Jene, die gegen #Corona-Massnahmen demonstrieren, sind dieselben, die nicht dagegen demonstrieren müssten, wenn sie die Massnahmen konsequent einhielten. Aber das ist dann wohl zu hoch für Flat Earther. #justsaying
— Sandro Brotz (@SandroBrotz) March 20, 2021
Mit diesem Tweet verscherzte es sich der SRF-«Arena» Moderator Sandro Brotz mit einigen Userinnen und User. Es folgten viel Häme und ein Weltwoche-Artikel, in dem Brotz als «fatalste Fehlbesetzung, die SRF sich je geleistet hat» bezeichnet wurde. Wieder auf Twitter schoss Brotz zurück und bezeichnete die Weltwoche als «politisches Kampfblatt».
Neun Tage nach seinem Flat Earther-Tweet zieht sich Brotz zurück. Am Montag verkündete der 51-Jährige, dass er sich eine Social-Media-Auszeit nehme.
— Sandro Brotz (@SandroBrotz) March 28, 2021
Herr Brotz, vor einigen Tagen wehrten Sie sich noch gegen Angriffe auf Ihre Person und schrieben «Hass ist keine Meinung, darum mache ich weiter». Jetzt ziehen Sie sich aus den sozialen Medien zurück. Haben die Hater gewonnen?
Das ist keine Kapitulation. Ich bin aber auch nicht mehr bereit, jede Woche in eine Ritterrüstung zu steigen, die alles an mir abprallen lässt. Ich brauche eine Pause – auch meiner Psychohygiene zuliebe. Es war mein alleiniger Entscheid, keine Direktive – ich fühle mich von SRF gestützt und unterstützt.
Sie bezeichneten die Demoteilnehmende in Liestal allesamt als Verschwörungstheoretiker, die meinen, die Erde sei flach. Wer austeilt, muss auch einstecken.
Ich würde von mir behaupten, dass ich eine dicke Haut habe und einiges aushalten kann. Man kann sich an mir abarbeiten, aber ich muss auch nicht jeden Tag eine Fussmatte sein, an der man alles abstreifen kann.
Ihnen folgen über 50'000 Personen auf Twitter. Sie sind ein Moderator von SRF. Sie haben eine gewisse Verantwortung. Dieser Tweet war doch einfach nicht besonders schlau.
Nicht alles, was ich online poste, ist das Gelbe vom Ei. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Ich bin ein impulsiver und emotionaler Mensch. Ich habe gerne Dinge ausprobiert. Da fällt man ab und zu auch einmal auf die Nase. Aber ich bin überzeugt, dass es Emotionen in den sozialen Medien braucht. Nur manchmal reicht der Platz nicht, um sie rüberzubringen. Oder man versucht etwas zugespitzt zu formulieren und dabei entstehen Missverständnisse. Es war nie meine Absicht, alle Kundgebungsteilnehmenden zu beleidigen.
Sondern? Erklären Sie uns das Missverständnis.
Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass sich viele Teilnehmende nicht an die Corona-Massnahmen hielten, obwohl sie diesen zugestimmt haben. So wurden kaum Masken getragen, obwohl die Demo bewilligt wurde, weil man versprach, sich an die Maskentragepflicht zu halten. Und ich habe mich auf einzelne Demonstranten bezogen, die mit Flat Earth-Plakate unterwegs waren. Das scheint aber in der Kürze meines Tweets nicht rübergekommen zu sein. Wenn mein Post dem einen oder anderen in den falschen Hals geraten ist, dann bedauere ich das.
Im Mai haben Sie Ihr zweijähriges «Arena»-Jubiläum. Hat sich die Wahrnehmung Ihrer Person in der Öffentlichkeit in diesen knapp 24 Monaten verändert?
Dass die «Arena» noch immer so eine Strahlkraft hat und immer wieder sehr viel Echo auslöst, hat mich tatsächlich etwas überrascht. Ich werde extrem genau beobachtet. Da kann ich noch so scharf nach links, rechts oder in die Mitte fragen. Bereits die kleinste Gesichtsregung bei einer Antwort löst Reaktionen aus. Das zeigt aber auch, wie wichtig und relevant dieses TV-Format noch immer ist.
Seit einem Jahr dominiert auch Corona die «Arena». In den sozialen Medien verdreht Twitter jeweils kollektiv die Augen, wenn Sie die nächste Corona-Sendung ankündigen. Die Leute haben genug. Sie nicht auch?
Wir sind alle coronamüde. Und auch ich war zwischendurch richtig froh, wenn wir eine ganz normale Abstimmungsarena durchführen konnten. Aber wir können nunmal nicht so tun, als ob die Pandemie kein Bestandteil unseres Alltags mehr ist. Und genau darum muss man das Thema in allen Facetten beleuchten – auf wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher und persönlicher Ebene.
Sie moderieren auch seit geraumer Zeit komplett ohne Publikum. Die «Arena» ist eigentlich gar keine Arena mehr.
Mit einem Blick ins Publikum konnte man immer kurz überprüfen, ob die Gäste noch dabei sind und wie sie auf das Gesagte reagieren. Das hat auch immer die Politikerinnen und Politiker motiviert. Die Atmosphäre ist eine ganz andere, wenn man in ein Studio läuft, wo vorher bis zu 100 Menschen im Publikum sassen. Das gewisse Etwas fehlt. Vor jeder Sendung wünsche ich mir, dass der Tag kommt, an dem wieder Gäste auf den Bänken sitzen.
Gibt es einen «Arena»-Moment, der Ihnen geblieben ist?
Die beiden «Arena»-Sendungen zur Rassismus-Debatte haben uns sicherlich am meisten durchgeschüttelt und weitergebracht. Die Erwartungen an die zweite Sendung waren enorm. Da habe ich einen gewaltigen Druck gespürt. Die Unzufriedenheit war gross – auch bei mir – und wir wollten es besser machen. Ein anderer Moment, der mir geblieben ist, war das Gespräch mit Martin Balmer. Als Leiter der Intensivpflege im Kantonsspital Aarau haben wir ihn direkt aus der Covid-Station hinzugeschaltet. Und er schilderte uns die Zustände dort. Das ist mir durch Mark und Bein. Nach seinem Statement wusste ich einige Sekunden nicht wirklich, wie die Studio-Diskussion weitergehen soll.
Sie kriegen immer wieder den Vorwurf, dass Sie zu extreme Gäste einladen, mit denen man gar nicht diskutieren kann. Mögen Sie es, wenn es ab und zu etwas knallt?
Es braucht beides: Unstimmigkeiten und Konsens. Es ist ja auch eine Arena. Sie lebt nun Mal auch davon, dass verschiedene Meinungen aufeinander prallen. Für mich stimmt die Sendung, wenn es von allem etwas hat. Wenn man sich reibt, aber wenn man als Zuschauende auch spürt, dass sich die Politiker nicht aufs Blut bekämpfen. Das machen sie nämlich nicht. Da ist auch immer etwas Show dabei.
Das heisst, viele Politikerinnen und Politiker sind vor der Kamera ganz andere Menschen als dahinter?
Ich erlebe es nicht so, dass sich viele Politikerinnen und Politiker verstellen. Am meisten fällt es aber bei den Bundesrätinnen und Räten auf. Sie halten sich sehr an das Kollegalitäts- und Konkordanzprinzip. Im kleineren Kreis, hinter der Kamera, fällt dann und wann auch mal ein lockerer Spruch. Oder wir unterhalten uns übers Kochen oder Netflix-Serien.
Wo ist Sandro Brotz in drei Jahren?
Ich habe keine Glaskugel und das ist auch gut so. Mit der Arena bin ich aber sicher noch lange nicht fertig. Es gibt noch einiges zu tun.
Und wann hören wir wieder auf Twitter, Instagram und Co. von Ihnen?
Die Apps sind noch alle da und nicht gelöscht. Ich komme wieder (schmunzelt). Aber vorher muss ich mir Gedanken darüber machen, wie ich welche Plattformen nutzen will. Mir ist bewusst, dass der Übergang von mir als Person zu meiner Funktion als Moderator fliessend ist. Bis ich mir im Klaren bin, was ich will, werde ich mich mit persönlichen Statements zurücknehmen. «Arena»-Themen, Gästenamen und Eklärvideos werde ich aber weiterhin posten.
Wer von der Weltwoche, bzw. von Herrn Köppel, angegriffen wird, hat wahrscheinlich fast Alles richtig gemacht.