Es ist ein Monsterdossier. Der Fall Petrobras ist nicht einfach ein Verfahren, es ist «ein Verfahrenskomplex», wie die Bundesanwaltschaft selbst es nennt. Mit umfangreicher Rechtshilfe, vielen Beschwerdeverfahren, Heerscharen von Anwälten auf der Gegenseite.
Vermögenswerte von rund 800 Millionen US-Dollar wurden im Fall Petrobras gemäss Mitteilung der Bundesanwaltschaft vom März 2016 in der Schweiz gesperrt. Bestechungsgelder, die sich Kadermitglieder des halbstaatlichen brasilianischen Ölkonzerns zahlen liessen. Das Schmiergeld wurde in grossem Stil in der Schweiz deponiert.
60 Strafuntersuchungen seien seit April 2014 wegen Verdacht auf qualifizierte Geldwäscherei und oft auch wegen Verdacht auf Bestechung fremder Amtsträger eröffnet worden. Über 1000 Bankbeziehungen bei über 40 Banken wurden durchleuchtet. Die Schweiz macht internationale Schlagzeilen, erntet international Lob für ihren diesmal engagierten Kampf gegen Korruption.
Aber jetzt schmeisst ausgerechnet der wichtigste Schweizer Strafverfolger im Fall Petrobras den Bettel hin: Stefan Lenz, langjähriger Staatsanwalt des Bundes, hat seine Stelle auf Ende Dezember gekündigt. Lenz gilt als «Hirn» der Schweizer Ermittlungen in dieser Korruptionsaffäre, die Brasilien erschüttert und Politiker bis hinauf zu Ex-Präsident Lula da Silva in den Knast bringen könnte.
Lenz geht nicht, weil er eine andere Stelle hätte. Er geht aus Protest gegen den Umgang mit dem Personal in der Bundesanwaltschaft. Ausgerechnet er ist einer jener Staatsanwälte, die von Bundesanwalt Michael Lauber um zwei Lohnklassen zurückgestuft worden sind. Ums Geld geht es Lenz nicht, hat er doch als über 55-Jähriger eine Besitzstandsgarantie.
Die «Nordwestschweiz» hat Kenntnis vom gepfefferten Kündigungsschreiben, das bei Juristen derzeit Wellen wirft. Im Schreiben an Bundesanwalt Michael Lauber schreibt Lenz, dass er die «grundsätzliche Rückstufung» der Staatsanwälte, der Assistenzstaatsanwälte und der Verfahrensassistenz weder für angezeigt noch nachvollziehbar» halte. Das habe zusammen mit teilweise «bis heute fehlenden Umsetzungsstrategien» zu «viel Unruhe, schlechter Stimmung und bereits zahlreichen Abgängen geführt», moniert Lenz.
Für ihn zeugen «die generellen Rückstufungen insgesamt von fehlendem Interesse und damit auch einer fehlenden Auseinandersetzung mit der konkreten Beanspruchung der Verfahrensleiter und deren Teams in grösseren Fallkomplexen». Verfahren, wie sie vor allem im Bereich Wirtschaftskriminalität «gegen den Widerstand namhaftester Verteidiger» durchgeführt würden.
Lenz stellt fest, dass Staatsanwälte schon heute massiv weniger verdienen als die oft «horrende Stundenansätze» verrechnenden Verteidiger. Das gehe für ihn so lange in Ordnung, als er «Gewissheit habe, mit Gleichgesinnten auf der ‹richtigen Seite› für die ‹richtige Sache› zu kämpfen», so Lenz. Dazu gehöre aber auch ein «Mindestmass an Anerkennung und Wertschätzung meiner Tätigkeiten durch Vorgesetzte und Geschäftsleitung».
Er ortet aber «Geringschätzung» der Arbeit der Verfahrensleiter. Insgesamt führe das Vorgehen der Behördenspitze zu «wachsendem Ungleichgewicht zwischen der Fach- und Sachkompetenz von Strafverfolgern und Strafverteidigern», warnt Lenz.
Wie andere Angestellte kritisiert auch Lenz die «willkürliche» Vergabe von «Sonderpöstchen» an gewisse Leute, die man halten oder neu anstellen wolle. Lenz selbst, der derzeit anscheinend im Ausland weilt, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Von der Bundesanwaltschaft ging gestern bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme auf diverse Fragen ein. So würde interessieren, wie viele Abgänge es zuletzt sonst noch gab. Und wie die Behörde auf Lenz’ Abgang und den Know-how-Verlust im Fall Petrobras reagiert. Zuletzt hatte sie vermehrt auf das Engagement von externen Anwälten auf Mandatsbasis gesetzt.