Kritik aus dem Norden: Deutschland hat genug von der Schweizer «Mini-Aufrüstung»
Die EU hat nach dem Selenskyj-Eklat im Weissen Haus angekündigt, die Verteidigungsausgaben um 800 Milliarden Euro aufzustocken. Auch Deutschland unter dem baldigen Kanzler Merz will Kredite in Milliardenhöhe für die Verteidigung stemmen. In der Schweiz belässt man es dabei, die Ausgaben bis 2032 auf ein (1) Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) anzuheben.
Diese «Mini-Aufrüstung» hat harte Kritik aus dem Norden zu Folge, schreibt die «SonntagsZeitung». CDU-Politiker Roderich Kiesewetter meinte, ein Prozent des BIP sei «eindeutig ein Witz in dieser ernsten Lage». Er halte 3 bis 5 Prozent für sinnvoller. Angemerkt: Die NATO hat für ihre Mitgliedsstaaten ein Ziel von 2 Prozent gesetzt.
«Die Schweiz muss sich entscheiden, wo sie steht. Neutralität ist keine Option, wenn es um die Verteidigung unserer Freiheit geht», so Kiesewetter. Doch zeigt der CDU-Mann auch ein gewisses Verständnis für die Schweiz. Einerseits seien die Prozentwerte nicht eins zu eins vergleichbar, zumal das BIP pro Kopf in der Schweiz gut doppelt so hoch ist wie in Deutschland.
Andererseits sei Deutschland ebenfalls seit Jahrzehnten «Trittbrettfahrer» beim Thema Sicherheit und Verteidigung gewesen. Doch mit dem geopolitischen Wandel, durch den die Sicherheits- und Friedensordnung in Europa bedroht sei, müsse eine «klare Haltung jedes einzelnen Europäers, Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung zu verteidigen», her.
Ihm sei bewusst, dass ein Umdenken in der Gesellschaft für die Schweiz schwierig sei und grosse Führungsverantwortung brauche, sagt Kiesewetter. Doch die Schweiz solle sich mindestens «sehr klar für ein Europa in Demokratie und Freiheit einsetzen und zumindest die Ukraine, die uns an vorderster Front schützt und dafür kämpft, endlich massiv unterstützen».
Auch die SPD kritisiert
Falko Drossmann, der führende Verteidigungspolitiker der SPD, ist ebenfalls kein Freund des Weges, den die Eidgenossenschaft gerade beschreitet: «Die Schweiz liegt im Herzen Europas und konnte sich stets einen hohen Grad an Neutralität bewahren, weil sie sich militärisch von einer starken NATO und wirtschaftlich einer starken EU geschützt wusste. Doch die Welt hat sich verändert.»
Wenn Europa und die Schweiz ihren Wohlstand langfristig wahren wollen, müssten «alle mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen».
Doch auch er sieht positive Veränderungen in der Schweiz: So begrüsst der SPD-Mann explizit eine Erklärung des Nationalrats, die vom Bundesrat mehr sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Europa fordert. Doch hat Drossmann Zweifel, ob die Schweiz das auch wirklich ernst meint.
Der Wille wäre da
Im Parlament gibt es eigentlich genügend Politiker, die zu einer Erhöhung des Armeehaushalts bereit wären, schreibt die «SonntagsZeitung». Da wäre beispielsweise SP-Ständerätin Franziska Roth: «Die Schweiz kann nicht Trittbrettfahrerin bleiben. Sie muss ihren Beitrag zur Sicherheit in Europa leisten», sagt sie.
Auch FDP-Ständerat Josef Dittli befürwortet höhere Verteidigungsausgaben. «Natürlich müssen wir massiv mehr in die Armee investieren. Es braucht zusätzliche Milliarden», sagt Dittli gegenüber der «SonntagsZeitung». Doch eine planlose Aufrüstung will der FDP-Mann nicht; es brauche darum dringend ein Zielbild und eine Strategie des Bundesrates.
Und natürlich fordert der langjährige Armeefreund und SVP-Ständerat Werner Salzmann mehr Geld für die Armee. Der 62-Jährige ist einer der wenigen Parlamentarier, der als Oberst im Heeresstab noch aktiv Dienst leistet.
Salzmann hat sogar konkrete Vorstellungen über die Höhe der zu tätigenden Ausgaben: «Um die Armee wieder voll einsatzfähig zu machen, auf den neusten Stand zu bringen und die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen, braucht es gegen 100 Milliarden Franken.» Vom neuen Bundesrat verlangt Salzmann, dass er rasch die Planung in die Hand nehme und vom Gesamtbundesrat ein detailliertes Zielbild der künftigen Armee genehmigen lässt.
(cpf)
