Pfarrer Josef Karber erscheint in einem weissen Kollarhemd vor Gericht und spricht in einem feierlichen Ton, als würde er eine Predigt halten. Als ihm sein Anwalt die Mappe mit den Rechtsschriften reicht, winkt er ab. Er braucht sie nicht. Denn er hat nicht vor, mit Gesetzestexten zu argumentieren, sondern mit der Bibel.
Einvernahme zur Person: Karber, 59, katholischer Pfarrer, deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft in Zürich, Leiter der Pfarrei Liebfrauen seit zwölf Jahren. Kaufmännische Ausbildung, Matur auf dem zweiten Bildungsweg, Theologiestudium in Deutschland. Erste Arbeitsstelle in der Schweiz als Pastoralassistent in Buchs SG, Priesterweihe im Jahr 2000, dann Pfarrer in Obertoggenburg, 2007 Wechsel nach Zürich. Vorstrafen: keine. Resultat der polizeilichen Einvernahme: geständig.
Andächtig lauschen die Anhänger des Pfarrers der Verhandlung. Das Klappern der Tastatur der Gerichtsschreiberin unterbricht die Stille zwischen den Worten.
Der Pfarrer steht vor Gericht, weil er einer Armenierin von 2011 bis 2018 die Notwohnung der Kirche zur Verfügung gestellt hat. Illegal. Denn die Frau hatte keine Aufenthaltsbewilligung. Sie hatte ihn in einer Sprechstunde im Pfarrhaus um Hilfe gebeten, weil sie an Krebs und unter häuslicher Gewalt litt.
Frage des Richters: «Haben Sie nach ihrem Aufenthaltsstatus gefragt?» Antwort des Pfarrers: «Ich habe nicht nach dem Status gefragt. Ich habe einen Menschen gesehen, der Hilfe braucht.»
Frage des Richters: «Haben Sie gegen einen Straftatbestand verstossen?» Antwort des Pfarrers: «Ja, ich bin dem Gesetzestext nicht ganz treu geblieben. Aber die Liebe steht in der Mitte und nicht der Buchstabe.»
Bei seiner Priesterweihe habe er sich verpflichtet, die Armen und Kranken zu unterstützen. Hätte er der Frau nicht geholfen, dann wäre sie heute tot, sagt er.Der Angeklagte hat das letzte Wort. Er wählt ein Bibelzitat.
In der Urteilsverkündung bittet der Richter den Pfarrer um Verständnis: «Ich als Richter bin bloss der Hüter der weltlichen Gesetze.» Und er zeigt Verständnis für den Pfarrer, aber er sagt: «Man kann sich auch aus Liebe strafbar machen.»
Der Pfarrer könne sich nicht auf den Standpunkt stellen, in einer Notsituation gehandelt zu haben, urteilt der Richter. Die Frau habe ärztliche Hilfe benötigt. Die Unterbringung in der Wohnung stelle keine Rettungshandlung dar. Der Pfarrer hätte legal helfen können: Er hätte sie unterstützen können, ein Asylgesuch zu stellen.
Der Pfarrer könne sich zudem auch nicht auf Kirchenasyl berufen. Denn die Kirche definiert dieses anders: Damit kein rechtsfreier Raum entsteht, muss ein Pfarrer den Behörden eine Meldung erstatten. Das hat Karber nicht getan. Er dreht das Argument um. Die Polizei habe weggeschaut und die Notwohnung bewusst nicht kontrolliert, weil sie Verständnis für das kirchliche Hilfsangebot gehabt habe.
Der Richter zum Pfarrer: «Es kann sein, dass Sie ein Opfer erbringen wie ein Märtyrer. In einem grösseren Zeitraum sieht man Ihre Tat vielleicht in einem anderen Licht.» Doch heute gelte: «Es kann nicht angehen, dass sich ein Vertreter der Kirche oder einer anderen Organisation über das Gesetz stellt.» In seinem Schlusswort sagt der Richter: «Danke für Ihr Engagement.»
Der Richter kommt dem Pfarrer so weit entgegen, wie er es für möglich hält. Er reduziert die von der Staatsanwaltschaft verfügte Geldstrafe von 6400 auf 5250 Franken und streicht eine Busse. Zahlen muss der Pfarrer nur, wenn er rückfällig wird.
Der Richter attestiert ihm eine günstige Prognose. Ob zurecht, bleibt dahingestellt: Der Pfarrer sagt nach dem Urteil, er würde wieder so handeln. Seine Unterstützer ermutigen ihn zu einer Beschwerde.
Zumindest für die Armenierin hat die Geschichte ein Happy End: Sie lebt noch immer in der Wohnung der Kirche – seit Anfang Jahr mit einer Aufenthaltsbewilligung. (bzbasel.ch)
Danke auch von mir Herr Pfarrer.
Seine Unterstützer sollen eher ein Crowdfunding organisieren, statt ihn zu einer Beschwerde zu ermutigen...