Sein Leben verläuft nicht rund. Der 32-jährige Kosovare hangelt sich von einem Temporärjob zum anderen, bezieht Sozialhilfe und ist verschuldet. Eine Lehre hat er nicht absolviert, psychisch ist er angeschlagen, seine Intelligenz eingeschränkt.
Gemäss einem psychiatrischen Bericht bekundet er massiv Mühe beim Lesen, Textverständnis und Rechnen. Ein IQ-Test ergab, dass sein Entwicklungsstand dem eines 9- bis 12-jährigen Kindes entspricht. Der Mann kann seine finanziellen Angelegenheiten er nicht selber regeln, ein Beistand kümmert sich darum.
In einem ersten Anlauf verweigerte ihm die IV eine Rente. Mit seiner Lebenspartnerin, einer Coiffeuse aus Österreich, hat er zwei Kinder. Das jüngere leidet an einem Herzfehler und Trisomie 21.
Das ist noch nicht alles. Der Kosovare, der mit sieben Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz kam, wurde mehrfach strafrechtlich verurteilt, auch wegen Delikten gegen Leib und Leben. Die schärfste Sanktion sprach im April 2014 das Basler Appellationsgericht aus. Es verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Angriffs respektive Gefährdung des Lebens und der Gesundheit.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er zusammen mit Kollegen im Oktober 2012 in Basel auf eine Gruppe anderer Männer losging. Ein Opfer erlitt mehrere Unterkieferbrüche, einen Schädelbruch und ein Schädelhirntrauma. Ohne sofortige ärztliche Hilfe wäre es gestorben. Der Kosovare bestritt, sich an der Attacke beteiligt zu haben. Das Bundesgericht wies aber seine Beschwerde gegen das Urteil ab.
Das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft entzog dem Kosovaren im August 2015 die Niederlassungsbewilligung. Er erreichte eine aufschiebende Wirkung, doch das Baselbieter Kantonsgericht bestätigte im vergangenen Juli die Ausschaffung des Kosovaren.
In einem Urteil vom 27. Mai hat das Bundesgericht die Ausschaffung des Manns annulliert und zwar mit einer interessanten Begründung: «Mit einem Intelligenzalter von 9 bis 12 Jahren dürfte es ihm schwerfallen, sich in der Heimat allein zurechtzufinden und sich eine neue Existenz aufzubauen.» Mit anderen Worten: Der Mann ist zu wenig klug, als dass er das Leben im Kosovo meistern könnte.
Dass ein zu tiefer Intelligenzquotient einen Ausländer vor einer Wegweisung bewahrt, dürfte ein Novum sein. Weder der Vereinigung der kantonalen Migrationsämter noch dem Staatssekretariat für Migration (SEM) sind ähnlich gelagerte Fälle bekannt.
Das SEM hält aber fest, dass Personen mit geistiger oder körperlicher Behinderung grundsätzlich als besonders verletzlich gelten. In solchen Fällen sind die Hürden für eine Ausschaffung höher. Das Bundesgericht rügt das Baselbieter Kantonsgericht, es habe zu wenig genau geprüft, ob für den Mann im Kosovo tatsächlich über ein soziales Netzwerk bereitstehe, das sich um ihn kümmern könnte. Zudem verfüge er nur über bescheidene mündliche Albanischkenntnisse.
Solange die Baselbieter Behörden die Folgen der Abschiebung mit Hilfe des Kosovaren nicht abgeklärt hätten, sei eine faire Beurteilung des Wegweisungsentscheides nicht möglich. Das Kantonsgericht muss auf Geheiss aus Lausanne auch die Partnerin des Mannes anhören. Letztlich geht es um die Frage, ob das Recht auf Familienleben höher zu gewichten ist als das Interesse der Gesellschaft, einen mehrfach straffällig gewordenen Ausländer auszuschaffen.
Das Kantonsgericht argumentierte, die Art der Straftaten sei je länger je gravierender geworden. Die Rückfallgefahr sei erheblich. Der Kosovare stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Selbst nach dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung habe er weiter delinquiert.
In der Tat kassierte er im April 2017 einen Strafbefehl, weil er mit dem Auto mit 117 km/h anstatt der erlaubten 80 unterwegs war. Schliesslich könnten ihn seine Familienangehörigen im Kosovo besuchen – und via Skype mit ihm kommunizieren.
Im Sommer 2017 weilte der Mann im Kosovo. Seine in der Schweiz lebenden Familienangehörigen nahmen ihn aber gemäss seiner Anwältin nur mit, weil er nicht selbstständig leben könne. Wegen seiner Platzangst und Panikstörung könne man ihn aus Sicherheitsgründen nicht allein daheim lassen.