Der Mord an der 16-jährigen Lucie zählt zu den brutalsten Verbrechen der jüngeren Aargauer Kriminalgeschichte. Daniel H., der die junge Frau 2009 in seiner Wohnung getötet hat, wurde zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und einer ordentlichen Verwahrung verurteilt. Matthias Fricker, Anwalt aus Wohlen, war sein Pflichtverteidiger.
Herr Fricker, welche Rolle kommt dem Verteidiger im Vorfeld der Gerichtsverhandlung zu?
Matthias Fricker: Die Hauptarbeit steht vor dem Prozess an. Da werden die Beweise erhoben und der weitere Weg vorgespurt. Vor Gericht hält der Verteidiger dann ein wenig überspitzt gesagt nur noch das Plädoyer.
Inwiefern kann der Anwalt überhaupt Einfluss nehmen?
Der Verteidiger ist – wie auch der Beschuldigte – berechtigt, an sämtlichen Beweiserhebungen teilzunehmen. So ist er zum Beispiel bei den Einvernahmen seines Klienten oder von Zeugen dabei und kann Ergänzungsfragen stellen. Zudem ist es möglich, Beweisanträge zu stellen, etwa zur Befragung eines weiteren Zeugen.
Gilt das auch für die Begutachtung durch Gerichtspsychiater?
Nein, der Verteidiger ist von der Teilnahme ausgeschlossen. Er kann dem Gutachter jedoch nach Vorliegen des Gutachtens Ergänzungsfragen stellen. Das Teilnahmeverbot ist umstritten, weil der Anwalt seine Aufsichtsfunktion nicht wahrnehmen kann und eine effektive Vereidigung somit nur eingeschränkt möglich ist.
Warum wäre das wichtig?
Eine Begutachtung ist sehr einschneidend, davon hängt viel ab: Verwahrung ja oder nein. Den Gutachten kommt im Strafverfahren eine überragende Bedeutung zu. Die Richter stellen ihr Urteil darauf ab.
In der Regel reicht die Einschätzung eines Psychiaters. Im Fall Rupperswil auch?
Ich bin überzeugt, dass es wie im Prozess gegen Daniel H. zwei Gutachten sind. Denn eine lebenslängliche Verwahrung dürfte – nur schon wegen der Bedeutung des Falls in der Öffentlichkeit – zumindest geprüft werden.
Inzwischen ist ein Jahr vergangen, seit der mutmassliche Täter Thomas N. gefasst worden ist. Die Anklage liegt noch nicht vor. Dauert das Verfahren zu lange?
Nein, der Ablauf ist bisher völlig normal. Insbesondere Einvernahmen und Gutachten brauchen viel Zeit.
Inwiefern macht es Sinn, auf Zeit zu spielen und das Verfahren etwa mit Anträgen zu verlängern?
Das bringt in diesen Fällen nichts. Der Täter ist ohnehin in U-Haft und wird auf absehbare Zeit nicht mehr in Freiheit kommen.
Thomas N. hat offenbar sein Geständnis zurückgezogen. Was bedeutet dies für den Prozess?
Ob dem tatsächlich so ist, weiss ich nicht. Ganz allgemein kann aber gesagt werden, dass ein Geständnis nicht einfach gegenstandslos wird, wenn es widerrufen wird. Es verschwindet deswegen nicht aus den Akten. (aargauerzeitung.ch)