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Pädophiler wird trotz geringer Therapiefähigkeit nicht verwahrt

Pädophiler wird trotz geringer Therapiefähigkeit nicht verwahrt

04.04.2022, 12:0004.04.2022, 11:47
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BITTE BEACHTEN SIE DIE SPERRFRIST BIS 30. 03. 2022,17:30 --- Ein Teilnehmer des Testbetriebs sitzt im Gefaengnishof im Polizei- und Justizzentrum Zuerich (PJZ) waehrend des Testbetriebs des Gefaengnis ...
Bild: keystone

Ein mehrfach verurteilter Pädophiler wird nicht verwahrt. Dies hat das Bundesgericht entschieden und die Anordnung einer weiteren stationären therapeutischen Massnahme bestätigt. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft verlangte die Verwahrung des Mannes.

Der Verurteilte wird seit rund 20 Jahren wegen seiner psychischen Störung therapiert. Im April 2018 hoben die Bewährungs- und Vollziehungsdienste des Kantons Zürich (BVD) die stationäre Massnahme des Mannes in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies auf, weil sie aussichtslos war. Sie leiteten ein Nachverfahren für eine nachträgliche Verwahrung ein.

Das Bundesgericht stützt in einem am Montag veröffentlichten Urteil die Sicht des Zürcher Obergerichts, wonach der Mann «noch knapp» als therapierbar gelte. Der Betroffene hatte sich lange gegen eine antihormonale Therapie ausgesprochen und erst in der persönlichen Befragung durch das Obergericht zu einer solchen bereit erklärt, wie aus dem Urteil der Lausanner Richter hervor geht.

Die Zürcher Oberstaatsanwalt erblickt darin lediglich ein taktisches Manöver des Verurteilten, um einer Verwahrung zu entgehen. Das Obergericht sah darin hingegen den Beginn einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einer antihormonalen Behandlung. Dass dies unter dem Druck der drohenden Verwahrung geschah, schloss das Gericht nicht aus.

Fehlender Nachweis

Für diese Therapieform fehle laut Bundesgericht zwar der wissenschaftliche Nachweis, wie ein Sachverständiger ausgesagt habe. Jedoch liege dies unter daran, dass die Ergebnisse nicht in qualitativ guten Studien überprüft worden seien.

Entscheidend ist für das Bundesgericht hingegen, dass in einer Gesamtschau die Therapiefähigkeit des Verurteilten mit einer antihormonalen Behandlung möglicherweise als gegeben zu bezeichnen sei. Wenn in den nächsten fünf Jahren die Gefahr weiterer Straftaten im Zusammenhang mit der psychischen Störung nicht gesenkt werden könne, stelle sich die erneut die Frage der Verwahrung.

Blonde Locke abgeschnitten

Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Mann wurde 1999 wegen mehrfacher, teilweise versuchter sexuellen Handlungen mit Kindern und der mehrfachen, teilweise versuchten Schändung zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Vollzug wurde aufgeschoben und eine Verwahrung gemäss altem Recht ausgesprochen.

Diese Verwahrung wurde 2008 in eine stationäre therapeutische Massnahme umgewandelt und jeweils um fünf Jahre verlängert. Ab April 2017 wurden Lockerungsschritte im Vollzug vorgenommen. Im August 2017 wurde der Mann vom Arbeitsexternat wieder in den geschlossenen Massnahmenvollzug zurückversetzt.

Dem war ein Vorkommnis mit einem Mädchen am Stadtfest in Baden AG vorangegangen. Dieses war mit einem Trottinett in den Verurteilten gefahren, so dass sein Handy zu Boden fiel und mutmasslich Schaden nahm. Er verlangte die Telefonnummer des Vaters, worauf das zwischen 12 und 14 Jahre alte Mädchen zu weinen begann. Er tröstete es und nahm die Telefonnummer der Mutter entgegen. Das Handy war funktionsfähig und der Mann warf die Nummer weg.

Als es in den geschlossenen Massnahmenvollzug versetzt wurde, fanden die Pöschwis-Mitarbeiter in einer Hosentasche einen Plastikbeutel mit einer blonden Haarsträhne. Diese will der Mann einer jungen Frau im Tram abgeschnitten haben. (Urteil 6B_1093/2021 vom 17.3.2022) (aeg/sda)

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kommissar Rizzo
04.04.2022 12:50registriert Mai 2021
Die Details sind mir zwar nicht bekannt, aber mir scheint es auch ein taktisches Manöver des Verurteilten zu sein. Mehrfach verurteilt und stimmt der Therapie erst zu, um einer Verwahrung zu entgehen. Unglaubwürdig!
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Pafeld
04.04.2022 12:31registriert August 2014
Es wäre vielleicht noch wichtig zu erwähnen, wie denn der weitere Vollzug jetzt aussieht. So wie sich der Artikel aktuell liest, könnte man meinen, dass er demnächst komplett auf freiem Fuss ist.
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3klang
04.04.2022 15:55registriert Juli 2017
Ich bin jetzt mal ein bisschen ketzerisch...
Wenn ein Therapeut die Aussicht auf eine langjährige Einnahmequelle sicherstellen möchte aber nicht allzu grosse Hoffnung auf Erfolg hat, stuft er die Erfolgschancen auf "noch knapp" gegeben ein. So kann dauerhaft ohne Druck auf Erfolg therapiert werden.

Ich kann mir einfach nur sehr schwer vorstellen, dass wenn 20 Jahre an jemandem herumtherapiert wurde, dass dann noch allzu grosse Hoffnung auf Veränderung besteht. Verwahrung scheint hier für alle das Beste zu sein.
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