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Die weibliche Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation, FGM) ist – im Gegensatz zur männlichen Beschneidung – eine tiefgreifende Verletzung der körperlichen und seelischen Integrität. Seit 1993 gilt sie offiziell als Menschenrechtsverletzung. Die grausame Prozedur wird in den meisten Fällen kurz vor der Pubertät durchgeführt, manchmal aber auch an Säuglingen oder Erwachsenen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterscheidet vier Formen der FGM:
Weibliche Genitalverstümmelung ist ein schwerer Eingriff und kann – besonders unter den oft zum Himmel schreienden hygienischen und technischen Bedingungen, unter denen sie durchgeführt wird – zu ernsthaften Komplikationen bis hin zum Tod führen. Akute Folgen sind starker Blutverlust, Schock oder Infektionen.
Zu den langfristigen Folgen gehört die starke Einschränkung der sexuellen Lust und die Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erleben. Der Geschlechtsverkehr kann zudem umständlich und schmerzhaft werden. Weitere Folgen können starke Menstruationsbeschwerden, Unfruchtbarkeit, Inkontinenz, Schmerzen beim Wasserlassen und Komplikationen bei Geburten sein.
Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF schätzt, dass rund 125 Millionen Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt mit den Folgen des Eingriffs leben müssen. Die WHO geht von 100 bis 140 Millionen aus. Laut der Weltgesundheitsorganisation werden jeden Tag etwa 8000 Mädchen verstümmelt.
Gemäss UNICEF Schweiz sind weltweit jährlich drei Millionen Mädchen in Gefahr, an ihren Genitalien beschnitten zu werden. Bis zum Jahr 2030 sind schätzungsweise 86 Millionen Mädchen dem Risiko der genitalen Verstümmelung ausgesetzt, wenn der Trend weiter geht.
Am meisten Frauen – gut 27 Millionen – sind dem grausamen Ritual in Ägypten zum Opfer gefallen, dem Ursprungsland der weiblichen Beschneidung. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ist indes die Lage in Somalia am schlimmsten: Dort sind 98 Prozent der Frauen beschnitten. Ein weiteres Epizentrum ist Westafrika: Auch in Guinea liegt der Anteil der verstümmelten Frauen über 90 Prozent.
In geringerem Umfang kommt FGM auch in einigen asiatischen Ländern vor: In den kurdischen Gebieten des Irak, im Jemen, aber mittlerweile auch in Indonesien. Im Zuge der Migration wird die weibliche Genitalverstümmelung auch in Europa immer mehr zum Thema.
Die weibliche Beschneidung stammt vermutlich aus dem alten Ägypten und ist damit älter als Christentum und Islam. Viele Anhänger des Rituals – und übrigens auch manche Gegner – glauben aber, Frauenbeschneidung sei ein religiöses Gebot. Doch weder der Koran noch die Bibel oder die Thora verlangen die Beschneidung der weiblichen Genitalien.
Da die Mehrzahl der betroffenen Frauen muslimisch ist, wird FGM oft als islamische Praxis angesehen. Es gibt zwar einige muslimische Rechtsgelehrte, die die weibliche Beschneidung rechtfertigen, andere lehnen sie jedoch ab. In vielen mehrheitlich islamischen Ländern wie Algerien, Syrien oder Tunesien wird FGM nicht praktiziert.
Dass die weibliche Genitalverstümmelung eher eine kulturelle als eine religiöse Tradition ist, zeigt sich ferner am Beispiel von Ländern wie Eritrea oder Sierra Leone, in denen muslimische und christliche Gruppen leben. In beiden Ländern praktizieren sowohl Muslime wie Christen FGM. In Eritrea sind es nach Angaben von Terre des Femmes fast 100 Prozent der muslimischen Bevölkerung, knapp 90 Prozent der Katholiken und über 80 Prozent der Mitglieder anderer christlicher Konfessionen.
Es gibt eine Reihe von Gründen, warum die weibliche Genitalverstümmelung durchgeführt wird: Zum einen ist es die Tradition, die es verlangt. Oft sind Frauen, die selber verstümmelt wurden, die eifrigsten Verfechter des Rituals – sie kennen nichts anderes. Zum andern sind auch wirtschaftliche und soziologische Gründe wirksam: Nicht beschnittene Mädchen gelten oft als unrein; sie werden ausgegrenzt und können nicht verheiratet werden.
Überdies ist die Beschneidung in manchen Gesellschaften ein Initiationsritus, der den Übergang zum Erwachsensein markiert. Sicher ist aber, dass die genitale Verstümmelung mit einer stark patriarchalisch geprägten Kultur einhergeht. Oft wird explizit die Eindämmung der als überbordend eingeschätzten weiblichen Sexualität als Grund für die Praxis genannt.
Was kaum bekannt ist: Auch in Europa und Nordamerika praktizierten Ärzte die Klitoridektomie. Die Entfernung der Klitoris galt bis ins 20. Jahrhundert hinein als Allheilmittel für alle möglichen Leiden wie Epilepsie, Hysterie, Melancholie oder sogar Kleptomanie.
Infolge der modernen Migrationsbewegungen ist die weibliche Genitalverstümmelung auch in der Schweiz zum Thema geworden. Wie viele solche Beschneidungen hierzulande durchgeführt werden, weiss man nicht. Aber es ist bekannt, dass Ärzte manchmal angefragt werden, wo man einen solchen Eingriff vornehmen lassen könne. Viele Mädchen werden dazu auch ins Ausland gebracht. Wenn solche Fälle bekannt werden, greift die Justiz ein: Die weibliche Beschneidung ist in der Schweiz strafbar – auch dann, wenn ein hier wohnhaftes Mädchen im Ausland beschnitten wird.
Terre des Femmes geht von 10'000 bis 13'000 betroffenen Mädchen und Frauen in der Schweiz aus. UNICEF Schweiz rechnet aufgrund einer 2012 durchgeführten Befragung – neuere Zahlen gibt es laut dem Kinderhilfswerk nicht – mit 10'700 Betroffenen. «Betroffen» bedeutet, dass es sich um Mädchen und Frauen handelt, die bereits beschnitten sind, oder solche, die gefährdet sind, beschnitten zu werden.
Die meisten betroffenen Frauen in der Schweiz stammen aus Somalia, Äthiopien und Eritrea. Seit der letzten Befragung 2004 ist der Anteil der Frauen aus Eritrea deutlich gestiegen – dies widerspiegelt die verstärkte Immigration von Asylsuchenden aus dem ostafrikanischen Land.
Philipp Burri
Karl33
und: ich persönlich würde dieselbe ächtung auch bei der männlichen beschneidung fordern: erst kommt die persönliche integrität und unversehrtheit des individuums, dann erst irgendwelche kulturellen und religiösen dogmen.
Sir Lanzelot
Warum seid ihr nun empört und gebt mir Blitze?