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Shrinkflation: Wenn die Produkte schrumpfen, die Preise aber nicht

«Shrinkflation»: Wie ein untypischer Ladendetektiv die Tricks der Multis entlarvt

Wenn dir das Toilettenpapier derzeit schneller ausgeht, könnte dies mit der Inflation zusammenhängen. Denn Preisänderungen sind nicht immer sichtbar – aber dennoch spürbar. Ein besonderer Ladendetektiv ist dem seit Jahren auf der Spur.
22.07.2022, 10:4422.07.2022, 11:10
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Vergiss Diäten. Shrinkflation hilft dir beim Abnehmen – ohne, dass du dafür etwas tun musst. Kauf einfach weiterhin die gleichen Lebensmittel, die du magst. Alles andere regelt die Shrinkflation, die dich unwillkürlich dazu bringt, weniger zu essen.

Etwas zynisch formuliert könnte man die Shrinkflation so beschreiben. Nüchterner betrachtet ist es so:

Shrinkflation – so nennt man die Teuerung, die man selbst nicht bemerkt, respektive nicht bemerken sollte. Eine Taktik, die besonders von Lebensmittelherstellern und Detailhändlern angewandt wird, um steigende Preise auszugleichen.

Und dies funktioniert so: Der Inhalt von Produkten wird reduziert, doch der Preis bleibt derselbe. Aus einem 100-Gramm-Jogurt wird beispielsweise ein 80-Gramm-Jogurt. In der Windelpackung sind plötzlich ein paar Stück weniger, die Tafel Schokolade wiegt nicht mehr 100 Gramm, sondern nur noch 95 Gramm.

So kann die Marge bei steigenden Preisen gesichert werden – ohne dass der Konsument Wind davon bekommt. Denn: Eine Pflicht zur Kennzeichnung, dass ein Produkt weniger Inhalt enthält, der Preis aber derselbe bleibt, besteht nicht. Die Leidtragenden: die Konsumenten. Sie bezahlen mehr für weniger.

Wo sich die Shrinkflation derzeit ausbreitet

In den USA häufen sich derzeit Berichte über ein Shrinkflation-Comeback. Denn das Phänomen ist nicht neu. Es tritt in Zeiten hoher Inflation auf – dann, wenn Unternehmungen mit steigenden Preisen für Zutaten, Verpackungen oder Transport zu kämpfen haben.

Die Shrinkflation kommt jeweils in Wellen: «Aufgrund der derzeitigen Inflation befinden wir uns in einer Flutwelle», sagt der Verbraucheranwalt Edgar Dworsky zur «Washington Times». Die ersten Wellen bildeten sich Dworsky zufolge während der Pandemie. Eine grosse folgte gegen Ende des Jahres – seither soll sich das Phänomen verstärkt haben.

Dworsky kann Dutzende Beispiele von Shrinkflation aufzählen, seit Jahrzehnten sammelt der atypische Ladendetektiv allerlei Produkte des täglichen Bedarfs und überprüft, wie diese sich im Laufe der Zeit verändern. Dazu wiegt er den Inhalt von Frühstücksflocken, zählt Toilettenpapierblätter und misst die Grösse von Verpackungen.

Schwindende Schweizer Käsescheiben

Auf seiner Webseite dokumentiert er die Schrumpf-Fallen: von schrumpfenden Müsliriegeln über leichtere Kaffeebohnen bis hin zu Käsescheiben aus der Schweiz, deren Packung plötzlich weniger wiegt.

Beschriftungen etwas umstrukturiert und so ganz nebenbei auf 80g Inhalt verzichtet.
Beschriftungen etwas umstrukturiert und so ganz nebenbei auf 80g Inhalt verzichtet. bild: twitter

Anders als in den Jahren davor versuchen die Unternehmen in den USA laut dem Detektiv vermehrt, mit farbigen Etiketten oder einem neuen Design von Produktänderungen abzulenken. Sollte der Schrumpfprozess dennoch auffliegen, überlegen sich die Produzenten neue Beschriftungen, die eine Produktverbesserung suggerieren. Das Klopapier mutiert dann von «weich» zu «super-weich». Rechtlich ist dies erlaubt, da solche Begrifflichkeiten nicht geschützt sind.

Kein Zurück

Ein Zurück zum Original gebe es meist auch dann nicht, wenn die Inflation nachlässt. «Wenn ein Produkt einmal kleiner geworden ist, bleibt dies oft auch so», sagt Edgar Dworsky.

Shrinkflation in der Schweiz

Hierzulande hat das Phänomen zwei Namen: Shrinkflation oder auch Schatteninflation. Das Prinzip ist dasselbe – und es ist dem Schweizer Konsumentenschutz seit vielen Jahren bekannt. Wie stark Shrinkflation derzeit in der Schweiz verbreitet ist, kann nicht beurteilt werden.

Der Konsumentenschutz bekomme hin und wieder Meldungen. Doch die Anzahl hält sich in Grenzen, da es für Konsumentinnen und Konsumenten schwierig ist, versteckte Preisentwicklungen zu bemerken. Besonders Anpassungen des Nettogewichts oder kleine Details der Verpackungen bemerken Kunden kaum. Denn kaum jemand hat ein Bewusstsein für ein Nettogewicht eines Produktes. Und auch hierzulande gilt keine Pflicht zur Kennzeichnung, wenn an einem Produkt herumgebastelt wird.

Fadenscheinige Begründungen

Kommt der Schrumpfprozess trotzdem ans Licht, fänden Produzenten leicht eine Erklärung für die Produktanpassung, sagt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz. Begründet werde dies dann etwa mit neuen Rezepturen, anderen Verpackungen oder neuen Lackierungen.

Ein bekanntes Beispiel: Coca-Cola. 2019 sind die Flaschen geschrumpft und hatten nur noch Platz für 450 statt 500ml. Der Preis blieb derselbe. Dies blieb allerdings nicht unbemerkt.

Erst begründete das Unternehmen die Anpassung mit Kundenbedürfnissen, später krebste Coca-Cola zurück zur alten Grösse. «Die Firma hat nicht mit den heftigen Reaktionen der Konsumentinnen und Konsumenten gerechnet und sich dann wieder umentschieden», sagt Josianne Walpen.

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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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4-HO-MET
22.07.2022 11:23registriert April 2016
🤷🏻‍♂️
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Remus
22.07.2022 11:15registriert Dezember 2016
TV Tipp: schaut mal die Sendung "die Tricks der Lebensmittelindustrie" mit Sebastian Lege.

Wir werden nicht nur bei den Packungsgrössen verarscht
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Chalbsbratwurst
22.07.2022 11:15registriert Juli 2020
Es gibt auch noch einen anderen Trick bei dem die Verpackung gleich gross bleibt aber der Absatz gesteigert wird indem der Konsument dazu gebracht wird in der gleichen Zeit mehr zu verbrauchen.

So beobachtet beim WC-Papier: Die Blätter wurden plötzlich länger damit der Konsument automatisch mehr verbraucht wenn er immer die gleiche Anzahl Blätter benutzt.

Und auch bei Zigaretten: Der Filter wurde plötzlich länger. Somit ist die Zigarette schneller graucht und man zündet sich schneller eine neue an.
(Ich weiss das ist den Nichtrauchern egal ;-) Mir aber nicht!)
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