konkreten Fall nicht einmal existierte, sondern aus Zwangsprostitution und Menschenhandel.
Erleichtert wird das Geschäft mit den dubiosen Schönheitssalons durch die liberale Schweizer Gesetzgebung. «Um ein Kosmetikinstitut eröffnen zu können, benötigt es keine spezielle Bewilligung oder einen Nachweis von fundiertem Fachwissen», sagt Nicole Schmid, Geschäftsführerin des Schweizer Fachverbands für Kosmetik (SFK).
Heute könne jedermann und jedefrau auch ohne Ausbildung ein Kosmetikinstitut eröffnen und sich Kosmetikerin oder Kosmetiker nennen. Nur der Kanton Tessin habe «die Problematik erkannt» und die Eröffnung eines Kosmetikstudios an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) zeigen, dass im Jahr 2011 schweizweit 8216 Kosmetiksalons mit 10'532 Beschäftigten registriert wurden. Im Jahr 2022 waren es bereits über 50 Prozent mehr, nämlich 12'545 Salons mit 16'751 Beschäftigten.
«Wenn man die jährlich 120 Lehrabgänger schweizweit der stark steigenden Anzahl an Beschäftigten in diesem Berufsfeld gegenüberstellt, muss man davon ausgehen, dass viele in der Branche nicht über einen eidgenössischen Abschluss verfügen», sagt SFK-Geschäftsleiterin Schmid.
Wer kein unnötiges Risiko eingehen will, vertraut sich nur Personen an, die über einen eidgenössisch anerkannten Abschluss verfügen. Sie führen die Berufsbezeichnungen «Kosmetikerin EFZ», «Kosmetikerin FA» oder «Diplomierte Kosmetikerin (HFP)». Alle drei sind geschützte Titel. «Die Ausbildung zur Kosmetikerin EFZ ist in der dualen Bildung verankert und dauert drei Jahre», das sei also eine Berufslehre, so SFK-Geschäftsleiterin Schmid,
Teilweise nur Schnellbleichen sind demgegenüber Ausbildungen einiger privater Anbieter. Nicole Schmid: «Die effektive Ausbildungszeit beträgt oft nur ein paar Wochen. Diese Ausbildungen schliessen mit einem Diplom der jeweiligen Fachschule ab und sind nicht eidgenössisch anerkannt.»
Ohne viel Mühe findet man im Internet Salons, in denen diese Fachkompetenz offensichtlich ganz oder zumindest teilweise fehlt. Beispielsweise Anbieterinnen, die auf ihrer Studio-Website zwar eine ganze Reihe von Behandlungen aufführen, aber nicht einmal ihren Namen, geschweige denn ihre Ausbildung. Sie nennen sich «diplomierte medizinische Kosmetikerin» oder ähnlich. Was zwar gut tönt, nur: Diesen Beruf gibt es in der Schweiz so gar nicht.
«Diese Berufsbezeichnung ist nicht korrekt», so Schmid. Sie sagt: Hätte die Person einen eidgenössischen Abschluss, also einen Fachausweis (FA), würde sie sich «Kosmetikerin FA – mit Fachrichtung medizinische Kosmetik» nennen. Hätte sie einen Abschluss einer privaten Kosmetikfachschule, würde die korrekte Berufsbezeichnung «Kosmetikerin mit Diplom der Fachschule Soundso» lauten.
Trotzdem bieten solche «Kosmetikerinnen», ausgerüstet mit teilweise sehr teuren Apparaturen, eine ganze Palette von potenziell gesundheitsgefährdenden Dienstleistungen an. Diese reichen vom Aufpolstern der Lippen per Hyaluron-Pen über das Entfernen von Tattoos, Permanent-Makeup oder Haaren mit dem Laser.
Ob diese Behandlungen nun zu Dumpingpreisen angeboten werden, oder ob sie mehrere Hundert Franken kosten, fest steht: Durchführen darf sie nur, wer über einen entsprechenden Sachkundenachweis mit Prüfung verfügt.
«Seit Juni 2019 regeln ein Gesetz und eine Verordnung (V-NISSG) die Behandlungen mit Strahlung und Schall», so SFK-Leiterin Schmid. Denn Behandlungen mit Laserstrahlung, Licht, Ultraschall oder Radiofrequenz bärgen Risiken für das Gewebe.
Das Gesetz schreibt Sachkundeausweise unter anderem auch für «die Behandlung» von Cellulite, Couperose, Falten, Nagelpilz, Narben, sowie für «die Entfernung von Haaren» vor. Eine ganze Reihe von Behandlungen dürfen zudem nur von «Ärztinnen oder Ärzten» durchgeführt werden. Dazu gehört auch das Aufpolstern von Lippen durch Unterspritzen.
Das boomende Geschäft mit der «Schönheit» kann für Betroffene bleibende Folgen haben. Immer wieder gibt es Berichte von Pfusch am Körper. So schilderte SRF Fälle von «verpfuschten Lippen», die auf illegal untergespritzte Hyaluronsäure zurückzuführen waren.
Das Bundesamt für Gesundheit führt auf seiner Website eine öffentliche Liste, in der sich die Personen eintragen lassen können, die Sachkundeweise erworben haben. Weil dubiose Studios aber die Namen der Behandelnden oft nicht angeben, hilft das der Kundschaft vielfach wenig.
Eine Internet-Recherche fördert aber problemlos Personen zutage, die Behandlungen öffentlich anbieten, ohne über die nötigen Sachkundeausweise zu verfügen.
Ob gesundheitsgefährdende Abzocke, kriminelle Geldwäsche oder beides zusammen: Beautysalons müssen heute kaum befürchten, von den Behörden kontrolliert zu werden. Die kantonalen Behörden kontrollieren bisher offenbar nur auf Anzeige hin. «Auf Nachfrage haben wir erfahren, dass solche Überprüfungen nicht proaktiv stattfinden, sondern nur wenn Hinweise eingehen», hält Nicole Schmid fest.
Klar ist: Die Dubiosen schaden auch dem Geschäft und dem Ruf der Seriösen. In der Kosmetikszene nimmt der Wildwuchs zu. Was tun? Der Kosmetik-Fachverband würde «es sehr befürworten, wenn eine Geschäftseröffnung nur mit einem eidgenössischen Abschluss als Kosmetikerin möglich» wäre, sagt Geschäftsführerin Schmid. Damit wäre gewährleistet, dass das behandelnde Personal über die erforderliche fachliche Kompetenz verfüge. Denn, so Schmid: «Hier wird eine Dienstleistung am Menschen angeboten und am grössten Organ des menschlichen Körpers gearbeitet: der Haut.» (aargauerzeitung.ch)
wie kann man ihn dieser Branche so lasche Anforderungen haben, so das einfach jeder ohne nötiges Wissen sowas betreiben kann?
Immerhin schön zu sehen, dass mit dem Tessin wenigstens ein Kanton die Probleme erkannt hat.
Wieso schützt man nicht mehr Berufe besser und sichert so einen Standard?
Und wie lange wird das Thema mit den Clans, der Schwarzarbeit und dem Menschenhandel ignoriert?