Die Elternzeit hat in der Schweiz einen schweren Stand. Vielleicht auch, weil bis anhin stets sehr grosszügige Modelle diskutiert wurden. Da war etwa der Vorschlag der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen, welche eine Elternzeit von 38 Wochen fordert. Oder der Vorstoss von GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy, die nach der Geburt eines Kindes beiden Elternteilen je 14 Wochen bezahlte Elternzeit zugestehen will.
Zum Vergleich: Heute beträgt der «Urlaub» für die Mütter 14 Wochen, Väter erhalten seit Anfang 2021 zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub.
Welches Elternzeitmodell sich die Schweizer Bevölkerung wünscht, zeigt nun eine neue Studie, die das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Jungen Mitte durchgeführt hat. Die Studie zeigt: 57 Prozent der Befragten befürworten einen Ausbau des bezahlten Elternurlaubs. Dabei soll vor allem der Anteil der Väter an der bezahlten Elternzeit zunehmen. Laut den über 2000 befragten Personen sollen Mütter künftig während 16 Wochen Anrecht auf Urlaub haben, Väter während 8 Wochen.
Wie das finanziert werden soll, ist weniger eindeutig. In der Studie gaben die Befragten an, dass einerseits der Staat einen Beitrag leisten sollte. Andererseits müssten auch Erwerbstätige und die Unternehmen einen möglichen Ausbau der Elternzeit mitfinanzieren. Zudem sehen viele der Befragten eine Möglichkeit, die Überschüsse der Schweizerischen Nationalbank für die Finanzierung der Elternzeit zu verwenden.
Projektleiterin Sarah Bütikofer von Sotomo weist auf eine aus ihrer Sicht wichtige Erkenntnis hin: «Entscheidend für die individuelle Einstellung sind die Werthaltungen, nicht die Kosten.» Heisst: Je traditioneller und wertkonservativer die Vorstellungen in Bezug auf Familien oder Geschlechterrollen, desto kritischer stehen die Befragten einem Ausbau der Elternzeit gegenüber.
Die Erkenntnisse der Studie nimmt die Junge Mitte nun zum Anlass, mittels Standesinitiativen auf die Einführung einer nationalen Elternzeit hinzuwirken. Diese soll «angemessen und wirtschaftsfreundlich» sein, wie der Präsident der Jungpartei, Marc Rüdisüli, am Dienstag vor den Medien ausführte. «Eine nationale Elternzeit verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, wirkt sich positiv auf die Entwicklung des Kindes aus und ist gleichzeitig volkswirtschaftlich sinnvoll», sagt Rüdisüli.
Wie genau diese Elternzeit ausgestaltet werden soll, will die Junge Mitte dem Parlament überlassen. Mit den Standesinitiativen, welche die Partei in den nächsten Wochen in verschiedenen Kantonen einreichen wird, soll der Gesetzgeber aufgefordert werden, «verschiedene Lösungen in Bezug auf ihre Chancen, Machbarkeit und Kosten zu prüfen und eine mehrheitsfähige Lösung zu finden». Einen ähnlichen Auftrag hat auch bereits der Nationalrat dem Bundesrat erteilt.
Ganz freie Hand will die Junge Mitte dem Parlament allerdings nicht lassen. Konkret hat die Jungpartei vier Kriterien definiert, die National- und Ständerat berücksichtigen sollen:
Dass das Thema auf der politischen Agenda angekommen ist und in den kommenden Jahren weiter für Diskussionen sorgen wird, zeigen auch die Abstimmungen in den Kantonen. Vor einem Jahr lehnte es die Zürcher Stimmbevölkerung ab, eine kantonale Elternzeit von je 18 Wochen für beide Elternteile einzuführen. Und im Juni befinden die Bernerinnen und Berner darüber, ob Eltern zusätzlich zu den 14 Wochen Mutterschafts- und 2 Wochen Vaterschaftsurlaub in den Genuss einer bezahlten Elternzeit von 24 Wochen kommen sollen.
Obschon es sich bei den kantonalen Vorlagen um ziemlich grosszügige Modelle handelt, ist schon jetzt klar: Auch ein moderater Ausbau der Elternzeit dürfte kein Selbstläufer werden.
Das große Problem ist, dass unser System den Wiedereinstieg und Teilzeitarbeit nach der Geburt erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.