Aussenminister Ignazio Cassis hat für reichlich Aufregung gesorgt – bei Medien und vor allem auch bei den Banken. Von Radio SRF auf die gesperrten russischen Gelder angesprochen, bezeichnete Cassis diese als «wichtige Finanzierungsquelle». Und weiter: «Schäden, die verursacht werden, müssen auch repariert werden vom Aggressor.»
Cassis verwies zwar noch auf den fehlenden rechtsstaatlichen Rahmen, den es brauchen würde, um die russischen Gelder zu entwenden, und darauf, dass die Schweiz in dieser Frage sich den internationalen Entwicklungen anpasse. Doch diese Relativierungen gingen dann eher unter.
Unter ging auch, dass Cassis' Äusserungen doch erheblich von der offiziellen Bundesratsmeinung abweichen. Denn der Bundesrat verfolgt und begleitet zwar nach eigenen Angaben die internationalen Diskussionen über allfällige Einziehung und Weiterverwendung von Vermögenswerten des russischen Staates, staatsnaher Unternehmen oder von sanktionierten Privatpersonen.
Doch die «Verwendung (der gesperrten russischen Gelder) für den Wiederaufbau der Ukraine ist (...) nicht vorgesehen». Das hält die Schweizer Regierung in ihren Antworten vom 17. August 2022 auf zwei Vorstösse fest – eine Motion der sozialdemokratischen Fraktion und ein Postulat der grünen Nationalrätin Franziska Ryser. Beide, die SP und Ryser, wollen die russischen Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine einsetzen, beide Vorstösse lehnt der Bundesrat ab.
An dieser Haltung hat sich bis anhin nichts geändert. Der Bundesrat begründet seine Ablehnung unter anderem damit, dass der Einzug der Vermögenswerte ein «massiver Eingriff in die Eigentumsgarantie und weitere verfassungsmässige Grundrechte» wäre.
Der Eintrag auf einer Sanktionsliste heisst gemäss Bundesrat nicht, dass die sanktionierte Person eine Straftat begangen habe, und folglich bedeute die Einfrierung der Gelder nicht, dass diese unrechtmässig erworben seien. Zudem seien Sanktionen eine «vorübergehende Zwangsmassnahme», um einen Staat zurück zu völkerrechtskonformen Verhalten zu bewegen. «Sanktionen sind keine Strafmassnahmen», hält der Bundesrat fest.
Die Schweiz kann freilich die internationalen Entwicklungen nicht ignorieren - und wird sich beugen, sollte der Einzug zum internationalen Standard werden. Deshalb bereitet sie sich auch vor: Eine interdepartemental zusammengesetzte Arbeitsgruppe soll gemäss Informationen der Schweiz am Wochenende im Februar dem Bundesrat eine Auslegeordnung präsentieren, welchen rechtlichen Handlungsspielraum es gibt und vor allem, wo überall Komplikationen drohen.
Die Schweiz ist mit ihren Bedenken nicht allein, wie am Rande des WEF in Davos zu erfahren war. Auch in Deutschland und Luxemburg überwiegt – jedenfalls vorerst – die Skepsis. Anders ist die Einschätzung in den Ländern, die nah an Russland und am Krieg sind: Die baltischen Staaten und Polen etwa, möchten die russischen Gelder konfiszieren. (aargauerzeitung.ch)