«Keine Tabus» bei der Revision des Schweizer Gesundheitssystems. Das fordert die Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin des Gesundheitsdepartements Natalie Rickli in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». Denn sie ist überzeugt: «Dieses System mit der obligatorischen Grundversicherung, der jährlich sich anpassenden Kostendeckung durch angepasste Prämien und der mit Steuergeldern finanzierten individuellen Prämienverbilligung ist aus finanzieller Sicht gescheitert.»
Sie wünscht sich darum einen Neustart bei den Diskussionen rund um unser Gesundheitssystem. Und schlägt vor: «Meiner Meinung nach sollte sogar eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung in Betracht gezogen werden.»
Die Reaktionen seitens der Parteien liessen nicht lange auf sich warten. Etwa von Grüne-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber. Auf der Online-Plattform X (früher Twitter) schreibt sie:
Eine völlig absurde Forderung und umso problematischer aus dem Mund einer Gesundheitsdirektorin. Die Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung würde tausenden Menschen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung verunmöglichen. #Rickli #Krankenkasse
— Katharina Prelicz-Huber (@K_PreliczHuber) August 27, 2023
Auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth echauffiert sich online darüber, dass Rickli das gesamte bestehende System am Abgrund sieht. Und beschwört eine dunkle Zukunft, würde ihr Vorschlag umgesetzt:
Was das hiessen würde sehen wir in den USA: Bis in die Mittelklassen würden lösbare medizinische Probleme innert Kürze zum Armutsrisiko. Das wäre Gesundheit nur noch für die Reichen. Ist ja auch die Partei der reichen Eliten. https://t.co/knM1jwnqu8
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) August 27, 2023
Ähnliche Töne sind auch von Grüne-Nationalrat Balthasar Glättli zu vernehmen. Auf der Online-Plattform X schreibt er:
Ich bin völlig anderer Meinung als @NatalieRickli. Aber immerhin macht sie nicht einfach Schubidu-Wahlkampf, wie ihre Partei. Sondern sagt glasklar, wofür die SVP steht:
— Balthasar Glättli🌻 🕊 (@bglaettli) August 27, 2023
Gesundheitsversicherung nur für Reiche.
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Selbst FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt lehnt Ricklis Vorschlag ab. Und dies, obwohl er mit dem Vorschlag der FDP einer «Grundversicherung light» einen Vorschlag unterstützt, der vom Mitte-Links-Lager ebenfalls als eine «Gesundheitsversorgung nur für Reiche» kritisiert wird.
Die «Grundversicherung light» sieht vor, dass Prämienzahlerinnen und -zahler etwa auf eine Generikapflicht setzen können oder Einschränkungen der freien Arztwahl sowie eine höhere Franchise in Kauf nehmen können. Im Gegenzug solle ihre Prämie um mindestens 25 Prozent sinken. Von Links heisst es, dieser Vorschlag heble das Solidaritätsprinzip des Schweizer Gesundheitssystems aus.
Mit Solidarität hätte auch die Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung nichts mehr zu tun. Das geht selbst Silberschmidt zu weit. Gegenüber watson sagt er:
Er sieht das Schweizer Gesundheitssystem nicht am Abgrund, lediglich als reformbedürftig. «Und Reformvorschläge gäbe es genug. Nur werden diese immer wieder von der SVP oder SP abgeblockt», sagt Silberschmidt.
Ebenfalls nichts von Natalie Ricklis Liebäugeln mit der Abschaffung der obligatorischen Krankenkasse hält Mitte-Nationalrat Christian Lohr. Er sagt gegenüber watson:
Die Schweiz brauche ein solidarisches Gesundheitssystem. Ansonsten könnten sich Ärmere und Kranke einen Arztbesuch kaum noch leisten.
Die SVP würde immer suggerieren, dass sehr viele Menschen unbegründet teure Leistungen in Anspruch nähmen. «Das kann schon sein. Aber wann und wo das tatsächlich vorkommt, müssen wir zuerst seriös prüfen und dann konkret dagegen vorgehen», sagt Lohr. Von Rickli wünscht er sich darum klare, umsetzbare Lösungsansätze statt aufsehenerregender Polemik.
Wer wählt sowas?!
Meiner Meinung nach müsste da ein Gremium mit Vertretern aller möglichen Disziplinen (Medizin, Spitalleitung, Versicherung, Bund; Kantone, etc.) das optimale Modell erarbeiten (quasi auf der grünen Wiese). Anschliessend müsste man schauen, was man ändern kann, um dem Optimum möglichst nah zu kommen.
Das Thema Migration scheint der SVP wohl zuwenig vielversprechen zu sein für diesen, so dass sie eine zweite populistische Baustelle aufreissen …