Luzern. Ein normales Restaurant an einem normalen Werktag. Ein unauffälliger Mann tritt ein, die Haltung leicht gebückt, die Jacke so schwarz wie der Rucksack. Er setzt sich hin, verschränkt die Hände und bestellt ein Mineralwasser:
Der Mann ist Deutscher, wohnt im Kanton Luzern, arbeitet bei einer Zentralschweizer Firma im Gesundheitssektor. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Wir nennen ihn Markus W.
Als Vizepräsident übernimmt W. die Medienarbeit des Vereins Uniter. Dieser hat seinen Sitz in Stuttgart, doch auch der Präsident lebt in der Zentralschweiz, nämlich in Zug. Die Verbindung in unsere Region ist bemerkenswert: Hier faktisch unbekannt, beschäftigt der Verein in Deutschland seit Monaten Behörden, Medien und Politik.
Uniter ist Latein, heisst auf Deutsch «in eins verbunden». Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Elite-Soldaten, Polizisten, Rettungskräften und Sicherheitsleuten. Ende 2018 gerät der Verein in den öffentlichen Fokus, seither prasseln schwere Vorwürfe auf ihn ein. Der schwerste: Innerhalb des Netzwerks sollen Personen geplant haben, eine rechtsnationale Schattenarmee aufzubauen.
Den Stein ins Rollen bringen im November 2018 das deutsche Magazin «Focus» und die Tageszeitung «TAZ». Sie veröffentlichen ihre Recherchen über einen deutschen Soldaten, der der Eliteeinheit der Bundeswehr angehört hat – dem Kommando Spezialkräfte (KSK). Name: André S., Deckname: Hannibal.
Hannibal ist Kopf und Mitgründer von Uniter. Gleichzeitig hat er mehrere Chat-Gruppen mit Personen aus der Prepper-Szene unterhalten. Der Begriff stammt vom englischen «to prepare».
Prepper bereiten sich auf Situationen vor, in denen das Leben nicht wie gewohnt stattfindet: Naturkatastrophen, Versorgungsengpässe, Aufstände. Sie decken sich mit Vorräten ein, horten Konserven, Wasserreserven, Treibstoff. Dazu raten zwar auch die Behörden. Dennoch sind Prepper eine Minderheit, der ein Ruf als Verschwörungstheoretiker, Weltuntergangs-Fantasten und Schwarzmalern anhaftet.
Die Chatgruppen um André S. sind aufgeteilt in Nord, West, Ost und Süd. Eine Person aus der Südgruppe gerät ins Visier der Justiz. Franco A. soll einen Terroranschlag geplant haben, für den er einen Asylbewerber verantwortlich machen wollte, um den Fremdenhass in Deutschland zu schüren. Auch gegen zwei Personen in der Nordgruppe werden Ermittlungen wegen Terrorverdachts aufgenommen.
Als die Erkenntnisse öffentlich werden, sind Empörung und Verwirrung gross. Im Bundestag und in den Bundesländern gehen Vorstösse ein. Kanzlerin Angela Merkel muss sich den Fragen des Parlaments stellen.
Nebst «TAZ» und «Focus» berichten die «Welt» und das ZDF über Uniter und André S. In der Schweiz sind es die «Wochenzeitung» und die NZZ. Der Verdacht kommt auf, es entstehe ein rechtes Untergrundnetzwerk, das vor Terror nicht zurückschreckt. Alles unter der Führung von Hannibal und unter der Schirmherrschaft von Uniter. Wie gefährlich ist Uniter? Und was will der ominöse Club, der viel militärisches Wissen auf sich vereint?
In Luzern hat Markus W. sein Wasser noch kaum angerührt, als er sagt: «Vor uns muss man keine Angst haben.»
Ruhige Stimme, klare Worte, verhaltene Mimik. Es ist offensichtlich: Der 50-Jährige will den Ruf seines Vereins aufpolieren, die aufgeheizte Stimmung abkühlen.
Gemäss der Vereinssatzung versteht sich Uniter als «unpolitischer, unabhängiger und überkonfessioneller Zusammenschluss», der «keine radikalen oder extremistischen Tendenzen toleriert». Das Netz bietet laut Eigenangaben eine Jobbörse an, unterhält eine Lauf- und Tauchsportgruppe, veranstaltet Grillabende und Stammtische. Sogenannte Security Roundtables. Auch in der Schweiz, wie am 1. März in Rheinfelden.
Uniters Aktivitäten beschränken sich aber nicht nur auf Deutschland und die Nachbarländer. Im Februar tauchen auf Facebook Bilder eines Uniter-Vertreters auf, der auf den Philippinen einen Vortrag vor Sicherheitsleuten hält. Darunter Polizisten, Soldaten und ein ehemaliger Gouverneur im Wahlkampf.
Ein Deutscher gibt Know-how in einem Land weiter, dessen Oberhaupt im Kampf gegen Drogen unzählige unschuldige Opfer in Kauf nimmt. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte bezeichnet sich selber als Diktator. Auf die Frage, wie das vereinbar ist, schiebt sich Markus W. in Luzern die Brille zurecht, atmet durch und sagt:
Im gut einstündigen Gespräch wird der Deutsche immer wieder von «unhaltbaren Vorwürfen» sprechen. Er ist bemüht seinen Verein so darzustellen, wie er ihn sieht: Eine Gemeinschaft von sicherheits- und militäraffinen Menschen, die sich in den Dienst der Gesellschaft stellen. Als Beispiel nennt er den Uniter-Zweig, den er selber leitet. Die sogenannte Medical Response Unit (MRU): «Entstanden ist die Idee am G20-Gipfel in Hamburg.» Dort hätten die Demonstranten Areale unter ihrer Kontrolle gehabt, zu denen auch die Blaulichtorganisationen nicht hätten vordringen können.
«Was wäre passiert, wenn dort jemand einen Herzinfarkt gehabt hätte? Das wäre ein möglicher Einsatzort für die MRU.» Zu ihr gehören gut 50 Personen mit medizinischem oder militärischem Hintergrund. In Ausbildungen sollen sie Vorgehensweisen zur Erstversorgung lernen, wenn rund um sie Flaschen und Steine fliegen, Böller explodieren, wenn ihnen Gewalt durch Demonstranten droht. «Man soll sich eine Robustheit bei Gefahrenabwehr aneignen», beschreibt der 50-Jährige. Anders gesagt: Die MRU ist eine Einheit, die helfen soll und kämpfen kann.
Nur, wie lässt sich dies in einer Demokratie legitimieren, die über eigene Organe wie Polizei, Militär und Rettungsdienst verfügt? Untergräbt das nicht die Staatsgewalt? Dazu sagt W., er sehe die MRU «ganz klar als Unterstützung für die bestehenden Organisationen. Möglich wäre, im Bedarfsfall aufgeboten zu werden, aber immer unter Regie der jeweils zuständigen Behörden.» Gratis soll das nicht passieren:
Auch wenn sich Uniter klar davon distanziert, dem Staat schaden zu wollen, bewertet es Lucien Müller, Lehrbeauftragter für Polizei- und Sicherheitsrecht an der Universität Luzern, als problematisch, wenn militärisches Know-how an Diktatorenstaaten vermittelt wird: «Dies kann die Stabilität sowie die innere und äussere Sicherheit eines Landes tangieren.»
Kommt hinzu: In den sozialen Medien vermittelt Uniter ein Bild, das den neutralen Betrachter verunsichern kann. Das Netzwerk bewirtschaftet aktiv einen Facebook- und Instagram-Account, postet regelmässig Bilder. Fotos von Männern, die in Camouflage gekleidet das Überleben in der Wildnis trainieren. Fotos von André S., der mit einem israelischen Privatermittler posiert und wie ein Militär-Attaché aussieht. Fotos eines Mannes, der eine Waffe in die Luft reckt. Laut Markus W. handelt es sich dabei um ein Softair-Gewehr. Wieso es verpixelt ist – darauf geht er nicht ein. Und das Uniter-Logo: ein Schwert, vom Eichenkranz umrahmt.
Was ist Uniter? Ob die Darstellungen der Presse stimmen, oder ob Uniter tatsächlich das Medienopfer ist, als das sich der Verein sieht, lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen. Fragen zu André S. beantwortet der Vizepräsident keine, ebenso nicht zu Franco A. Weil «ich die Person nicht kenne und ich zu den Vorwürfen keine Auskunft geben kann».
Er sagt lediglich, Franco A. sei nie Uniter-Mitglied gewesen, Hannibal und er wären sich laut seinem Kenntnisstand nie begegnet. Demgegenüber berichten deutsche Medien, dass es mindestens zu zwei Treffen der beiden gekommen sei.
Wie die NZZ im Februar aus einer Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zitiert, wird Uniter seit 2017 vom deutschen Generalbundesanwalt beobachtet. «Bis jetzt gebe es keine Anhaltspunkte für Straftaten, für die der Generalbundesanwalt zuständig wäre. André S. sei im März 2018 aus dem Kommando Spezialkräfte versetzt worden und weiterhin Bundeswehrangehöriger», schreibt die NZZ, die auch aufdeckte, dass der Uniter-Vize und der Präsident in der Zentralschweiz leben.
Im Artikel heisst es auch, Uniter denke darüber nach, seinen Vereinssitz von Stuttgart in die Schweiz zu verlegen. «Konkret ist noch nichts, aber ja, diese Überlegungen stellen wir an», sagt der Uniter-Vizepräsident. Mit einem Umzug in die Schweiz wolle man ein Zeichen für die eigene Neutralität setzen. Zudem sei auch von Vorteil, dass in der Schweiz viele UNO-Organisationen ihren Sitz hätten, zu denen sich Uniter hingezogen fühle. Und ein weiterer Grund dürfte sein, dass Uniter in Deutschland viel Staub aufgewirbelt hat. Nach kurzer Pause sagt Markus W.:
Auch wenn sich der Verein von seinem Umzug in die Schweiz ein ruhigeres Umfeld verspricht, bleibt er kaum unbeobachtet. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) mit, man habe Kenntnis von Uniter. Weiter heisst es in der schriftlichen Stellungnahme, der NDB «äussert sich grundsätzlich weder zu einzelnen Gruppierungen oder Organisationen noch zu seiner operationellen Tätigkeit».
Markus W. hat sein Wasser ausgetrunken, das Gespräch ist zu Ende. Er verabschiedet sich mit den Worten: «Wir sind aktuell absolut in der Defensive. Ich wünsche mir von den Medien und der Öffentlichkeit, dass sie ein faires Urteil fällen. Das passiert im Moment zu wenig.» Markus W. dreht sich um, geht die Strasse entlang, die Haltung leicht gebückt.
Zurück bleibt ein Gefühl der Ratlosigkeit: Angenommen, die Anschuldigungen an Uniter sind haltlos – wie gross muss die Überzeugung eines Menschen für sein Engagement sein, um sich diesem öffentlichen Sturm zu stellen? Anonym bleiben wollte W. nämlich, weil er Reaktionen aus dem linken Umfeld fürchte. Andere Vereins-Mitglieder seien bereits mit dem Tod bedroht worden. Uniters Aktivitäten schürten Angst und Unsicherheit in der Öffentlichkeit. Die Angst geht auch bei Uniter um.
Bei Blackwater suchen sie noch Mitarbeiter, um Südafrikanische Minen zu "befrieden", das wär doch was für "kämpfende" Sani-Rambos.