Schweiz
Gesellschaft & Politik

Dumm gelaufen ... Adrian Amstutz’ «Verfassung» war gar keine

Swiss People's Party (SVP) faction chief Adrian Amstutz speaks during the lower house parliament session in Bern, Switzerland September 21, 2016. REUTERS/Ruben Sprich
Aber was hält er denn da in der Hand, der Herr Amstutz?Bild: RUBEN SPRICH/REUTERS

Dumm gelaufen ... Adrian Amstutz’ «Verfassung» war gar keine

Publikumswirksam hielt der SVP-Fraktionschef die Verfassung in die Kameras. Dumm nur: Es war ein Geschichtsbuch von 1891.
05.10.2016, 05:1905.10.2016, 08:22
antonio fumagalli / Aargauer Zeitung
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Wer auf Politklamauk steht, wurde an jenem 21. September 2016 grossartig unterhalten: Es ging im Nationalrat um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die vorberatende Kommission hatte beschlossen, die Personenfreizügigkeit stärker zu gewichten als eine strikte Umsetzung des Verfassungstextes.

Die SVP wusste, dass ihre Verschärfungsanträge scheitern würden. Aber wenn schon untergehen, dann immerhin mit wehenden Fahnen! Vor laufenden TV-Kameras inszenierten die SVP-Wortführer also gekonnt eine Show, wie man sie hierzulande bislang nicht kannte.

Szenischer Höhepunkt: Die Brandrede von Fraktionschef Adrian Amstutz, der sich die Parlamentarier anderer Parteien gleich reihenweise vorknöpfte und sie als «Totengräber der Demokratie» bezeichnete.

Geschichtsbuch aus dem Jahr 1891

Dabei hielt er ein dickes Buch in die Höhe und sagte: «Sie haben auf diese Verfassung geschworen oder das Gelübde abgelegt. Es wäre gut, wenn Sie 30 Sekunden in sich kehren und sich mal überlegen würden, was Sie da heute anstellen!»

Jetzt auf

Wie das Westschweizer Fernsehen RTS am Dienstag enthüllte, handelte es sich aber gar nicht um eine geltende Verfassung. Amstutz, der gestern telefonisch nicht erreichbar war, präsentierte ein Buch über die Geschichte der Schweizer Verfassungen. Es wurde 1891 vom Berner Professor Carl Hilty geschrieben und liegt in der Parlamentsbibliothek auf.

Die neuste darin enthaltene Verfassung ist diejenige von 1874. Ironie der Geschichte: Zu diesem Zeitpunkt gab es das Mittel der Volksinitiative noch gar nicht.

Aber wollen wir nicht so pingelig sein ... auch wir Journalisten machen Fehler. Und die sind teilweise auch sehr peinlich.

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70 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ürsu
05.10.2016 06:49registriert Juni 2015
Für Amstutz war es sicher wichtiger, dass sie Schrift schön alt und das Schweizerkreuz so toll patriotisch wirkt. Ist meine Interpretation.
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SemperFi
05.10.2016 07:20registriert Februar 2014
Das ist ja genau ein Teil unseres Problems: scheingebildete, redegewandte Rattenfänger versammeln eine Schar von Unwissenden um sich und verkaufen ihnen einfache Lösungen, die aber nur im Ratsaal funktionieren. Und wenn die Lösung dann in der Praxis scheitert, sind die anderen Schuld. Bildung (insbesondere Staatskunde) braucht das Land. Nur so können die Damen und Herren entlarvt werden.
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Triumvir
05.10.2016 08:21registriert Dezember 2014
Das hat dieser SVP-Heini doch extra gemacht. Er hat ja auch nicht zu seinen Ratskollegen, sondern vielmehr zu seinen bildungsfernen Wähler/innen geredet...
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