«Direktorin ist ein Kontrollfreak»: Abgänge und Untersuchungen – es brodelt im Patentamt
Das Resultat der «Beschaffungsprüfung» im Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) ist durchzogen. Bei zehn ausgesuchten Fällen aus den Jahren 2023 und 2024 fand die Eidgenössische Finanzkontrolle «vereinzelte Mängel»: «Sie traten vor allem bei den Einladungsverfahren und bei überschwelligen freihändigen Vergaben auf.»
Im Amt mit seinen rund 260 Mitarbeitenden fehlte es an Marktanalysen und Wettbewerb, «Anbieter wurden teilweise nicht gleichbehandelt». Folgen seien Reputationsrisiken und mögliche negative Auswirkungen «auf Wirtschaftlichkeit der eingekauften Güter und Leistungen».
Das Patentamt unter Catherine Chammartin, seit 2015 Direktorin, gelobt Besserung. Alle Empfehlungen würden umgesetzt.
Aber die Probleme gehen tiefer. Im Patentamt brodelt es. Die Direktion ist intern und in Teilen der Erfinderbranche umstritten. Die Prüfung der Finanzkontrolleure berührt auch Vorgänge und Zustände, die seit Jahren zu reden geben.
Betroffen sind etwa die «freihändig überschwelligen» Vergaben von 2,8 Millionen Franken – darunter ein Posten von 1,3 Millionen für zwei Jahre. Diese Kosten entstanden teilweise wegen Abgängen in Finanzen und Personal (HR). Auslöser sei laut Quellen die Direktorin, «die ein Kontrollfreak ist und keine Fehler duldet». Sie knalle Leute in ihrem Stab raus, die sie selbst geholt habe.
Die Lücke füllte das Patentamt mit Externen, die im Mandat beschäftigt wurden. Zu den daraus resultierenden Kosten gab IGE-Kommunikationschef Peter Studer im September gegenüber CH Media an: «Ab Mitte 2022 bis heute betrugen die Kosten für die Interims-Lösungen im Bereich HR rund 1 Million und im Bereich Finanzen rund 2,2 Millionen Franken».
Es habe «einige Abgänge» gegeben, die Aufgaben hätten sich aber «stark gewandelt». Zum Führungsstil heisst es: «Im externen Bericht aus dem Frühjahr 2025 wurde festgehalten, dass die oberste operative Leitung durch die Direktorin einen spürbaren Führungs- und Leistungswillen zeigt, welcher insgesamt als positiv zu werten ist.»
Was allerdings eine auffallend zurückhaltende Formulierung ist. Sie sagt nur aus: Der Wille ist da.
Diese Untersuchung liess der Institutsrat unter Präsidentin und alt Nationalrätin Corina Eichenberger durchführen, nachdem es «Hinweise über ein schlechtes Arbeitsklima, das Nichtfunktionieren einzelner Teams sowie vermehrte Kündigungen und Krankheitsfälle» gegeben hatte.
Die Untersuchung machte eine Berner Consultingfirma. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Mitarbeiterzufriedenheit mit der Direktion in den letzten Jahren sank. Die Fluktuation sei relativ tief, ausser in den Abteilungen Finanzen und HR, wo es Fluktuationswerte von 60 beziehungsweise 50 Prozent in einem Jahr gab. Insider sagen, der Bericht gebe einseitig den Standpunkt der Direktorin und des Institutsrats wieder. Manche Befragten fühlten sich nicht korrekt wiedergegeben.
Das IGE besteht aus den Bereichen Patente sowie Marken und Designs.
Besonders im Patentbereich rumort es. Quellen werfen der Direktorin vor, sie verstehe nichts von Patenten und wolle Patente und Marken über einen Leisten schlagen. «Aber das geht nicht, ohne der Innovationskraft in der Schweiz schweren Schaden zuzufügen», wie sich eine Quelle ausdrückt.
Die letzten beiden Patentchefs gingen unfreiwillig
Ausdruck der internen Auseinandersetzungen sind Chef-Abgänge in der Patentabteilung. Die beiden letzten Chefs gingen beide nicht freiwillig. Einer ging nach Druck der Direktorin nach 19 Jahren in Frührente. Sein Nachfolger, von ihr geholt und seit 2023 im Amt, ist ebenfalls bereits wieder weg, wie das IGE bestätigt. «Es gab Differenzen in den Vorstellungen darüber, wohin sich das IGE entwickeln und wie die Direktion zusammenarbeiten soll. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auffassung der strategischen Ausrichtung haben wir uns getrennt.»
Einer der Streitpunkte waren die sogenannten begleiteten Patent-Recherchen. Sie galten als wichtiges Instrument in der Innovationslandschaft. Erfinder konnten gegen eine Gebühr abklären lassen, ob eine Erfindung wirklich neu und ein Patent aussichtsreich ist. «Für Start-Ups, KMU, Erfinder waren diese vier bis acht Stunden, während deren sich das Patentamt die Erfindung anschaute, sehr wichtig», sagt ein Beobachter. «Heute erhalten Sie kein Geld mehr, wenn Sie keine Patentabklärung machen.»
Streitpunkt begleitete Recherchen
Aber diese begleiteten Recherchen wurden letztes Jahr abgeschafft. Das IGE begründet dies mit veränderten Kundenbedürfnissen und verweist auf die neue IP Academy. Diese bietet eine «Einstiegsrecherche» und Workshops. Erfinder sollen ihre Erfindung selber «im Stand der Technik einordnen können», steht auf der Webseite.
Kritiker halten dagegen: Das IGE schade durch die Abschaffung von Dienstleistungen wie der begleiteten Recherchen dem Innovationsstandort Schweiz, weil unprofessionell durchgeführte Recherchen zu risikobehafteten Investitionen führen, die immer wieder auch in Patentklagen und Bankrott enden.
Luxusproblem: Das Patentamt schwimmt im Geld
Das IGE, das sich hauptsächlich durch Gebühren für Patent-, Marken-, und Design finanziert, schwimmt im Geld. Ein Umstand, der in den letzten Jahren womöglich viele Probleme kaschiert hat. 2023 verfügte das IGE über ein Eigenkapital von rund 120 Millionen Franken. Viel zu viel, so der Bundesrat, der einen Abbau auf 50 Millionen forderte. Dieser ist im Gang, unter anderem durch Gebührensenkungen. Im letzten Jahr schrieb das IGE einen Verlust von 9,1 Millionen Franken.
Das IGE gehört zum Justiz- und Polizeidepartement von SP-Bundesrat Beat Jans. Dass der Führungsstil der Direktorin auf die Gemüter schlägt, weiss auch der Bundesrat. Er verlangt Verbesserungen, wie er im jüngsten Bericht zur Erfüllung der strategischen Ziele schreibt. Bezüglich Mitarbeiterzufriedenheit müssten «weitere Fortschritte» erzielt werden.
Nüsse fürs Personal – Grossposten an Stimmungsaufhellern
Kritiker zweifeln daran, ob das hilft, spürbare Veränderungen zu erreichen und weitere Abgänge zu verhindern. Die Stimmung sei nach vor schlecht. Sprecher Peter Studer widerspricht, laut Personalumfrage 2024 sei die Mitarbeiterzufriedenheit «überdurchschnittlich hoch» im Vergleich zu Privatwirtschaft und übriger Bundesverwaltung.
Das liegt vielleicht an den Nüssen. Die Finanzkontrolle untersuchte auch eine etwas seltsame Beschaffung des Patentamts unter der Bezeichnung «Limit-Bestellung Nüsse», Jahre 2023 bis 2030, Kostendach 52'500 Franken.
Auf die Frage, was dieser Posten solle, antwortet IGE-Sprecher Studer: «Wir stellen unseren Mitarbeitenden auf jedem Stock Früchte und Nüsse zu Selbstbedienung zur Verfügung.» Die Kosten für die Nüsse beliefen sich dabei auf 20 Franken pro Jahr und Person.
Nüsse wirken bekanntlich stimmungsaufhellend. (aargauerzeitung.ch)
