Vertreterinnen und Vertreter aller sechs Parlamentsfraktionen wollen der Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zum Durchbruch verhelfen. Am 26. September könne die Stimmbevölkerung mit einem Ja zur «Ehe für alle» die heutige Diskriminierung beseitigen.
Das überparteiliche Komitee mit dem Namen «Ja für alle» hat am Donnerstag vor den Medien in Bern seine Argumente präsentiert. Angeführt wird es von der Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. Sie hatte 2013 das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe wieder aufs politische Parkett gebracht.
Fast acht Jahre später sagt sie: «Die 'Ehe für alle' ist überfällig und eine Selbstverständlichkeit.» Ausser Italien und Kleinststaaten wie der Vatikan ermöglichten alle westeuropäischen Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe bereits. Es werde Zeit, «eines der zentralsten gesellschaftspolitischen Anliegen» durchzusetzen. Alles andere sei «entwürdigend».
Laut dem Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni lässt sich die heute geltende «staatliche Diskriminierung» nicht länger begründen. Die «Ehe für alle» nehme niemandem etwas weg. Am Schluss gewinne die ganze Gesellschaft. «Es ist genug Ehe für alle da.»
Unterstützt wird das Anliegen auch vom Zürcher SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt. «Alle Leute sollen ihr Leben frei gestalten können», sagte er. Zu dieser Freiheit gehöre das Recht, diejenige Bindung einzugehen, die seit je die stärkste gewesen sei: die Ehe. Sie schaffe die Stabilität, die auch für Kinder wichtig sei - sei es von heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Paaren.
«Die 'Ehe für alle' ist eine Stärkung des Kindeswohls», sagte auch die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti. Heute lebten bis zu 30'000 Kinder in sogenannten Regenbogenfamilien. Für sie bedeute die Vorlage nichts weniger als Rechtsgleichheit. Der Genfer Grünen-Nationalrat Nicolas Walder sprach vom «Ende der Diskriminierung».
Heute können zwei Frauen oder zwei Männer in der Schweiz nicht heiraten. Sie haben lediglich die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Pro Jahr tun dies etwa 700 Paare. Diese eingetragene Partnerschaft wurde in den vergangenen Jahren in einzelnen Punkten rechtlich der Ehe angenähert. Es bestehen aber weiterhin grosse Unterschiede.
Mit der vom Parlament verabschiedeten Vorlage «Ehe für alle» sollen gleichgeschlechtliche Paare künftig zivil heiraten dürfen. Sie würden anderen Ehepaaren damit institutionell, aber auch rechtlich gleichgestellt. Das gilt etwa für die erleichterte Einbürgerung eines ausländischen Ehegatten, einer ausländischen Ehegattin.
Homosexuelle Paare sollen zudem gemeinsam ein Kind adoptieren können. Ausserdem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur gesetzlich geregelten Samenspende. Die anonyme Samenspende, die Eizellenspende und die Leihmutterschaft bleiben für alle verboten.
Der europäische Teil der Niederlande ermöglichte gleichgeschlechtlichen Paaren 2001 als erstes Land die Schliessung einer Ehe. Zwanzig Jahre später stehe nun die Schweiz im internationalen Scheinwerferlicht, sagte der Glarner Mitte-Nationalrat Martin Landolt. Die Schweiz müsse als liberal bezeichnetes Land beweisen, dass sie tatsächlich liberal sei.
Im Komitee engagieren sich neben achtzig Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier auch viele Unternehmen, die Operation Libero und die Community. Trotz breiter Unterstützung und guten ersten Umfrageergebnissen warnen die Befürworter vor dem Abstimmungstermin: «Es ist noch gar nichts gewonnen», sagte Komiteemitglied Daniel Stolz. (aeg/sda)