Schweiz
Justiz

Mann verbringt wegen Missverständnis 16 Tage in Zürcher Gefängnis

Strafbefehl falsch ausgestellt: Mann 16 Tage zu Unrecht in Zürcher Knast

04.07.2019, 12:0005.07.2019, 16:59
Mehr «Schweiz»
Justizirrtümer gibt es auch in der Schweiz. Die Organisation Projet Innocence Suisse bietet möglichen Opfern von Fehlurteilen ihre Unterstützung an. (Symbolbild)
Bild: KEYSTONE

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat dem Amt für Justizvollzug (AJV) fälschlicherweise mitgeteilt, der Strafbefehl gegen einen Mann sei rechtskräftig. Dieser sass deshalb 16 Tage im Gefängnis. Vor Bundesgericht verlangte der Mann vergeblich eine höhere Genugtuung.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft sprach den Polen Ende April 2018 des mehrfachen Diebstahls schuldig und bestrafte ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 90 Tagen. Gegen diesen Strafbefehl legte der Betroffene Einsprache ein.

Um die Strafe zu vollziehen, schrieb das AJV den Mann zur Verhaftung aus. Er wurde im September verhaftet, aber später wieder auf freien Fuss gesetzt. Gute zwei Wochen danach stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein und sprach dem Mann eine Genugtuung von 1600 Franken zu - jeweils 100 Franken pro Hafttag.

Das Zürcher Obergericht hiess eine Beschwerde des Mannes gegen diesen Entscheid teilweise gut. Es erhöhte die Genugtuung auf 2560 Franken, was 160 Franken pro Tag entspricht. Es begründete seinen Entscheid damit, dass gemäss der bundesgerichtlicher Rechtsprechung zwar von einer Genugtuung von 200 Franken pro Tag auszugehen sei.

Bei aussergewöhnlichen Verhältnissen, könne dieser Betrag gegen oben oder unten angepasst werden. In diesem Fall kam das Obergericht zum Schluss, dass die Kaufkraft in Polen rund 60 Prozent tiefer liege und das durchschnittliche Lohnniveau nur rund einen Fünftel des schweizerischen betrage. Deshalb betrachtete es einen Satz von 160 Franken als gerechtfertigt.

Das Bundesgericht stützt diesen Entscheid in einem am Donnerstag publizierten Urteil. Es hält fest, dass die Vorinstanz ihr Ermessen nicht überschritten habe, auch wenn die Umstände der Inhaftierung «besonders bedauerlich» gewesen seien.

(Urteil 6B_531/2019 vom 20.06.2019) (aeg/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Unschuldig Verurteilter nach 29 Jahren entlastet
1 / 12
Unschuldig Verurteilter nach 29 Jahren entlastet
Es wird angenommen, dass das angebliche Geständnis der beiden Verurteilten, McCallum und William Stuckey, unter Zwang zustande gekommen ist.
quelle: x90143 / brendan mcdermid
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Weggesperrt ohne Gerichtsurteil
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Fritz Spitz
04.07.2019 12:25registriert Juli 2014
Lächerlich dieser Betrag. Nichts für die Entschädigung der Erwerbstätigkeit?
13121
Melden
Zum Kommentar
avatar
malu 64
04.07.2019 12:57registriert September 2014
Der arme Kerl hatte ja schließlich 16 Tage keine Möglichkeit etwas zu verdienen!
547
Melden
Zum Kommentar
7
Frau im Kanton Solothurn zahlt grosse Summen an Online-Betrüger – aus Liebe

Eine Frau aus dem Kanton Solothurn ist Opfer eines Online-Betrugs geworden. Die nur online bekannte, «grosse Liebe» der Frau täuschte eine Notsituation vor, worauf die Frau insgesamt mehrere 10'000 Franken überwies, wie die Kantonspolizei Solothurn am Mittwoch mitteilte.

Zur Story