Das Zürcher Obergericht hat die Landesverweisung für einen Eritreer bestätigt, der im Mai 2021 eine Frau vor einen einfahrenden Zug gestossen hatte. Das Gericht bezeichnete die Tat im Zürcher Hauptbahnhof am Mittwoch als Gefährdung des Lebens.
Der psychisch angeschlagene Beschuldigte bleibt in einer psychiatrischen Klinik. Die verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren wird zugunsten der stationären Massnahme aufgeschoben. Im Vergleich zur Vorinstanz reduziert sich die Strafe um ein Jahr und zehn Monate.
Das erklärt sich damit, dass das Obergericht nicht von versuchter vorsätzlicher Tötung ausgeht, sondern von Gefährdung des Lebens. Es sei nicht beweisbar, dass er die ihm unbekannte Frau töten wollte. Er habe selber nicht erklären können, was mit ihm los war. «Wir können auch nicht beweisen, ob er den einfahrenden Zug bemerkt hat», sagte der Richter. Am HB sei sehr viel los, viele Geräusche von allen Seiten.
Der Zug sei zwar nicht mehr schnell gefahren. Aber wenn jemand auf den Gleisen liege, werde die Person auch bei tiefem Tempo eines Zuges wohl tödliche Verletzungen erleiden. Dass nichts passiert ist, sei Glück, hielt der Richter fest. Die Frau konnte nach wenigen Sekunden mithilfe von Passanten wieder hochklettern.
Der wichtigste Punkt für die Berufung des Eritreers gegen das Urteil der Vorinstanz, die Landesverweisung, bleibt bestehen. Das Gericht reduzierte sie aber von acht auf sechs Jahre. Noch während der Urteilsverkündung wollte der 30-Jährige wissen, ob er bald gehen müsse.
Gefährdung des Lebens ist eine Katalogtat. Nur bei Härtefällen kann von der Landesverweisung abgesehen werden. Der 30-Jährige sei kein Härtefall, stellte der Richter klar. Er sei nicht in der Schweiz aufgewachsen, spreche die Sprache kaum, ein Grossteil der Familie lebe in Eritrea.
Seine Schizophrenie könnte in Eritrea behandelt werden, auch wenn der Standard nicht der gleiche wäre. Ob er zurückgeschickt werden kann, müsse letztlich das Migrationsamt entscheiden, sagte der Richter. Der Mann sei zwar anerkannter Flüchtling, eine Wegweisung könne aber bei schweren Taten ausgesprochen werden.
An der Verhandlung vor einer Woche sagte der 30-Jährige, dass er in Eritrea als Kindersoldat eingezogen worden sei und Folter erlebt habe. Er sei desertiert und illegal ausgewandert.
Die geschilderten Erlebnisse wollten die Richter nicht bestreiten. Jedoch könnten Deserteure und irregulär Ausgewanderte wieder zurückkehren. Sie müssten vor Ort eine Steuer zahlen und ein Entschuldigungsschreiben abgeben.
Das Bundesgericht habe jüngst mehrfach in diesem Sinne für Landesverweisungen von Eritreern entschieden. Für einen Oppositionsführer, dem schwere Repressalien drohten, hielten die Richter den Mann nicht. Die vorgebrachte Teilnahme an zwei Demonstrationen in der Schweiz sei nicht ausreichend.
Neben den vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilte das Gericht den Beschuldigten auch zu einer Geldstrafe von 120 mal 10 Franken und einer Busse von 300 Franken. Unter anderem hatte er ein Feuer in seinem Zimmer verursacht, Polizisten angepöbelt und einen Gottesdienst gestört.
Gegen den Entscheid kann noch Berufung am Bundesgericht angemeldet werden. (sda)
Bis er wieder in Freiheit kann , hat man hoffentlich eine Lösung für seine Abschiebung.