Schweiz
Justiz

Corona-Leaks: Eine Staatsaffäre wird erfolgreich verschleiert

Bundesrat Alain Berset, rechts, schreitet mit seinem Kommunikationschef Peter Lauener zur Medienkonferenz, an welcher er im Anschluss an die Sitzung des Bundesrates die Eroerterungen der Regierung zur ...
Aus dem Schneider: Der vormalige Bundesrat Alain Berset (rechts) und sein Kommunikationschef während vieler Jahre, Peter Lauener.Bild: keystone

Corona-Leaks: Eine Staatsaffäre, die erfolgreich verschleiert wird

Die Machenschaften zwischen dem Innendepartement und einem Schweizer Medienhaus bleiben unaufgeklärt.
18.07.2025, 10:4918.07.2025, 10:49
Francesco Benini / ch media
Mehr «Schweiz»

Das Vertrauen unter den Mitgliedern des Bundesrates war dermassen erschüttert, dass die Magistraten vor den Sitzungen keine Berichte mehr über die Anträge der Kollegen einreichten. Die Bundesräte befürchteten, dass ihre Einschätzungen an Journalisten durchgestochen würden.

Das war während der Pandemie. Zur Vertrauenskrise in der Landesregierung kam es, weil vor allem der «Blick» und der «Tages-Anzeiger» oft von den Bundesratsbeschlüssen zur Corona-Politik wussten, noch bevor die Entscheide gefällt wurden.

epa11924009 Secretary-General of the Council of Europe Alain Berset delivers a statement during a high-level segment of the 58th session of the Human Rights Council at the European headquarters of the ...
Alain Berset ist mittlerweile Generalsekretär des Europarates. Bild: keystone

Die «Schweiz am Wochenende» machte 2023 publik, wie der damalige Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset in engem Kontakt zum Chef des Medienunternehmens Ringier stand und diesen mit vertraulichen Informationen versorgte. Ringier-Chef Marc Walder empfahl seinen Redaktionen, den Kurs des Bundesrates im Umgang mit Covid wohlwollend zu begleiten.

Der Sonderermittler geht allzu rustikal ans Werk

Die sogenannten Corona-Leaks lösten einen grossen Wirbel aus und veranlassten die Geschäftsprüfungskommission des Bundesparlamentes, eine Untersuchung anzustrengen. Juristisch bleibt die Angelegenheit aber ohne Folgen. Das Strafverfahren gegen Bersets Medienchef wird jetzt eingestellt.

Zwei Faktoren trugen dazu bei, dass die Justiz bei der Abklärung der Vorgänge nicht vorankam. Der Sonderermittler Peter Marti wandte rustikale Methoden an und zeigte eine merkwürdige Neigung, Vermutungen als Beweise darzustellen.

Damit machte sich Marti angreifbar. Gerichte wiesen ihn in die Schranken. Der ausserordentliche Staatsanwalt gab die Ermittlungen auf.

Zweitens entschied das Bundesgericht, dass beschlagnahmte Geräte und Daten nicht ausgewertet werden dürfen. Das Gericht verwies dabei auf den journalistischen Quellenschutz. Es betonte die «Wächterfunktion» der Medien. Journalisten sollten Missstände möglichst ungehindert aufdecken können.

Das klang gut, aber das Bundesgericht hatte sich mit dieser Einschätzung völlig verrannt. Es verkannte, dass der Quellenschutz im vorliegenden Fall nicht dazu diente, Missstände ans Tageslicht zu bringen – sondern sie im Verborgenen zu halten. Es ging hier nicht darum, dass ein Medium aufdeckt, was bei einer staatlichen Institution falsch läuft. Es ging vielmehr darum, dass der Staat mit einem Medium kungelt: vorzeitige Information über geplante Massnahmen, als Gegenleistung eine freundliche Berichterstattung.

Die Kommission des Parlaments kratzt nur an der Oberfläche

Die Schweizer Öffentlichkeit hatte ein Interesse zu erfahren: Wie genau spannte das Innendepartement mit einem Medienhaus zusammen? Wie spielte sich die Kooperation ab, und in welchen Texten schlug sie sich nieder? Nach dem Richterspruch aus Lausanne war klar, dass die Corona-Leaks nie richtig aufgearbeitet werden.

CEO von Ringier, Marc Walder bei einem Podiumgespraech anlaesslich des Swiss Media Forum vom Donnerstag, 15. Mai 2025 im KKL in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Der CEO des Medienkonzerns Ringier, Marc Walder.Bild: keystone

Weil der Geschäftsprüfungskommission wesentliche Informationen nicht zugänglich waren, kratzte auch sie in ihrer Untersuchung nur an der Oberfläche. Das Gremium stellte zwar fest: Der CEO der Ringier AG habe vom ehemaligen Kommunikationschef des EDI «vertraulich klassifizierte Informationen» erhalten. Die Hintergründe blieben aber im Dunkeln.

Die Kommission erkannte, dass Berset von den Kontakten zwischen seinem Kommunikationsverantwortlichen und dem Ringier-Chef gewusst habe. Und die Gruppe rang sich zur Wertung durch: Es sei nur beschränkt nachvollziehbar, dass «der Departementsvorsteher im Wissen um diese Kontakte und die zahlreichen und wiederholt auftretenden Indiskretionen zu Geschäften des Departementes keine spezifischen Massnahmen in seinem Departement ergriffen hat.»

Die SP lenkt erfolgreich von der Rolle Alain Bersets ab

SP-Mitglieder der Kommission stemmten sich aber dagegen, dass die Rolle Bersets genau durchleuchtet wird. Sie verfolgten nicht das Ziel, den Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Auf den Parteikollegen im Bundesrat sollte nicht zu viel Negatives abfallen. Das erreichten die Sozialdemokraten. Der Bericht der Kommission war so zahnlos, dass sich niemand lange damit aufhielt.

Was bleibt von den Corona-Leaks? Es ist die Geschichte einer staatlichen Institution, die in der Öffentlichkeitsarbeit jedes Mass verliert – und ein Medium findet, das sich vor ihren Karren spannen lässt. Sobald die Machenschaften ruchbar werden, setzen Vertuschungen, Beschönigungen und Ablenkungsmanöver ein.

Ja, es gab die Standleitung der Bundesstelle ins Medienhaus, aber von den Inhalten der zahllosen Telefonate und E-Mails hat der Chef selbstverständlich nichts gewusst. Die Justiz hilft dabei, die Aufklärung der Vorgänge schon im Ansatz zu stoppen. Die Corona-Leaks sind ein Lehrstück über eine systematische Verschleierung auf mehreren Ebenen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
1 / 8
Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
Evi Allemann, Berner Regierungsrätin, kandidiert bereits das zweite Mal. Sie wollte bereits 2022 als Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga kandidieren, landete jedoch nicht auf dem Wahlvorschlag der SP. Allemann erreichte den dritten Platz und wurde nicht nominiert. Die ausgebildete Juristin hat zwei Kinder.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Die Bundesratswahlen – erklärt in 90 Sekunden
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
113 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
morax
18.07.2025 11:26registriert Januar 2014
Die Leaks enthüllen eine gefährliche Symbiose zwischen Staat und Medien. Justiz und Parlament versagen bei der Aufklärung – ein Schlag gegen Transparenz und Demokratie.
7316
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zuschauer782
18.07.2025 11:31registriert März 2024
Der Bericht der Kommission ist eine Blamage für das Parlament. Die Rolle von Alain Berset hätte viel genauer untersucht werden sollen. Geheime Informationskanäle zwischen einem Mitglied der Exkutive und einem Medienhaus sind in iner Demokratie inakzeptabel und schwer zu bestrafen. Die SP war dagegen, ist ja klar. Sie befürchtete, dass äusserst delikate Geheimnisse des Innendepartementes ans Licht gekommen wären. Liebe SP, es ist so leicht den Bürgerlichen etwas vorzuwerfen. Aber die Gesetze gelten für alle.
7734
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bauchtasche
18.07.2025 11:09registriert April 2024
Guter Artikel. Chapeau.

Wirklich bedenklich, dass diese Form der nachweislich stattgefundenen Kommunikation mit Verweis auf den Quellenschutz im zugrundeliegenden Fall inhaltlich nicht verwertbar ist. Ich hoffe zumindest, dass der Fehlbare niemals mehr in einem Anstellungs- respektive Auftragsverhältnis mit staatlichen Stellen stehen kann.
6022
Melden
Zum Kommentar
113
Deshalb könnte der Bancomat bald Geschichte sein
Bargeld wird mehr und mehr vom bargeldlosen Bezahlen abgelöst. Der Bancomat könnte deshalb bald ausgedient haben.
Das Zahlungsverhalten der Schweizerinnen und Schweizer hat sich geändert. Grund dafür ist unter anderem die Corona-Pandemie. Viele Menschen wechselten von jetzt auf gleich vom Bargeld auf Kreditkarte und Twint. Seitdem ist auch die Menge an Bancomaten in der Schweiz deutlich weniger geworden: Nach rund 7000 Bancomaten gibt es jetzt noch etwa 6000 – dies trotz der steigenden Bevölkerungszahl, wie SRF berichtet.
Zur Story