Klimaforscher kontert Bill Gates: Technologie wird uns nicht retten
Mit einem 17-seitigen Memorandum mischte sich Bill Gates vergangene Woche in die globale Klimapolitik ein. Das Ziel des Multimilliardärs ist klar: Er will die Verhandlungen des bevorstehenden internationalen Klimagipfels COP30 zu seinen Gunsten beeinflussen.
Gates' fragwürdige Kernbotschaft: Die Politik solle sich um die aus der Sicht vieler Menschen dringlicheren Probleme Armut und Krankheit kümmern.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war nicht ideal gewählt – aus Sicht des Microsoft-Gründers. Denn ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt traf der stärkste atlantische Hurrikan der Menschheitsgeschichte Jamaika. Der durch den Klimawandel verstärkte Hurrikan «Melissa» richtete auf der Karibikinsel immense Zerstörung an.
Der renommierte amerikanische Klimaforscher Michael E. Mann bezeichnet das Gates-Memo als Hetzschrift und lässt daran kaum ein gutes Haar. watson fasst die wichtigsten Kritikpunkte zusammen.
Was war der Auslöser?
In seinem Meinungsbeitrag in der online verfügbaren Fachzeitschrift «Bulletin of the Atomic Scientists» verschafft Professor Mann seinem Ärger Luft.
Nur einen Tag nach Veröffentlichung des Gates-Memos und der verheerenden Unwetter-Katastrophe auf Jamaika sei ein wichtiger neuer Klimabericht erschienen, der aber längst nicht so viel öffentliches Interesse geweckt habe wie das Schreiben des Multimilliardärs.
Der Titel des wissenschaftlichen Berichts, zu dessen Autoren der amerikanische Klimatologe gehört, lautet: «Ein Planet am Abgrund». In der Einleitung dazu heisst es, die Welt rase auf ein Klimachaos zu. Und:
Hat Bill Gates eine Kehrtwende vollzogen?
Nein, das trifft gemäss Professor Mann nicht zu.
Für diejenigen, die Gates' Klimapolitik schon länger verfolgen, sei sein vermeintlicher plötzlicher Kurswechsel in Wirklichkeit gar kein Kurswechsel. Denn bei dessen jüngstem Memo handle es sich um «die logische Konsequenz des verfehlten Weges», den der Microsoft-Gründer seit über einem Jahrzehnt beschreite.
Gemäss Professor Mann spiegelt das Gates-Memo «das technikzentrierte Denken», das heute in der öffentlichen Umweltdebatte so weit verbreitet sei.
Gates sei seit vielen Jahren bestrebt, die positiven Auswirkungen von umweltschonenden Energiequellen herunterzuspielen und gleichzeitig fragwürdige und potenziell gefährliche technologische Lösungen zu fördern, an denen er oft persönlich beteiligt ist.
Wie kommt Gates auf seine Behauptungen?
Der mittlerweile 70-jährige Microsoft-Gründer liess sich von einem berüchtigten Klimaskeptiker beraten.
Das Gates-Memo lese sich wie «ein Bingo-Spiel zur Verharmlosung des Klimawandels», kritisiert der renommierte Klimaforscher Mann. Die 17-seitige «Hetzschrift» bediene nahezu alle Klischees, die von professionellen Klimawandel-Verharmlosern verwendet werden.
Als Beispiel nennt Mann den selbsternannten «skeptischen Umweltschützer» Björn Lomborg. Dieser bestreitet zwar nicht die physikalischen Grundlagen des Treibhauseffekts, leugnet aber, dass der menschengemachte Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung darstellt und widerspricht damit der seriösen Wissenschaft.
Brisantes Detail: Lomborgs Zentrum habe in den letzten Jahren Millionen Dollar an Fördermitteln von der Gates-Stiftung erhalten, und Lomborg räumte kürzlich selbst ein, Gates in Klimafragen beraten zu haben.
Was ist inhaltlich am Gates-Memo zu kritisieren?
Manns Vorwurf an die Adresse von Gates: Er verfolge in der Klimakrise denselben Ansatz, mit dem er als Software-Unternehmer zum Milliardär wurde.
Und nun investiere der Microsoft-Gründer über seine eigene Risikokapitalgesellschaft in Infrastrukturprojekte, die auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe beruhen. Gleichzeitig spiele er die Bedeutung sauberer Energie und einer raschen Dekarbonisierung herunter.
Gates argumentiere in seinem Memo fälschlicherweise, dass «Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels die Bemühungen zur Abwehr von Bedrohungen der menschlichen Gesundheit beeinträchtigen». Dabei seien Klima und menschliche Gesundheit untrennbar miteinander verbunden. Und der Klimawandel befeuere die Ausbreitung tödlicher Krankheiten.
Weiter behauptet der Microsoft-Gründer, dass «die Armen und Unterdrückten dringendere Sorgen» hätten, obwohl genau das Gegenteil der Fall sei.
Am beunruhigendsten sei aber Gates' Versuch, die Klimakrise mit einem vermeintlichen «Notbehelf» zu lösen. Er habe mit seinem Geld gewinnorientierte Projekte ermöglicht, die auf Geoengineering-Massnahmen setzen. Konkret sollen massive Mengen an Schwefeldioxid in die Stratosphäre gesprüht werden, um das Sonnenlicht abzuschirmen und den Planeten abzukühlen.
Solche technischen Lösungen für das Klima führen uns gemäss Professor Mann in Wirklichkeit auf einen gefährlichen Weg, da sie weitaus sicherere und zuverlässigere Alternativen – nämlich die Energiewende – verdrängen. Und sie liefern eine Ausrede für das «Weiter so wie bisher» bei der Nutzung von Erdöl und Co.
Der Klimaforscher betont:
Die Lösung müsse von uns allen kommen, erklärt Professor Mann, indem wir alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um uns «gegen eine ökologisch zerstörerische Agenda zu wehren». Denn diese Agenda werde von Plutokraten, Umweltverschmutzern, Ölstaaten, Propagandisten und – leider immer öfter – einer rechtsgerichteten Medienmaschinerie in den USA vorangetrieben.
Wie gut kennt sich Michael E. Mann aus?
Ursprünglich studierte er angewandte Mathematik und Physik, seine Masterabschlüsse machte er in Physik und Philosophie, bevor er seinen Doktortitel im Fachbereich Geologie und Geophysik erhielt.
Wegen herausragender Leistungen in Lehre und Forschung trägt er die Auszeichnung eines Distinguished Presidential Professor, das ist die höchste Anerkennung, die eine Universität ihren herausragenden Fakultätsmitgliedern verleihen kann. 2022 wechselte er an die University of Pennsylvania und ist dort Direktor des Penn Center for Science, Sustainability and the Media.
Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Klimaforschung wurde Mann wiederholt ausgezeichnet. Er war einer der Hauptautoren des 2001 erschienenen dritten Sachstandsberichtes des IPCC zur globalen Erwärmung und amtete dabei als Hauptautor des Kapitels über frühere Klimaänderungen. Er zählt in seinem Fachgebiet zu den bedeutendsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Welt.
Quellen
- thebulletin.org: Michael Mann to Bill Gates: You can’t reboot the planet if you crash it (31. Oktober)
 - gatesnotes.com: Three tough truths about climate
 
