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Schutzmachtmandat für die Ukraine – der Kreml bremst

Schutzmachtmandat für die Ukraine – der Kreml bremst: «Die Schweiz ist nicht mehr neutral»

Weil die Schweiz Sanktionen gegen den Kreml im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine übernommen hat, will Russland sie nicht als Verhandlungspartner. Dabei hat die Schweiz als Schutzmacht eine historische Tradition.
11.08.2022, 22:2111.08.2022, 22:24
Hans-Caspar Kellenberger, dpa / ch media
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Die Ukraine möchte ihre Interessen in Russland nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Schweiz vertreten lassen. Die Verhandlungen für ein solches Schutzmachtmandat seien abgeschlossen, teilte das Schweizer Aussenministerium in Bern am Donnerstag mit. «Damit das Schutzmachtmandat in Kraft treten kann, muss noch Russland sein Einverständnis geben», hiess es.

Doch ob es dazu kommt, ist fraglich. Denn die russische Botschaft in Bern schrieb dem «Tages-Anzeiger», dass die Schweizer Regierung durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland nicht mehr neutral sei. Russland sei «nicht bereit, Vermittlungsangebote von Ländern, die sich den antirussischen Sanktionen angeschlossen haben, in den Verhandlungen mit der Ukraine zu berücksichtigen.»

Swiss President and Foreign Minister Ignazio Cassis waits Belgium's Prime Minister Alexander De Crooa next to the Swiss flag before a bilateral meeting in the margin of the 10 years commemoration ...
Bundespräsident Ignazio Cassis posiert neben einer Schweizer Fahne. Die Schweiz hat eine lange historische Tradition als Schutzmacht. Ob sie nun die Interessen der Ukraine in Moskau vertreten darf, steht in den Sternen.Bild: keystone

Historische Tradition als Schutzmacht

Dabei hat die Schweiz als Schutzmacht eine historische Tradition: Erstmals nahm sie im Deutsch-Französischen Krieg 1870–1871 in Frankreich die Interessen des Königreichs Bayern und des Grossherzogtums Baden wahr. Dieses Engagement begründete den Ursprung der schweizerischen Politik der Vertretung «fremder Interessen».

Die Zahl der Schutzmachtmandate der Schweiz stieg immer dann an, wenn es zu internationalen Kriegen und Krisen kam. So ist es kaum verwunderlich, dass die Reputation der Schweiz für die Wahrnehmung dieser Aufgabe aus der Zeit der beiden Weltkriege stammt.

Im Ersten Weltkrieg vertrat die Schweiz insgesamt 18 Staaten mit 36 verschiedenen Mandaten. Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges repräsentierte die Schweiz die diplomatischen Interessen von 35 Staaten mit einer Gesamtzahl von weit über 200 Einzelmandaten.

Im Kalten Krieg wiederum schwankten die Werte zwischen 4 (1948) und 24 Mandaten (1973). Anfangs der 1980er Jahre gab es zum letzten Mal einen markanten Anstieg der Schweizer Schutzmachtmandate. Damals war eine ganze Reihe von internationalen Konflikten die Ursache für diese Entwicklung: die islamische Revolution im Iran, der Krieg zwischen Iran und Irak sowie der Falkland-Krieg von 1982.

Die Schweiz ist als Schutzmacht zum Beispiel Anlaufstelle für Staatsangehörige, die in dem anderen Land wohnen, dort aber keine heimische Botschaft mehr haben. Zum Beispiel, wenn Heimat- und Gaststaat ihre Beziehungen abgebrochen haben. Sie kann bei Bedarf auch diplomatische Depeschen überbringen und bei Verhandlungen als Vermittler helfen. Solche Dienste übernimmt die Schweiz zurzeit für den Iran in Ägypten, die USA in Iran, Russland und Georgien, Iran und Saudi-Arabien sowie den Iran und Kanada.

(ch media, mit Material der dpa)

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68 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fernrohr
11.08.2022 22:36registriert Januar 2019
Bin froh, dass die Russkies uns ihnen gegenüber als unfreundlich einstufen. Alles andere wäre schwer erträglich.
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Tom Scherrer (1)
11.08.2022 23:25registriert Juni 2015
Nochmals:

Die Schweiz war noch nie „Werte“-Neutral. Sie ist militärisch neutral. Und das auch nur, weil das uns von unseren direkten Nachbarn gestattet wurde.

Eine Dame wird vergewaltigt. Und nun wollen gewisse Kreise, dass wir die Vergewaltigung nur beobachten und dem Opfer nicht helfen, weil wir sonst nicht mehr als Anwalt des Opfers tätig werden können. Das nenne ich doch mal Bullshitt.

Wir sind militärisch Neutral, haben aber unsere Werte und werden für diese auch eintreten. Das ist doch menschlich.

Ob das Putin und seinen Kleptokraten passt - ist doch eigentlich egal.
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Daniel Pünter
11.08.2022 23:23registriert April 2021
Was die Gockel im Kreml meinen, und Liarwov, und die Botschaft, kratzt mich Null. Hauptsache wir unterstützen nicht die Russen--Mafia. Russland ist ein Terror-Staat.
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