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Klimaforscher kontert Bill Gates: Technologie wird uns nicht retten

Professor Michael E. Mann (2020), Klimatologe.
Bildquelle: CC BY-SA 4.0 / Julian Meehan
Professor Michael E. Mann gehört zu den einflussreichsten Wissenschaftlern in Sachen Klimaforschung.quelle: Julian Meehan CC BY-SA 4.0

Klimaforscher kontert Bill Gates: Technologie wird uns nicht retten

Der Multimilliardär und Microsoft-Gründer Bill Gates versucht sich neuerdings als Verharmloser des Klimawandels. Dessen «Hetzschrift» dürfe nicht unwidersprochen bleiben, erklärt ein ausgewiesener Experte.
03.11.2025, 19:4903.11.2025, 21:04

Mit einem 17-seitigen Memorandum mischte sich Bill Gates vergangene Woche in die globale Klimapolitik ein. Das Ziel des Multimilliardärs ist klar: Er will die Verhandlungen des bevorstehenden internationalen Klimagipfels COP30 zu seinen Gunsten beeinflussen.

Gates' fragwürdige Kernbotschaft: Die Politik solle sich um die aus der Sicht vieler Menschen dringlicheren Probleme Armut und Krankheit kümmern.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war nicht ideal gewählt – aus Sicht des Microsoft-Gründers. Denn ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt traf der stärkste atlantische Hurrikan der Menschheitsgeschichte Jamaika. Der durch den Klimawandel verstärkte Hurrikan «Melissa» richtete auf der Karibikinsel immense Zerstörung an.

Der renommierte amerikanische Klimaforscher Michael E. Mann bezeichnet das Gates-Memo als Hetzschrift und lässt daran kaum ein gutes Haar. watson fasst die wichtigsten Kritikpunkte zusammen.

Was war der Auslöser?

In seinem Meinungsbeitrag in der online verfügbaren Fachzeitschrift «Bulletin of the Atomic Scientists» verschafft Professor Mann seinem Ärger Luft.

Nur einen Tag nach Veröffentlichung des Gates-Memos und der verheerenden Unwetter-Katastrophe auf Jamaika sei ein wichtiger neuer Klimabericht erschienen, der aber längst nicht so viel öffentliches Interesse geweckt habe wie das Schreiben des Multimilliardärs.

Der Titel des wissenschaftlichen Berichts, zu dessen Autoren der amerikanische Klimatologe gehört, lautet: «Ein Planet am Abgrund». In der Einleitung dazu heisst es, die Welt rase auf ein Klimachaos zu. Und:

«Nahezu jeder Bereich der Biosphäre leidet unter zunehmender Hitze, Stürmen, Überschwemmungen, Dürren und Bränden. Das Zeitfenster, um die schlimmsten Folgen abzuwenden, schliesst sich rapide.»

Hat Bill Gates eine Kehrtwende vollzogen?

Nein, das trifft gemäss Professor Mann nicht zu.

Für diejenigen, die Gates' Klimapolitik schon länger verfolgen, sei sein vermeintlicher plötzlicher Kurswechsel in Wirklichkeit gar kein Kurswechsel. Denn bei dessen jüngstem Memo handle es sich um «die logische Konsequenz des verfehlten Weges», den der Microsoft-Gründer seit über einem Jahrzehnt beschreite.

Gemäss Professor Mann spiegelt das Gates-Memo «das technikzentrierte Denken», das heute in der öffentlichen Umweltdebatte so weit verbreitet sei.

Gates sei seit vielen Jahren bestrebt, die positiven Auswirkungen von umweltschonenden Energiequellen herunterzuspielen und gleichzeitig fragwürdige und potenziell gefährliche technologische Lösungen zu fördern, an denen er oft persönlich beteiligt ist.

Wie kommt Gates auf seine Behauptungen?

Der mittlerweile 70-jährige Microsoft-Gründer liess sich von einem berüchtigten Klimaskeptiker beraten.

Das Gates-Memo lese sich wie «ein Bingo-Spiel zur Verharmlosung des Klimawandels», kritisiert der renommierte Klimaforscher Mann. Die 17-seitige «Hetzschrift» bediene nahezu alle Klischees, die von professionellen Klimawandel-Verharmlosern verwendet werden.

Als Beispiel nennt Mann den selbsternannten «skeptischen Umweltschützer» Björn Lomborg. Dieser bestreitet zwar nicht die physikalischen Grundlagen des Treibhauseffekts, leugnet aber, dass der menschengemachte Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung darstellt und widerspricht damit der seriösen Wissenschaft.

Brisantes Detail: Lomborgs Zentrum habe in den letzten Jahren Millionen Dollar an Fördermitteln von der Gates-Stiftung erhalten, und Lomborg räumte kürzlich selbst ein, Gates in Klimafragen beraten zu haben.

Was ist inhaltlich am Gates-Memo zu kritisieren?

Manns Vorwurf an die Adresse von Gates: Er verfolge in der Klimakrise denselben Ansatz, mit dem er als Software-Unternehmer zum Milliardär wurde.

«Microsoft war berüchtigt dafür, Software mit zahlreichen Sicherheitslücken zu veröffentlichen. Kritiker argumentierten, dass Gates der vorzeitigen Veröffentlichung von Funktionen und [finanziellen] Gewinnen Vorrang vor Sicherheit und Zuverlässigkeit einräumte. Seine Reaktion auf den neuesten Wurm oder Virus, der den PC zum Absturz brachte und die persönlichen Daten gefährdete? ‹Hey, dafür haben wir einen Patch!›»

Und nun investiere der Microsoft-Gründer über seine eigene Risikokapitalgesellschaft in Infrastrukturprojekte, die auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe beruhen. Gleichzeitig spiele er die Bedeutung sauberer Energie und einer raschen Dekarbonisierung herunter.

Gates argumentiere in seinem Memo fälschlicherweise, dass «Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels die Bemühungen zur Abwehr von Bedrohungen der menschlichen Gesundheit beeinträchtigen». Dabei seien Klima und menschliche Gesundheit untrennbar miteinander verbunden. Und der Klimawandel befeuere die Ausbreitung tödlicher Krankheiten.

Weiter behauptet der Microsoft-Gründer, dass «die Armen und Unterdrückten dringendere Sorgen» hätten, obwohl genau das Gegenteil der Fall sei.

«Die Armen und Unterdrückten sind am stärksten vom Klimawandel bedroht, weil sie am wenigsten Wohlstand und Widerstandsfähigkeit besitzen.»
Professor Mann

Am beunruhigendsten sei aber Gates' Versuch, die Klimakrise mit einem vermeintlichen «Notbehelf» zu lösen. Er habe mit seinem Geld gewinnorientierte Projekte ermöglicht, die auf Geoengineering-Massnahmen setzen. Konkret sollen massive Mengen an Schwefeldioxid in die Stratosphäre gesprüht werden, um das Sonnenlicht abzuschirmen und den Planeten abzukühlen.

Solche technischen Lösungen für das Klima führen uns gemäss Professor Mann in Wirklichkeit auf einen gefährlichen Weg, da sie weitaus sicherere und zuverlässigere Alternativen – nämlich die Energiewende – verdrängen. Und sie liefern eine Ausrede für das «Weiter so wie bisher» bei der Nutzung von Erdöl und Co.

Der Klimaforscher betont:

«Hören Sie, Bill Gates: Es gibt keine Patentlösung für die Klimakrise. Und es gibt keinen Weg, den Planeten wieder in Gang zu bringen, wenn man ihn einmal zerstört hat. Der einzig sichere und verlässliche Ausweg aus der Klimakrise ist, die Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe zu stoppen.»

Die Lösung müsse von uns allen kommen, erklärt Professor Mann, indem wir alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um uns «gegen eine ökologisch zerstörerische Agenda zu wehren». Denn diese Agenda werde von Plutokraten, Umweltverschmutzern, Ölstaaten, Propagandisten und – leider immer öfter – einer rechtsgerichteten Medienmaschinerie in den USA vorangetrieben.

Wie gut kennt sich Michael E. Mann aus?

Ausgezeichneter Forscher
Professor Michael E. Mann, Jahrgang 1965, ist ein Klimatologe aus den USA, also ein Wissenschaftler, der den Klimawandel wissenschaftlich erforscht. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Paläoklimatologie.

Ursprünglich studierte er angewandte Mathematik und Physik, seine Masterabschlüsse machte er in Physik und Philosophie, bevor er seinen Doktortitel im Fachbereich Geologie und Geophysik erhielt.

Wegen herausragender Leistungen in Lehre und Forschung trägt er die Auszeichnung eines Distinguished Presidential Professor, das ist die höchste Anerkennung, die eine Universität ihren herausragenden Fakultätsmitgliedern verleihen kann. 2022 wechselte er an die University of Pennsylvania und ist dort Direktor des Penn Center for Science, Sustainability and the Media.

Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Klimaforschung wurde Mann wiederholt ausgezeichnet. Er war einer der Hauptautoren des 2001 erschienenen dritten Sachstandsberichtes des IPCC zur globalen Erwärmung und amtete dabei als Hauptautor des Kapitels über frühere Klimaänderungen. Er zählt in seinem Fachgebiet zu den bedeutendsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Welt.
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Bild: Joshua Yospyn / CC BY-SA 4.0

Quellen

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109 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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_helmet
03.11.2025 22:02registriert Oktober 2015
Was zum Henker läuft schief mit Leuten wie Bill Gates?
Seit 40 Jahren sind die katastrophalen Folgen der Erderhitzung bekannt.
Und er weiss nichts Schlaueres, als wirksames Vorgehen dagegen zu behindern und zu versuchen,ein Geschäft mit untauglichen Gegenmitteln zu machen?
Klar, wenn man zu den Superreichen gehört, wird man mit der Erhitzung klarkommen.
Es scheint sich wirklich so eine nihilistische, abgeschottete Oligarchie der Superreichen zu bilden, mit eigener Kultur und Werten, denen der Rest Weltbevölkerung sch*egal sind.
Der Film "don't look up" trifft beängstigend ins Schwarze.
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Squawk 7700
03.11.2025 22:49registriert Mai 2025
Das Problem ist, dass uns keine Technologie auch nicht retten wird. Denn niemand wird verzichten wollen und es sind gerade ein paar Milliarden am heranwachsen mit Smartphones, die Influenzern folgen und die Welt entdecken wollen und so leben wollen wie wir hier. Wenn Technologie die Lösung nicht bringt, dann sind wir eh verloren. Wahrscheinlich wird es nicht ohne Geoengineering gehen, denn wir sind schon zu weit im Schlamassel und führen lieber Kriege als die richtig grosse Krise abzuwenden.
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Silvershadow
03.11.2025 22:49registriert Juni 2021
ich wiederhole Sinngemäss: "Wenn der Letzte Baum tot ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann."
Dieser Spruch ist so alt, und die Menschen haben es noch immer nicht begriffen.

Es macht mich einfach traurig...
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