Die Kritik an der jüngsten VOX-Analyse reisst nicht ab: Angeblich gingen nur 17 Prozent der Jungen am 9. Februar an die Urne. Falsch, meinen Kritiker und verweisen auf Auszählungen der Stimmzettel im Kanton St. Gallen. Auch methodische Fehler führten zu dem Ergebnis: Die Umfragen liefen über Anrufe auf das Festnetz, junge Bürger sind da massiv untervertreten.
Seit 27 Jahren analysiert der Mann mit der Fliege die Abstimmungsergebnisse der Schweiz. Finanziell unterstützt vom Bundesrat befragt das GfS Bern von Politologe Claude Longchamp Stimmbürger nach ihrem Abstimmungsverhalten und kassierte dafür im vergangenen Jahr 411'480 Franken.
Damit könnte bald Schluss sein, wie die Bundeskanzlei mitteilt: Sie wird in Kürze entscheiden, ob die Erneuerung des Vertrags mit dem GfS öffentlich ausgeschrieben werden soll.
Doch wer ist überhaupt in der Lage, eine derart komplexe Umfrage und Analyse durchzuführen? watson hat sich auf die Suche gemacht.
Das Link Institut wäre interessiert: «Ja, wir können und wollen die VOX-Analyse durchführen. Wenn der Bund die Untersuchung ausschreibt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass wir uns bewerben», erklärt der stellvertretende Geschäftsführer Urs Aellig auf Anfrage von watson. Als grösstes Institut habe das Link Institut optimale Ressourcen, um die VOX-Analyse zu stemmen, so Aellig. Auch eine Zusammenarbeit mit Universitäten sei «eine denkbare Option».
Konkrete Pläne, was das Link Institut anders machen würde, lässt sich Aellig nicht entlocken. Immerhin: «Das GfS zieht seine Stichprobe aus den eingetragenen Festnetzanschlüssen: Mittlerweile sind über 20 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr über einen eingetragenen Festnetzanschluss erreichbar, insbesondere junge Personen. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass sich diese Personen deutlich unterscheiden können. Wir haben Möglichkeiten entwickelt und erfolgreich eingesetzt, wie auch diese jungen Menschen erreicht werden.»
Auch das Umfrageinstitut Isopublic will sich um den prestigeträchtigen Auftrag bewerben. Das Interesse besteht schon länger: «Ich finde es eine Sauerei, dass der Vertrag mit Longchamp immer wieder stillschweigend verlängert wurde, da es sich um Steuergelder handelt und WTO-Richtlinien gelten. Das GfS Bern ist nicht das einzige Institut, welches das kann», sagt Geschäftsführer Matthias Kappeler.
Nicht bestätigen wollte Kappeler das Gerücht, wonach Isopublic und Ringier aus kommerziellen Gründen bei einer neuen VOX-Analyse gemeinsame Sachen machen wollen: «Davon habe ich nichts gehört. Wenn eine Anfrage von Ringier vorliegt, werden wir aber wie mit allen potenziellen Auftraggebern Gespräche führen.»
Ähnlich wie das Link Institut will auch Kappeler die Jungen stärker in die Umfragen einbinden. «Die Details der VOX-Befragung sind mir nicht bekannt. Durch das, was ich gelesen und gehört habe, sehe ich generell Verbesserungspotential im Bereich der Stichprobe, zum Beispiel bei Personen, welche nicht mehr über einen eingetragenen Festnetzanschluss verfügen.»
«Auf jeden Fall wollen wir die Wahl- und Abstimmungs-Nachbefragung durchführen.» So tönt es von Geschäftsführer Roland Huber des dritten grossen Schweizer Umfrageinstituts Demoscope. Dass es die VOX-Analyse auch in Zukunft gebe, bezweifelt Huber. «Die VOX ist geistiges Eigentum von Longchamps Firma.»
Roland Huber hat schon klare Vorstellungen, wie die Nachbefragung seines Institus aussehen könnte. Wie bei der grossen Wahlstudie Selects würde Demoscope zum Beispiel mit dem Forschungszentrum Fors zusammenarbeiten und alle Abläufe und Daten offen legen. Es sei wichtig, grösstmögliche Transparenz und wissenschaftliche Unabhängigkeit zu bieten.
Zudem wolle Demoscope bei der Befragung neue Wege gehen: «Damit wir die Teilnahmebereitschaft der Jungen steigern können, bieten wir neue Möglichkeiten zur Partizipation. Zum Beispiel übers Smartphone, Online-Tools oder eine Rückruffunktion. So können die von uns kontaktierten Zielpersonen selber bestimmen, wie und wann sie an der Umfrage teilnehmen möchten», so Huber.
«Longchamps Job interessiert mich nicht, ich bin kein Umfrageinstitut», sagt hingegen Michael Hermann, Politgeograf der Universität Zürich. Longchamps GfS Bern führt die Umfragen durch, die politologischen Institute der Universitäten Bern, Zürich und Genf analysieren anschliessend die Ergebnisse. An dieser analytischen Aufgabe hat Hermann durchaus Interesse. Dass es nur wenige Alternativen zum GfS Bern gebe, ist gemäss Hermann nicht Longchamps Problem. Die anderen Umfrageinstitute wie Demoscope, Isopublic oder Link seien «da herausgefordert».
Fazit: Es gibt Alternativen und Interessenten. Ob sie tatsächlich besser sind als Longchamp, ist eine andere Frage.
Ach, wenn die Medien/SRF/BK ihre «Prognosen» und VOX dann von Isopublic o.ä. beziehen, werden sie bald wieder zu @claudelongchamp wollen...
— Claudio Kuster (@cloudista) 22. April 2014