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Luigi Mangione: Darum wird der CEO-Mörder als Volksheld gefeiert

LUIGI MANGIONE
Luigi Mangione wird verdächtigt, den CEO von United Healthcare erschossen zu haben.Bild: TWITTER

«Kann mir Empathie nicht leisten»: Darum wird der CEO-Mörder als Volksheld gefeiert

Luigi Mangione ist der Hauptverdächtige im Mordfall des US-Krankenversicherungschefs Brian Thompson in New York. Viele Leute sehen in ihm einen Rächer der Armen. Seine Motivation war aber wohl eine andere.
10.12.2024, 20:39
Natasha Hähni / ch media
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«Ein echter amerikanischer Held», «Gerechtigkeit» oder «eine absolute Legende», schreiben Menschen auf der Spendenseite «GiveSendGo» zu ihren Beiträgen. Fast 10'000 Dollar sind schon zusammengekommen. Der geplante Empfänger: Luigi Mangione. Der hat nicht etwa Geldprobleme oder eine schwere Krankheit wie viele, für die auf solchen Seiten Geld gesammelt wird.

Anhand dieses Fahndungsfotos erkannte ein McDonalds-Mitarbeiter den mutmasslichen Täter.
Anhand dieses Fahndungsfotos erkannte ein McDonalds-Mitarbeiter den mutmasslichen Täter.Bild: NYPD

Nein, der 26-Jährige wird verdächtigt, Brian Thompson, den CEO von United Healthcare, einer der grössten Versicherungen der USA, auf offener Strasse erschossen zu haben. Der Tat folgte eine fünftägige Grossfahndung des FBI und der New Yorker Polizei (NYPD). Die ist nun zu Ende – dank eines McDonald's-Mitarbeiters in Altoona, Pennsylvania, rund vier Autostunden westlich von Philadelphia. Dieser erkannte Mangione, als er am Montagmorgen im Fast-Food-Restaurant frühstückte, und informierte die Polizei.

Als die Beamten Mangione fragten, ob er kürzlich in New York gewesen sei, wurde er gemäss der Polizei nervös «und begann zu zittern». Beim Informatiker wurden unter anderem eine Waffe und ein Schalldämpfer gefunden, die mit einem 3D-Drucker hergestellt worden waren. Hinzu kommen mehrere gefälschte IDs und ein handgeschriebenes Bekennerschreiben.

Darin schreibt Mangione unter anderem: «Um Ihnen eine langwierige Untersuchung zu ersparen, sage ich ganz klar, dass ich mit niemandem zusammengearbeitet habe.» Und: «Diese Parasiten haben es verdient.»

Frustrations über das Gesundheitssystem

Obwohl Mangione vermutlich ein Mörder ist, könnte der Hype um ihn kaum grösser sein. Viele feiern ihn als modernen Robin Hood. Es gibt Fan-Accounts, fast 300'000 Menschen folgen seinem «X»-Profil, eine Kryptowährung wurde nach ihm benannt, und in allen sozialen Medien sprechen sich Leute für den mutmasslichen Täter aus.

«Er kann es nicht gewesen sein, zu dem Zeitpunkt half er mir beim Umziehen», schreibt eine Tiktok-Nutzerin. Ein anderer kommentiert: «Ich schwöre, ich habe ihn an diesem Tag in South Carolina gesehen.» Andere fordern bereits, US-Schauspieler Dave Franco solle Mangione in einer künftigen Serie spielen. Auch kursiert eine emotionale Fake-Version seines Manifests im Internet.

This undated photo provided by UnitedHealth Group shows UnitedHealthcare chief executive officer Brian Thompson. (AP Photo/UnitedHealth Group via AP)
Brian Thompson
Brian Thompson war CEO von United Healthcare. Er wurde in New York erschossen.Bild: keystone

Schon kurz nach dem Mord an Thompson – der 50-Jährige war verheiratet und hatte zwei Söhne – fehlte in vielen Kommentaren zum Vorfall jegliches Mitgefühl mit dem Opfer. «Leider ist mein Selbstbehalt zu hoch ... Kann mir Empathie nicht leisten», schrieb beispielsweise eine Nutzerin.

Amerikanerinnen und Amerikaner bezahlen mehr für ihre Gesundheitsversorgung als Menschen in anderen Ländern. Gleichzeitig wies United Healthcare im Jahr 2023 mehr Fälle ab als jede andere Versicherung. Der Mord am CEO einer der grössten Versicherungen führte dazu, dass viele ihrer Frustration mit dem amerikanischen Gesundheitssystem freien Lauf liessen.

Mangione verurteilt in seinem Manifest Unternehmen, die «unser Land für immense Profite missbrauchen, weil die amerikanische Öffentlichkeit es ihnen erlaubt hat, damit durchzukommen». Dass seinem Ärger Taten folgten, ist laut Aussagen aus seinem Umfeld wahrscheinlich auf eine Rückenoperation zurückzuführen.

«Die Erfahrung war wirklich traumatisch und schwierig für ihn», so ein Ex-Mitbewohner, R. J. Martin, gegenüber CNN. Mangione habe ihm Röntgenbilder seiner Wirbelsäule geschickt. Martin ergänzte: «Es sah abscheulich aus, mit riesigen Schrauben in seiner Wirbelsäule.»

Das Bild ist auch als Hintergrund von Mangiones «X»-Profil zu sehen. Nach seiner Rückenoperation hörten Freunde und Verwandte plötzlich nichts mehr von ihm. Am 18. November meldete seine Familie ihn als vermisst. Rund zwei Wochen später hat er mutmasslich Brian Thompson erschossen. Die Mangione-Familie sprach dessen Familie in einem öffentlichen Statement ihr Beileid aus.

Der Spross einer reichen Familie

Bei vielen Social-Media-Nutzern blieb das Beileid aus. Thompsons Witwe Paulette sagte zu NBC News, sie habe gar Drohungen erhalten. «Wir brauchen mehr Luigis auf dieser Welt» und «ein Mann des Volkes», so der Tenor der Online-Community. So volksnah, wie ihn viele seiner Fans nun zeichnen, war Magnione aber nicht. Er besuchte eine Privatschule in Baltimore und schloss die University of Pennsylvania mit einem Bachelor- und einem Master-Abschluss in Informatik und Ingenieurwesen ab. Zuletzt arbeitete er als Dateningenieur.

Er ist Mitglied einer prominenten Familie aus Baltimore, die ihr Vermögen mit Immobilien gemacht hat. Ihnen gehören mehrere Country Clubs, das Walters Art Museum, die Baltimore Opera Company sowie Pflegeheime und Spitäler. In den sozialen Medien vermuten einige gar, dass seine Familie deutlich wohlhabender sei, als es Versicherungs-CEO Thompson war.

Noch ist der Hauptverdächtige im Mordfall nicht verurteilt, daher gilt die Unschuldsvermutung. Er befindet sich in Untersuchungshaft in Pennsylvania. Bald soll er nach New York ausgeliefert werden. (aargauerzeitung.ch)

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356 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gugus123
10.12.2024 21:11registriert Oktober 2023
Hoffentlich lernen die Chefetagen etwas aus diesem Fall. Es kann nicht sein, dass eine Versicherung über 30% der Fälle ablehnt. Für was zahlen die Leute in solche Versicherungen ein? War ja nur eine Frage der Zeit bis jemand durchdreht - Nachahmungstäter garantiert.

Ich bin bei einer grösseren CH Firma im oberen Management. Verdiene das x fache unserer Putzfrauen. Als so ein dämlicher HSG Schnösel die outscourcen wollte, bin ich auf die Barikade und konnte dank dem Besitzer die Jobs erhalten. Es kann nicht sein das Firmen ihre Verantwortung ggü. den Schwächsten nicht wahr nehmen!
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Joshzi
10.12.2024 21:17registriert September 2014
Ebenfalls eine deutliche Warnung an uns, was passiert, wenn man das Gesundheitssystem privatisiert.
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El_Chorche
10.12.2024 20:54registriert März 2021
Wenn sogar die obere Mittelschicht mit solchen Problemen zu kämpfen hat, sollte sich die Oberschicht langsam warm anziehen.

Eine Erkrankung oder ein Unfall kann in den USA selbst Wohlhabende in den Ruin treiben.
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