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Liberianischer Ex-Kommandant zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt

Picture dated 06 August 2003 shows a LURD (Liberians United for Reconciliation and Democracy) rebel observing a cease-fire shortly before the departure of then president Charles Taylor during the coun ...
Ein Rebell der LURD (Liberians United for Reconciliation and Democracy) sitzt mit seiner Waffe vor einer Wand, die von Kugeln durchlöchert ist.Bild: EPA

Kriegsverbrechen: Liberianischer Ex-Kommandant zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt

01.06.2023, 14:3801.06.2023, 16:49
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Das Berufungsgericht des Bundesstrafgerichts in Bellinzona TI hat einen früheren liberianischen Kommandanten zu 20 Jahren Gefängnis und 10 Jahren Landesverweis verurteilt. Es befand ihn der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig.

Die Richter in Bellinzona liessen die Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu, die von der Bundesanwaltschaft (BA) und den Privatklägern im Berufungsverfahren hinzugefügt worden war. Die Verteidigung, die alle Vorwürfe bestritt, hatte einen Freispruch gefordert.

Der inzwischen 48-jährige Kommandant Alieu Kosiah gehörte während des ersten Bürgerkriegs in Liberia Anfang der 1990er Jahre zur bewaffneten Fraktion Ulimo (United Liberation Movement of Liberia for Democracy). Er wurde von der Genfer Organisation Civitas Maxima identifiziert. 2014 wurde er in der Schweiz verhaftet und befand sich seither in Untersuchungshaft.Der ehemalige Kommandant blieb am Donnerstag während der Urteilsverkündung teilnahmslos und machte sich gelegentlich einige Notizen. Er wirkte in sich gekehrt.

Aktive Beteiligung

Der Vorsitzende Richter Olivier Thormann erläuterte das Vorgehen des Berufungsgerichts: Zunächst liessen die Richter die Zeugenaussagen der Kläger ausser Acht und vertieften sich in die zahlreichen übereinstimmenden Elemente aus unabhängigen Quellen. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Angeklagte als enger Vertrauter des Oberbefehlshabers der bewaffneten Fraktion Ulimo aktiv an der Einnahme der Verwaltungsregion Lofa County beteiligt gewesen war.

Das Gericht prüfte auch die Behauptung der Verteidigung, dass gegen Alieu Kosiah in Liberia ein Komplott geschmiedet worden sei, und verwarf diese schliesslich. Abweichungen in den Aussagen der Kläger, die vom Angeklagten und seinem Anwalt unterstrichen worden waren, zeigten, dass diese Personen nicht gecoacht und ihre Aussagen nicht «geglättet» worden waren. Der Vorwurf, sie seien in der Schweiz erschienen, um Asyl zu erhalten, habe sich nicht bewahrheitet: Alle Betroffenen seien in ihr Land zurückgekehrt.

Höchststrafe

Als Verstösse gegen das Kriegsrecht wertete das Gericht unter anderem die Rekrutierung eines Kindersoldaten, die grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Zivilisten, die Verletzung der Würde von Toten, den Befehl, zwei Soldaten zu plündern und zu töten, sowie die Vergewaltigung einer Zivilistin.

Mehrere dieser Straftaten würden auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft, so der Gerichtspräsident. Die Morde in der Stadt Zorzor im Norden Liberias würden bereits mit der Höchststrafe von 20 Jahren geahndet. Die anderen Straftaten müssten zu einer Kumulierung führen, was in diesem Fall angesichts der gesetzlich festgelegten Obergrenze nicht möglich sei. Die Verurteilung von Alieu Kosiah kann vor dem Bundesgericht angefochten werden.

Bundesanwaltschaft zufrieden

Die Bundesanwaltschaft zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Es bestätige sich, dass die Schweiz in der Lage sei, Fälle des internationalen Strafrechts zu verfolgen und zu beurteilen, hiess es in einer Stellungnahme. Es sei auch wichtig, dass die Frage der Verbrechen gegen die Menschlichkeit inhaltlich entschieden werde.

Für Rafaël Jakob, einen der Anwälte der Kläger, ist es «ein Sieg für alle Opfer des ersten Bürgerkriegs in Liberia». Alain Werner, Direktor von Civitas Maxima, betonte die Wichtigkeit der Anerkennung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesichts dessen, was in Liberia passiert sei.

Über seinen Anwalt bedauerte Alieu Kosiah den Entscheid des Berufungsgerichts. Die zahlreichen Ungereimtheiten in den Akten und die Widersprüche in den Zeugenaussagen seien nicht berücksichtigt worden. «Man kann sich fragen, ob Fairness und Gerechtigkeit gesiegt haben oder die Politik», so der Anwalt. Der Anwalt wird auf der Grundlage des schriftlichen Urteils über eine Beschwerde an das Bundesgericht entscheiden. (cst/sda)

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