Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ist sich die Aufmerksamkeit der Weltpresse langsam gewohnt. Schon bei der Rettung der Credit Suisse stand die Schweizer Finanzministerin im globalen Rampenlicht: «Sie haben die Welt gerettet», soll ihr damals ein ausländisches Regierungsmitglied gesagt haben. Für einen Moment stand die Schweiz im Zentrum der Weltpolitik. Nach dem Telefonat mit dem US-Präsidenten Donald Trump vom Mittwoch war es nun wieder so weit.
Beim informellen Treffen der europäischen Finanz- und Wirtschaftsminister in Warschau am Freitag, an dem die Schweiz erstmals überhaupt eingeladen war, interessierten sich folglich auch Keller-Sutters Ministerkollegen für den Anruf im Weissen Haus.
Diese Zeitung erreicht die Bundespräsidentin am Telefon auf dem Weg zum Warschauer Flughafen. Wie also war die Reaktion unter den EU-Ministern, die sich eigentlich zum Thema Wettbewerbsfähigkeit austauschten, aber deren Programm natürlich vom Zollstreit überschattet wurde?
Jene Kollegen, mit denen sie geredet habe, hätten «erstaunt» reagiert. «Die Schweiz scheint womöglich das einzige Land zu sein, das bis jetzt einen Kontakt auf dieser Ebene hatte», sagt die St.Gallerin. Viele EU-Länder hätten offenbar keinen Zugang zur US-Administration.
Erstaunt ist man freilich auch in der Schweiz. Das ganze Land fragt sich: Wie hat es Keller-Sutter geschafft, dass sich der mächtigste Mann der Welt ausgerechnet für die Schweiz 25 Minuten Zeit nimmt, während nicht einmal Europas mächtigste Politiker wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Termin bekommen?
Hat die Schweiz auch Drittpersonen wie Ed McMullen mobilisiert, den ehemaligen US-Botschafter in Bern, der nicht nur als «Schweiz-Fan» gilt, sondern auch beste Kontakte zu Trumps innerem Zirkel unterhält? Immerhin bestätigte McMullen bereits kurz nach Trumps Zollankündigung in verschiedenen Schweizer Medien, dass er sich um Vermittlung zwischen der Schweiz und den USA bemühe.
Zu viel aus dem diplomatischen Nähkästchen plaudern mag die Bundespräsidentin nicht. Nur so viel: «Mehrere Personen» seien involviert gewesen, darunter selbstverständlich auch die Schweizer Botschaft in Washington. Keller-Sutter: «Wir haben in den letzten Tagen verschiedenste Kanäle aktiviert, die einen Zugang zur Administration haben und die uns unterstützen.»
Kurz nach dem Telefonat mit Keller-Sutter hat Trump bekanntlich auf seinem sozialen Netzwerk «Truth Social» verkündet, die verhängten Universalzölle zu suspendieren, respektive während 90 Tagen für alle Länder auf 10 Prozent abzusenken. Darüber, ob es ihre Überzeugungsarbeit war oder das Gespräch zumindest ein wichtiges Element für den Entscheid, wie es etwa die US-Zeitung «Washington Post» schrieb, will Keller-Sutter nicht spekulieren.
«Ich kann nicht beurteilen, ob ich eine Rolle spielte. Das müssen Sie ihn fragen», sagt die Finanzministerin mit Blick auf Trump. Sie könne aber sagen, dass der Austausch «konstruktiv und offen» verlaufen sei: «Ich hatte den Eindruck, dass beide Seiten eine Lösung finden wollen. Wir wollen sehr schnell Rechtssicherheit schaffen, im Sinne der Wirtschaft.» Trump habe ihr denn auch versprochen, «dass er sich die Situation der Schweiz genau anschaut», so Keller-Sutter.
Und jetzt, wie weiter? Die «New York Times» zitiert Kevin Hassett, den Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrats der USA, dass bereits Gespräche über einen möglichen Deal mit der Schweiz laufen würden. Und auch Keller-Sutter bestätigt, dass sie mit Trump vereinbart habe, in Kontakt zu bleiben.
Ruft Keller-Sutter Trump jetzt also häufiger an, vielleicht unkompliziert und direkt aufs Handy, wie es für einen bestimmten Kreis der Ausgewählten offenbar möglich ist? Es scheint, als ob es eher umgekehrt läuft und auch in Zukunft so laufen dürfte. Keller-Sutter: «Ich habe seine Handynummer nicht, aber er hat meine.» (aargauerzeitung.ch)
Es wird garantiert keine Rückzieher geben, schliesslich begegnen sich die USA und Schweiz auf absoluter Augenhöhe....