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Enteignung von Oligarchen: Die Angst des Schweizer Finanzplatzes

Das Herz des Schweizer Finanzplatzes, der Zürcher Paradeplatz (Archivbild).
Das Herz des Schweizer Finanzplatzes: Der Zürcher Paradeplatz.Bild: KEYSTONE

Enteignung von Oligarchen – eine Gefahr für den Schweizer Finanzplatz

Immer öfter und schneller werden internationale Geldströme als Waffen in geopolitischen Konflikten eingesetzt. Diese Entwicklung unterminiert ganze Währungsräume und gefährdet das Geschäftsmodell von internationalen Finanzplätzen.
21.01.2023, 10:1721.01.2023, 12:24
Daniel Zulauf / ch media
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Zeitgleich mit der Eröffnung des Davoser Weltwirtschaftsforums publizierte die Credit Suisse Anfang Woche eine 30-seitige Analyse, die sich mit der Zukunft des Weltwährungssystems und dem Dollar als globaler Leitwährung auseinandersetzt. Die Koinzidenz der beiden Ereignisse war kein Zufall.

Seit Beginn des russischen Feldzuges gegen die Ukraine macht ein Begriff Karriere, mit dem selbst Wirtschaftslaien sofort klar werden muss, weshalb die Hegemonie des Dollar und die Entwicklung der Währungsräume auch in Davos heisse Themen sind: «The Weaponisation of Finance», Geldströme als Waffe in geopolitischen Konflikten. Der Krieg in der Ukraine hat auch in dieser Hinsicht einen neuen Höhepunkt gesetzt.

Kurz nach dem russischen Einmarsch einigten sich die G7-Staaten auf Druck der USA, die in Reichweite liegenden Devisenreserven der russischen Zentralbank in Höhe von über 600 Milliarden Dollar einzufrieren. Zwar hatte es ähnliche Aktionen etwa im Zusammenhang mit internationalen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran auch schon früher gegeben. Doch die schiere Dimension der Massnahmen gegen Russland hat quasi die Schaffung einer neuen Disziplin von Wirtschaftssanktionen begründet.

Flucht aus dem Dollar

Eine in der Credit-Suisse-Studie zitierte Aussage des früheren amerikanischen Finanzministers Jack Lew aus dem Jahr 2016 stellt solche Sanktionsregime trefflich in den globalen Zusammenhang: «Je mehr wir die Verwendung des Dollar und unseres Finanzsystems von einer Übereinstimmung mit amerikanischer Aussenpolitik abhängig machen, desto grösser wird mittelfristig die Gefahr einer Migration in andere Währungen und Finanzsysteme.»

Eine politisch motivierte Verschiebung von Devisenreserven in andere Währungsräume ist zwar noch kaum nachweisbar. Immerhin aber konstatierten Finanzmarktbeobachter im vergangenen Jahr die höchsten Goldkäufe von Notenbanken seit 50 Jahren. Zu den grössten bekannten Käufern gehören mehrere Länder, die sich im April 2022 in der UNO-Abstimmung über die Verurteilung Russlands der Stimme enthalten hatten.

Unbestreitbar scheint indessen, dass die Kontrolle über internationale Finanzflüsse mit dem Krieg in der Ukraine eine noch nie dagewesene politische Bedeutung erlangt hat. Am Davoser Wirtschaftsforum war die Konfiszierung von Vermögen russischer Bürger, die auf den internationalen Sanktionslisten stehen, ein grosses Thema. Der internationale Druck sei gross, dass sich alle Staaten an einer solchen Enteignungsaktion beteiligen, sagte der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis im Interview.

Internationale Kunden auf der Flucht?

Die Schweiz hat Vermögenswerte von Personen wie Viktor Vekselberg und anderen Oligarchen in Höhe von 7.5 Milliarden Franken blockiert. In der EU belaufen sich die gesperrten Gelder auf 17 Milliarden Euro und in Grossbritannien auf 18 Milliarden Pfund. Die Ukraine möchte diese Gelder einziehen lassen, damit sie für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg eingesetzt werden könnten.

Die Enteignung dieser Vermögen käme einem fatalen Tabubruch gleich, warnt ein nicht genannt sein wollender Repräsentant des Schweizer Bankensektors. Denn rechtmässig enteignen lassen sich nur nachweislich illegal erworbene Vermögen. Inwieweit dies auf die Vermögen der sanktionierten Oligarchen zutrifft, kann ohne sauberes Rechtsverfahren niemand wissen. Schweizer Regierungsvertreter und Exponenten des Finanzplatzes beobachten «das gefährliche Spiel» mit wachsendem Unbehagen.

Auf der Hand liegt die Befürchtung der Banken, dass eine politisch motivierte Enteignung von Kundenvermögen grosse Teile der internationalen Klientel in die Flucht treiben könnte. Ähnliche Befürchtungen hatte es auch im März 1986 gegeben, als sich die Schweizer Regierung erstmals zu einer vorsorglichen Blockierung von in der Schweiz liegenden Vermögenswerten eines gestürzten ausländischen Präsidenten durchgerungen hatte. Es handelte sich um den philippinischen Diktator Ferdinand Marcos, der so daran gehindert wurde, mehr als 600 Millionen Dollar in sein Fluchtdomizil nach Hawaii zu überführen.

Es wird schwieriger für den Finanzplatz

Das markierte einen «Paradigmenwechsel» der Schweiz im Umgang mit Potentatengeldern, konstatiert der kritische Finanzplatzbeobachter und langjährige Journalist Balz Bruppacher in seinem Buch über «Die Schatzkammer der Diktatoren» (NZZ Libro, 2020). Die Wende sei der Sorge um den guten Ruf des Landes entsprungen, nachdem die Schweiz nach Marcos' Sturz in der Weltpresse als Fluchtgeldhafen angeprangert worden sei, schreibt Bruppacher.

Endgültig beschlossen wurde Marcos' Enteignung allerdings erst nach einem mehr als zwanzigjährigen Rechtsverfahren zunächst in der Schweiz und dann auf den Philippinen. So sei es der Schweiz gelungen, aus der damaligen Not, den guten Ruf des Finanzplatzes zu retten, eine Tugend zu machen, zitiert Bruppacher eine hochrangige Diplomatin im Aussenministerium.

Ein solcher Spagat könnte künftig schwieriger werden. «Je öfter Geldströme zur Waffe gemacht werden und je mehr Blöcke sich daraus ergeben, desto schwieriger wird es für die Schweiz und ihren Finanzplatz sich herauszuhalten», erklärt ein Bankenvertreter seine Besorgnis. (bzbasel.ch)

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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_kokolorix
21.01.2023 12:00registriert Januar 2015
Dass die, nicht namentlich erwähnt werden wollenden banker, sich Sorgen um den Finanzplatz machen ist verständlich.
Allerdings hätten sie sich in den letzten Jahrzehnten schon Sorgen machen sollen, wegen all der illegalen Gelder, welche sie verwalten und verstecken.
Nicht die Enteignung von unfassbar reichen Geldsäcken, sondern die unredlichen Praktiken der Banken, bedrohen den Finanzplatz.
Wenn die, mehr als berechtigte, Enteignung von russischen Verbrechern wirklich erfolgt, dann werden nur ebenfalls verbrecherische Vermögen abgezogen. Und die wollen wir ja eh nicht.
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mikel
21.01.2023 10:53registriert Februar 2014
Man sollte die Milliardäre weltweit enteignen, wenn schon.
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Pulmoll
21.01.2023 21:11registriert Mai 2021
Ich sehe das nicht als Gefahr für den Schweizer Finanzplatz sondern als Chance, das Geschäft weg von Potentaten und dubiosen Geschäftsleuten hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell zu entwickeln.
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