Es ist jeden Winter dieselbe Leier. Wenn die erste Kältepeitsche über die westliche Welt zieht, laufen Klima-Skeptiker zu Hochform auf.
Allen voran US-Präsident Donald Trump. Als die extreme Kältewelle mit bis -35 Grad den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten bedroht, äussert er sich auf Twitter wie folgt.
In the beautiful Midwest, windchill temperatures are reaching minus 60 degrees, the coldest ever recorded. In coming days, expected to get even colder. People can’t last outside even for minutes. What the hell is going on with Global Waming? Please come back fast, we need you!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 29, 2019
Klar, in Teilen der USA werden derzeit Rekordwerte gemessen. Der Grund: Ausnahmsweise schwappt der so genannte Polarwirbel von der Arktis bis nach Chicago. Nur tausend Kilometer weiter westlich, an der Küste Alaskas, ist es hingegen zu warm.
Es zeigt sich leider einmal mehr: Nicht einmal der mächtigste Mann der Welt versteht den Unterschied zwischen Wetter und Klima!
Eigentlich ist es ziemlich einfach, Mr. President. Als Wetter bezeichnet man den kurzfristigen Zustand der Atmosphäre (Temperatur, Sonnenschein, Regen, Wind) an einem bestimmten Ort.
Das Klima hingegen betrachtet die meteorologischen Bedingungen über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren.
Oder noch einfacher: Wetter ist das, was heute gerade passiert, Klima ist das, was über einen langen Zeitraum geschieht. Und über einen langen Zeitraum gesehen passiert vor allem und in immer schnellerem Tempo das:
«Eine Kältewelle, die bloss einige Tage andauert, fällt da überhaupt nicht ins Gewicht», sagt Martin Grosjean vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung an der Uni Bern.
Aussergewöhnlich frostige Temperaturen, wie sie Teile der USA aktuell erleben, haben also auf das Klima kaum einen Einfluss.
Die New York Times versuchte es mit einer Analogie, die Herr Trump (vielleicht) besser versteht:
Es ist nur menschlich: Viele Leute vermischen aktuelle Wetterereignisse in ihrer Region mit dem globalen Klima. Wer ist sich schon bewusst, dass in Australien gerade Hitzerekorde aufgestellt werden, wenn er selber gerade an den Allerwertesten friert?
«Wo bleibt der Klimawandel?»: Diese Frage stellten sich in der Schweiz zum Beispiel auch 2018 viele Leute, als die «sibirische Kältepeitsche» tagelang das Wetter beherrschte.
Aber alle diese Leute sollten sich den Satz von Marshall Shepherd, Direktor des «Atmospheric Sciences Program» an der Universität in Georgia und ehemaliger Präsident der «American Meteorological Society», übers Bett hängen. Gegenüber CNN sagte er:
«It is not ‹Where You Live Warming›, it is ‹Global Warming›» (sinngemäss: «Es ist nicht ‹Wo-du-wohnst-Erwärmung›, es ist Klimaerwärmung»).
Auch Martin Grosjean erklärt, dass solch krasse Bisenlagen wie 2018 während der Kältepeitsche keinen Einfluss auf das Klima hätten. Die Temperaturen steigen bei uns auch im Winter unaufhaltsam: «Wir erlebten in den letzten Jahren in den Wintern relative ‹Hitzewellen›, nur spüren wir sie wegen den ohnehin tiefen Temperaturen nicht richtig. Sehr kalte Winter sind seit 1964 ausgeblieben».
Die Winter-Durchschnittstemperatur sei in den letzten 50 Jahren in der Schweiz um 1,5 Grad gestiegen. «Die durchschnittliche Schneegrenze ist seit 1961 um 300-400 Meter nach oben geklettert», führt Grosjean aus.
Oder in anderen langjährigen Messdaten ausgedrückt, die das Institut für Schnee- und Lawinenforschung Davos gesammelt hat:
Einfach noch zum Verständnis: In diesen Messwerten sind sämtliche Tage über eine lange Periode eingeflossen – also auch die Tage der sibirischen Kältewelle und schneereiche Wochen. Die Klimaerwärmung lässt sich leider auch so nicht wegdiskutieren.
Das von der Schweiz unterzeichnete Pariser Klimaabkommen will den globalen Temperaturanstieg auf maximal 1,5-2 Grad begrenzen. Wie das Ziel erreicht werden soll, darüber zanken sich Politiker rund um den Globus.
In der Schweiz wird das Thermometer so oder so deutlich stärker ansteigen: «Wir rechnen mit 4 statt 2 Grad Erwärmung gegen Ende des 21. Jahrhunderts. Denn die Temperatur in der Schweiz steigt doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt», erklärt Grosjean weiter.
Der einfache Grund: Landmassen, also der Boden, Steine, Berge etc. erwärmen sich doppelt so stark wie Ozeane, von denen es in der Schweiz bekanntlich keine gibt. «Sämtliche Kontinente erwärmen sich rasant», bilanziert Grosjean.
Selbst in der Schweiz ist sich die Politik alles andere als einig, wie das Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht werden soll. So versenkte der Nationalrat in der Wintersession 2018 das CO2-Gesetz.
«Wenn es nicht einmal die Schweiz schafft, beim Klimaschutz Nägel mit Köpfen zu machen, wer dann?», bilanziert Grosjean.
Nun will eine Bürgerinitiative mit der Gletscher-Initiative die Politik zum Handeln zwingen und die Schweiz auf Klima-Kurs bringen. Das Ziel: Die Schweiz soll die CO2-Emissionen bis 2050 auf Null bringen. Die Initianten wollen diese Vorgabe in der Bundesverfassung verankern. Die Unterschriftensammlung startet Ende April 2019.