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«Völlig absurder Vorschlag» – SVP-Rickli erntet von allen Seiten Kritik

Natalie Rickli sagte kürzlich in einem Interview, das Schweizer Gesundheitssystem sei «finanziell gescheitert».
Natalie Rickli sagte kürzlich in einem Interview, das Schweizer Gesundheitssystem sei «finanziell gescheitert».bild: keystone sda

«Völlig absurder Vorschlag»: Rickli erntet für ihre Forderung Kritik von allen Seiten

Die Prämien werden immer teurer. Darum schlug die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» vor, die obligatorische Krankenkasse abzuschaffen. Von FDP bis SP sehen das jedoch alle Parteien anders.
28.08.2023, 18:3229.08.2023, 11:29
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«Keine Tabus» bei der Revision des Schweizer Gesundheitssystems. Das fordert die Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin des Gesundheitsdepartements Natalie Rickli in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». Denn sie ist überzeugt: «Dieses System mit der obligatorischen Grundversicherung, der jährlich sich anpassenden Kostendeckung durch angepasste Prämien und der mit Steuergeldern finanzierten individuellen Prämienverbilligung ist aus finanzieller Sicht gescheitert.»

Sie wünscht sich darum einen Neustart bei den Diskussionen rund um unser Gesundheitssystem. Und schlägt vor: «Meiner Meinung nach sollte sogar eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung in Betracht gezogen werden.»

Die Reaktionen seitens der Parteien liessen nicht lange auf sich warten. Etwa von Grüne-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber. Auf der Online-Plattform X (früher Twitter) schreibt sie:

Auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth echauffiert sich online darüber, dass Rickli das gesamte bestehende System am Abgrund sieht. Und beschwört eine dunkle Zukunft, würde ihr Vorschlag umgesetzt:

Ähnliche Töne sind auch von Grüne-Nationalrat Balthasar Glättli zu vernehmen. Auf der Online-Plattform X schreibt er:

Selbst FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt lehnt Ricklis Vorschlag ab. Und dies, obwohl er mit dem Vorschlag der FDP einer «Grundversicherung light» einen Vorschlag unterstützt, der vom Mitte-Links-Lager ebenfalls als eine «Gesundheitsversorgung nur für Reiche» kritisiert wird.

Andri Silberschmidt, FDP-ZH, spricht waehrend der Debatte um die BVG-Reform, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 28. Februar 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer ...
Andri Silberschmidts Budget-Krankenkasse stösst von Mitte bis links ebenfalls auf Ablehnung.Bild: KEYSTONE

Die «Grundversicherung light» sieht vor, dass Prämienzahlerinnen und -zahler etwa auf eine Generikapflicht setzen können oder Einschränkungen der freien Arztwahl sowie eine höhere Franchise in Kauf nehmen können. Im Gegenzug solle ihre Prämie um mindestens 25 Prozent sinken. Von Links heisst es, dieser Vorschlag heble das Solidaritätsprinzip des Schweizer Gesundheitssystems aus.

Mit Solidarität hätte auch die Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung nichts mehr zu tun. Das geht selbst Silberschmidt zu weit. Gegenüber watson sagt er:

«Die Grundkosten sollten noch immer für alle gedeckt werden können.»
Andri Silberschmidt, FDP-Nationalrat

Er sieht das Schweizer Gesundheitssystem nicht am Abgrund, lediglich als reformbedürftig. «Und Reformvorschläge gäbe es genug. Nur werden diese immer wieder von der SVP oder SP abgeblockt», sagt Silberschmidt.

Ebenfalls nichts von Natalie Ricklis Liebäugeln mit der Abschaffung der obligatorischen Krankenkasse hält Mitte-Nationalrat Christian Lohr. Er sagt gegenüber watson:

«Das ist ein Spiel mit dem Feuer.»
Christian Lohr, Mitte-Nationalrat
Christian Lohr, Mitte-TG, spricht zur Grossen Kammer, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 13. Juni 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Christian Lohr setzt sich für die Mitte für eine Kostenbremse bei den Krankenkassenprämien ein.Bild: KEYSTONE

Die Schweiz brauche ein solidarisches Gesundheitssystem. Ansonsten könnten sich Ärmere und Kranke einen Arztbesuch kaum noch leisten.

Die SVP würde immer suggerieren, dass sehr viele Menschen unbegründet teure Leistungen in Anspruch nähmen. «Das kann schon sein. Aber wann und wo das tatsächlich vorkommt, müssen wir zuerst seriös prüfen und dann konkret dagegen vorgehen», sagt Lohr. Von Rickli wünscht er sich darum klare, umsetzbare Lösungsansätze statt aufsehenerregender Polemik.

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272 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Massalia
28.08.2023 18:53registriert Juni 2021
Rickli ist mit ihrem Job massiv überfordert. Was macht sie, um das Problem zu lösen? Abschaffen des Solidaritätsprinzips, Gesundheitsversorgung nur noch für Reiche, gesundheitliche Probleme führen beim Mittelstand und Geringverdienern direkt in die Schuldenfalls und den Privatkonkurs. Das ist Lösung à la SVP.

Wer wählt sowas?!
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Feuerblümchen
28.08.2023 18:56registriert Juli 2019
Im Gesundheitswesen hängen so viele Faktoren zusammen. Selbst als Ärztin kann ich nur gewisse Teile davon nachvollziehen. Da versprechen isolierte Veränderungen am Versicherungsmodell nur wenig Besserung, man muss grösser denken.
Meiner Meinung nach müsste da ein Gremium mit Vertretern aller möglichen Disziplinen (Medizin, Spitalleitung, Versicherung, Bund; Kantone, etc.) das optimale Modell erarbeiten (quasi auf der grünen Wiese). Anschliessend müsste man schauen, was man ändern kann, um dem Optimum möglichst nah zu kommen.
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HugiHans
28.08.2023 18:42registriert Juli 2018
Probleme aufzuzählen ohne wirkliche Lösungsansätze auf zu zeigen lässt auf Wahlkampf schliessen und nicht auf ernsthaftes Engagement.
Das Thema Migration scheint der SVP wohl zuwenig vielversprechen zu sein für diesen, so dass sie eine zweite populistische Baustelle aufreissen …
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