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Feuerteufel im Baselbiet: «Herr Ebel, wie werden scheinbar normale Menschen zu Pyromanen?»

In Therwil brannte vergangenen Dienstag ein Werkhof ab.
In Therwil brannte vergangenen Dienstag ein Werkhof ab.Bild: Polizei Basellandschaft
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Feuerteufel im Baselbiet: «Herr Ebel, wie werden scheinbar normale Menschen zu Pyromanen?»

Mehrfach hat es in den vergangenen Wochen im Baselbiet gebrannt. In einigen Fällen geht die Polizei von Brandstiftung aus. Im Interview erklärt Psychiater Hermann Ebel, was einen Pyromanen antreibt und was er bei einem Brand empfindet. 
20.07.2015, 07:1909.11.2015, 14:54
Benjamin Rosch
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Prof. Dr. med. Hermann Ebel.
Prof. Dr. med. Hermann Ebel.

Im Baselbiet haben sich in den vergangenen Wochen Fälle von Brandstiftung gehäuft. Wie wird man zum Pyromanen?
Hermann Ebel: Es ist sicher eine generelle Leidenschaft für das Feuer, die Pyromanen haben. Viele von ihnen haben das Feuer irgendwann als ein Ventil entdeckt, um Konflikte zu lösen. Das kann auch schon in der Kindheit geschehen sein, und als Erwachsener erinnert man sich dann daran. Das kann auch durch den Zufall geschehen, beispielsweise indem man eine brennende Zigarette wegschnippt. Pyromanen verfügen vielfach über eine Störung der Impulskontrolle; Feuer wird verstanden als etwas, womit man sich von diesem Druck befreien kann. 

«Oft können diese Leute gar nicht ausdrücken, was in ihnen vorgeht, wenn sie einen Brand legen.»

Was geht in einem Pyromanen vor, wenn er ein Haus anzündet? Das ist sehr unterschiedlich. Oft können diese Leute gar nicht ausdrücken was in ihnen vorgeht, wenn sie einen Brand legen. Das habe ich sehr oft erlebt. Es ist das Gefühl einer Befriedigung, diese kann aber sehr unterschiedlich sein: Ein Sensationsbedürfnis, das gestillt wird, oder auch die Freude an der Tatsache, gehandelt zu haben. Viele bleiben auch stehen und schauen sich das Feuer an. Hier spielt das Moment des Spektakulären mit. 

Häufig liest man von Feuerwehrmännern als Brandstiftern. Ist das Zufall oder wie lässt sich das erklären?
Das ist kaum Zufall, es gibt sicher eine gewisse Häufung. Es kann auch das Bedürfnis sein, sich nachträglich in Szene zu setzen, beim Löschen des Brandes. Alleine die Nähe zum Feuer des Berufes wegen kann aber Ursache für diese Häufung sein. Ich hatte auch schon einen Fall eines Feuerwehrmanns, der sein Sofa angezündet hat. Motiv war die Rache an seiner Frau. Das war aber kein klassischer Beweggrund eines Pyromanen, dabei ging es auch noch um Versicherungsbetrug.  

Was sind denn klassische Motive?
Oft sind Pyromanen labile Menschen, die aus schwierigen Familienverhältnissen stammen. Zudem sind sie häufig unreif und reizbar. Im eigentlichen liegt eine dysfuntkionale Konfliktlösung vor. Aggressive Impulse wie Rache oder Vergeltung werden auf sinnlose Weise gelöst. Vielfach sind es Männer, deren intellektuellen Möglichkeiten eingeschränkt sind. Alkohol kann dabei helfen, die Hemmschwelle abzubauen, wie so oft. 

Als zuletzt in Riehen eine Serie von Häusern und Gartenhäuschen gebrannt hat, kam niemand zu schaden. Treffen Brandstifter diesbezüglich besondere Vorkehrungen?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich und oft abhängig von der Motivationslage. Vor ein paar Tagen war ich mit einem Fall konfrontiert, in welchem Brandstiftung im Zusammenhang mit suizidalen Absichten auftrat. Dabei wurde klar, dass sich diese Person keine Gedanken darüber gemacht hat, wer sonst noch zu Schaden kommen könnte. Man unterscheidet bei der Motivation zur Pyromanie oft zwischen Lust und Frust. Insbesondere bei Letzterem als Motivationsgrundlage für die Brandstiftung, wird das Wohl anderer nicht reflektiert. 

«Es kann vorkommen, dass sich ein Pyromane steigern will.»

Wie ist Pyromanie therapierbar?
Das ist eine schwierige Frage. Die Therapie hängt von der Grundstörung ab. Pyromanie selbst ist ein Symptom, deshalb muss die Grundstörung, also eine Depression oder Ähnliches, im Fokus der Behandlung stehen. Die Impulskontrollstörung kann zudem mit kognitiver Verhaltenstherapie angegangen werden. Bei dieser Therapieform geht es darum, durch das Üben von gegenläufigen Verhaltensweisen das Lösen von Konflikten zu verändern. 

Kann der Wunsch, Brände zu legen, auch einfach aufhören?
Das kann es geben, ja. 

Muss sich ein Pyromane bei seinen Bränden laufend steigern?
Ja, es kann vorkommen, dass sich ein Pyromane in seinen Aktionen steigern will – gerade wenn die Sensation im Zentrum des Bedürfnisses steht. In Stuttgart hatten wir einmal einen Fall eines Brandstifters, der mehrere Luxuskarossen angezündet hat. Da kommt auch der sportliche Aspekt ins Spiel, sich selbst zu übertreffen und gleichzeitig die Polizei an der Nase herumzuführen. Das sind aber seltene Fälle, häufiger ist der Drang, innere Spannungen loszuwerden. 

Wie schwer ist es, einen Pyromanen zu fassen?
Ich glaube, die Aufklärungsquote ist gut – besonders wenn es sich um einen durch Impulse gesteuerten Täter handelt, der eben oft beschränkte intellektuelle Fähigkeiten besitzt.  

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