Syngenta-Chef Erik Fyrwald ist kein Fan von Bio-Produkten. Dies machte er im gestrigen Interview mit der Zeitung «Nordwestschweiz» klar: «Bio-Produkte sind nicht gesünder und hinsichtlich Lebensmittelsicherheit nicht besser als andere Produkte». Aus ökologischer Sicht sehe er nicht nur Vorteile, sagte der Amerikaner. Biolandwirtschaft brauche mehr Land und auch mehr Wasser. Obwohl er sich für die Wahlfreiheit der Konsumenten ausspricht, sagt Fyrwald gleichzeitig, dass die Konsumenten einen höheren Preis für ein Produkt bezahlten, das gar nicht anders sei als ein konventionell hergestelltes Produkt.
Bereits früher hat ein Vorgänger von Fyrwald die Anhänger von Bio-Produkten provoziert. «Meine Kinder kriegen jedenfalls kein Bio-Essen. Weil ich nicht weiss, wie das behandelt wurde», sagte Mike Mack, der bis 2015 Chef des Agrochemiekonzerns war, in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Auch wenn solche Aussagen von Topmanagern eines Saatgut- und Pflanzenschutzherstellers nicht ganz überraschen mögen, so sorgen sie doch für deutlichen Widerspruch. «Bei den ökologischen Wirkungen liegt Herr Fyrwald völlig daneben», sagt Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Ein Bio-Landwirt fördere die Vielfalt auf seinem Betrieb sehr stark. Zudem seien die Böden fruchtbarer, im Grundwasser befinde sich weniger Nitrat, und schliesslich würden von Biofeldern keine Pestizide in die Bäche ausgewaschen. Dies zeigten mindestens 1000 wissenschaftliche Arbeiten, darunter auch jene seines Instituts.
Unterstützt wird Niggli durch Daniel Bärtschi, Geschäftsführer des Dachverbands Bio Suisse. Die Aussage Fyrwalds, wonach Bio-Produkte zwar teurer seien, aber gar nicht anders als konventionelle Lebensmittel, sei falsch. Ein Biobauer dürfe keine chemisch-synthetischen Dünger und Pestizide einsetzen.
«Gedüngt wird nur mit organischen Düngern, hauptsächlich von den eigenen Tieren. Nur biotaugliche Pflanzenschutzmittel werden zum Schutz der Pflanzen verwendet», sagt Bärtschi. Dies alles wirke sich auf die Qualität der Produkte aus. Biologische Lebensmittel würden im direkten Vergleich mit herkömmlichen meistens besser abschneiden. Damit trügen Biolebensmittel zu einem gesunden und nachhaltigen Lebensstilbei, der Rücksicht auf die Natur und die Gesellschaft nehme, sagt Bärtschi.
Was die Diskussion anbelangt, ob Bio-Produkte gesünder sind oder nicht, verweist Niggli auf eine Studie der Universität Newcastle, an der auch das FiBL beteiligt war. Die Untersuchung wertete 343 Studien aus und kam zum Schluss, dass pflanzliche Bioprodukte einen massiv höheren Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen aufweisen. Es handelt sich dabei um sogenannte Antioxidantien. Von ihnen wird angenommen, dass sie chronische Krankheiten und Altersbeschwerden hinauszögern oder verhindern. Zudem hätten biologische Fleisch- und Milchprodukte eine günstigere Fettsäurenzusammensetzung, sagt Niggli. Sie enthielten im Schnitt einen um 50 Prozent höheren Wert an Omega-3-Fettsäuren.
Eine andere Studie unter Leitung einer Forscherin der kalifornischen Universität Stanford dagegen kommt zum Schluss, dass die gesundheitlichen Vorteile nur sehr eingeschränkt nachgewiesen werden können. Diese Studie wertete Ergebnisse von 240 Untersuchungen aus. Den Autoren wurde jedoch vorgeworfen, wichtige Studien ausgeschlossen zu haben. Zu den Kritikern gehörte auch das FiBL. Über das Ausmass der verringerten Pestizidrückstände in Bio-Lebensmitteln sind sich die beiden Meta-Studien ebenfalls uneinig. Immerhin kommen beide zum Schluss, dass das Risiko von Pestizidrückständen in Bio-Produkten geringer ist.
Niggli spricht aber auch die unterschiedlichen Denkansätze an. Syngenta wolle auf dem bestehenden Boden mehr produzieren, damit mehr Menschen ernährt werden können. Eine höhere Effizienz in der Landwirtschaft bedeute jedoch immer auch, dass mehr gegessen und weggeworfen werde. «Der Biolandbau möchte diesen Teufelskreis durchbrechen», sagt Niggli. Weil bis zu 40 Prozent aller Lebensmittel gar nie auf den Tisch kämen und zu viel Getreide für die Tiermast verfüttert werde, müsse die Gesellschaft gesünder essen, den Fleischkonsum leicht nach unten schrauben und weniger Nahrungsmittel wegwerfen.
In diesem Fall reiche auch die Produktivität des Biolandbaus aus. «Dazu brauchen wir auch im Biolandbau viel Innovation», sagt Niggli. Er meint damit etwa besseren biologischen Pflanzenschutz. «Hier könnte Syngenta mit uns zusammen innovativ sein.» Und Niggli schliesst mit den Worten: «Damit wäre der Bevölkerung mehr gedient, als den Leuten zu sagen, dass Bio nichts bringt und einfach teurer ist.»
Da die Schädlinge gegen alle Chemischen Spritzmittel resistent geworden waren, blieb den Produzenten nichts Anderes übrig, als auf Bio-Methoden bei der Bekämpfung umzusteigen. So werden heute vermehrt gezüchtete Gegenspieler eingesetzt, sogenannte "Nützlinge".
In Agro-Industriellen Systemen müssen Nützlinge künstlich hinzugefügt werden. In naturnahen Agro-Forst-Systemen finden sie aber gute Überlebens- und Rückzugs-Bedingungen und sind darum ohne unser Dazutun bereit, ihre Rolle wahrzunehmen.