China übt mit grosser Wahrscheinlichkeit Druck aus auf Exil-Tibeter und -Uiguren, die in der Schweiz leben. Das schreibt der Bundesrat in einem Bericht. Die Rede ist von Überwachung, Infiltration von Gemeinschaften und Einschüchterung. Nicht immer können die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Der Bundesrat verabschiedete seinen Bericht am Mittwoch. Bestellt hatte ihn das Parlament mit einem Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N). Grundlage war ein Bericht der Universität Basel, für den auch Gespräche mit betroffenen Diaspora-Angehörigen geführt wurden.
China bewege mit grosser Wahrscheinlichkeit Tibeterinnen und Tibeter und auch Uigurinnen und Uiguren in der Schweiz dazu, Mitglieder ihrer Gemeinschaften auszuspionieren und unter Druck zu setzen, schreibt der Bundesrat. Es gebe Hinweise auf systematische Beobachtung sowie Foto- und Filmaufnahmen von politisch Aktiven.
Die Überwachung tibetischer Gemeinschaften in der Schweiz und auch in anderen Ländern habe verschiedene Formen. Etwa würden Kundgebungen von chinesischen Geheimdiensten überwacht. Agenten gäben sich als Journalisten, Touristen oder Studierende aus.
Vereinzelte Informationen deuten darauf hin, dass Geheimdienste an der Infiltration der tibetischen Gemeinschaft arbeiten, indem sie dort Informanten rekrutieren. Oder Cyberakteure aus China greifen tibetische Gemeinschaften, Medienschaffende und NGOs an.
Transnationale Repression stellt in den Worten des Bundesrates «langfristig eine erhebliche Bedrohung der Souveränität der Schweiz» dar. Wegen der Digitalisierung, aber auch wegen der Zusammenarbeit autoritärer Staaten und immer perfideren Methoden dürfte sich das Risiko durch solche Unterdrückungsversuche erhöhen.
Spionagetätigkeit kann laut Bundesrat strafrechtlich verfolgt werden. Voraussetzung dafür ist aber der Nachweis von politischer Spionage. Oder Diplomaten und Diplomatinnen können wegen gesetzeswidrigem Verhalten aus dem Land gewiesen werden. Einen Nutzen sieht der Bundesrat auch in der Sensibilisierung von Zielpersonen, da sie deren Wachsamkeit erhöht.
Gegen Überwachung und Einschüchterung durch Private können sich Privatpersonen gegebenenfalls mit zivilrechtlichen Mitteln wehren. In der Regel würden die Betroffenen solcher Massnahmen in ihrer Persönlichkeit verletzt, so der Bundesrat. Klagen gegen Unbekannte seien im Zivilrecht aber nicht möglich.
Die im Forschungsbericht erwähnten Sachverhalte erfüllen nicht immer die Erfordernisse eines Straftatbestandes oder die Voraussetzungen für eine staatliche Intervention, schreibt der Bundesrat. Doch dass sich Betroffene ständig überwacht fühlten und verschiedenen Formen von Belästigungen ausgesetzt seien, schaffe ein Klima der Angst und könne die Ausübung von Grundrechten einschränken.
Dass sich an der Überwachung von Tibeterinnen und Tibeter etwas ändern wird, erwartet der Bundesrat nicht. Ein wichtiges Thema werde die Nachfolge des 14. Dalai Lama werden. Es dürfte die chinesischen Geheimdienste interessieren, wie sich die tibetische Gemeinschaft in der Schweiz zur Ernennung des 15. Dalai Lama stellt.
Bei den Uigurinnen und Uiguren stellt sich nach Einschätzung des Bundesrates die Problematik der Überwachung ebenso. Weil hierzulande relativ wenige Uiguren leben, war die Schweiz jedoch bisher vor allem als Transitland und Treffpunkt von Operationen betroffen.
Der Bundesrat empfiehlt, zusätzliche Massnahmen zu prüfen für den Schutz gegen transnationale Repression. Er nennt dabei Prävention, Sensibilisierung und Schulung der Behörden sowie die Unterstützung und Beratung von Opfern. Auf Ausspionieren und auf Druckversuche sollen angemessen reagiert werden können.
Laut dem Bericht der Universität Basel leben derzeit ungefähr 7500 Exiltibeter und -tibeterinnen sowie rund 150 Uigurinnen und Uiguren in der Schweiz. Transnationale Repression übt nicht nur China aus, sondern auch andere Staaten, etwa Russland und die Türkei. (sda)