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Schweiz: 13 Mythen und Fakten zur Hitze im Check

Brauchen wir wegen der Wärme weniger Schlaf? 13 Mythen und Fakten zur Megahitze

Wir stecken mitten in der ersten Hitzewelle des Jahres. Die einen freut's, die anderen leiden. Schlafforscher, Lebensretter und Notärztinnen sagen, was die Hitze mit unserem Körper macht.
21.06.2022, 05:3921.06.2022, 09:49
Bruno Knellwolf / ch media
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Nach dem Essen darf man zwei Stunden nicht ins Wasser.

Nein, diese alte Baderegel gilt nicht mehr, sagt Reto Abächerli, Geschäftsführer der Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG). Neu gilt die Regel: «Nie alkoholisiert oder unter Drogen ins Wasser! - Nie mit vollem oder ganz leerem Magen schwimmen.»

epa10020546 A woman jumps into lake Geneva as a heat wave reaches the country, in Saint-Saphorin, Switzerland, 18 June 2022. EPA/VALENTIN FLAURAUD
Die Zwei-Stunden-Regen vor dem Baden ist nicht mehr aktuell.Bild: keystone

Auch wenn die zwei Stunden nun nicht mehr gelten, ist es doch so, dass der Körper nach dem Essen vermehrt Energie für die Verdauung benötigt. Aus diesem Grund fühlt man sich nach einem üppigen Essen oft müde und träge. «Durch die verminderte Durchblutung des Gehirns können sportliche Betätigungen kurz nach einer Mahlzeit zu Schwindel und Übelkeit führen», sagt Abächerli.

«Schlimmstenfalls wird man im Wasser ohnmächtig und ertrinkt lautlos.»

Umgekehrt sollte man nicht mit komplett leerem Magen schwimmen, da eine Unterzuckerung im Wasser einen «Hungerast» zur Folge haben kann.

Klimaschocks sind schlimm, also nicht überhitzt ins kalte Wasser springen.

Das stimmt. «Nie überhitzt ins Wasser springen! Der Körper braucht Anpassungszeit», lautet eine Baderegel. «Wenn man überhitzt ins kühle Wasser springt, entsteht aufgrund des Temperaturunterschiedes zwischen der Luft und dem Wasser für den Körper eine Stresssituation», sagt Abächerli. Nicht jeder Körper reagiert allerdings gleich darauf. Was bei einem überhitzen Sprung ins Wasser auftreten kann, sind muskuläre Reaktionen wie Muskelkrämpfe und/oder Kreislaufprobleme. Da sich die Adern schlagartig verengen, kann das Blut nicht mehr richtig zirkulieren. Dies führt im schlimmsten Fall zu einem Kälteschock bis hin zur Ohnmacht oder einem Herzinfarkt.

Vorbeugend sorgt eine Dusche vor dem Gang ins Wasser für die entsprechende Abkühlung. Sonst langsam ins Wasser gehen, die Arme abwechselnd eintauchen und Gesicht und Oberkörper mit dem kühlen Wasser befeuchten, bevor man ganz untertaucht.

A man jumps into Lake Geneva in Saint-Saphorin, Switzerland, Saturday, June 18, 2022. People flocked to parks and pools across Western Europe on Saturday for a bit of respite from an early heat wave t ...
Bevor man ins Wasser springt, sollte man sich abkühlen.Bild: keystone

Wer schnell in stark gekühlte Räume wechselt, schadet seiner Gesundheit.

Nein. «Um im Sommer die Körpertemperatur auszugleichen, muss der Körper kühlen», sagt Elke Schmid, Chefärztin in der Zentralen Notaufnahme des Kantonsspitals St.Gallen. Das tut der Körper, indem er, durch eine vermehrte Durchblutung der Haut, Wärme vom Körperinneren nach aussen abtransportiert. Wir produzieren Schweiss, dieser Film auf der Haut hat ebenfalls eine kühlende Wirkung. Wenn wir nun in eine stark abgekühlte Umgebung kommen, wird der Organismus versuchen, seine Kerntemperatur von 37°C konstant zu halten, und fährt zu diesem Zweck die Hautdurchblutung herunter. «Durch den bestehenden Schweissfilm auf der Haut empfinden wir diese Raumtemperatur als kühler», sagt die Notärztin. Ein Klimaschock ist das nicht. Den kann es geben, wie oben genannt, beim Eintauchen eines erhitzten Körpers in kaltes Wasser.

Im Sommer braucht man weniger Schlaf als im Winter.

Ja. «In unseren Breitengraden geben in Umfragen tatsächlich viele Leute an, im Sommer weniger zu schlafen als im Winter», sagt der Schlafforscher Christian Cajochen von der Universität Basel. Im Durchschnitt sind es etwa 20 Minuten weniger. Dafür gibt es nach Cajochen viele Gründe: mehr Tageslicht abends und morgens, mehr soziale Anlässe, die abends länger dauern, ein mediterranes Leben. Dabei gebe es mehr vom Glückshormon Serotonin und anderen Aktivierungen. «Und damit weniger «Winterblues», der mit Hypersomnien, also viel Tagesschlaf verbunden ist», sagt Cajochen. Für gesunde Menschen ist der kürzere Schlaf im Sommer kein Problem. Im Sommer hätten die Menschen mehr Ferien und somit mehr Zeit für ein Nickerchen und Schlafkompensation am Tag.

People sunbathing on a beach in Barcelona, Spain, Sunday, June 19, 2022. Temperatures in Western Europe rose above 40 Cs (104 F) in France and Spain, and highs of 38 C (100.4 F) in Germany and 36 C in ...
Im Sommer braucht man tatsächlich weniger Schlaf als im Winter.Bild: keystone

In solch heissen Nächten ist ein normaler Schlaf nicht möglich.

Stimmt. In unseren Breitengraden sind wir Tropennächte nicht gewohnt. «Unsere Temperaturregulation kommt regelrecht ins Schwitzen auch nachts», sagt der Schlafforscher Christian Cajochen. Für einen guten Schlaf muss der Körper aber in einem möglichst idealen Temperaturbereich Wärme abgeben können. Das geht am besten bei einer Raumtemperatur von rund 18 bis 20 Grad bei einer angenehmen Luftfeuchtigkeit. «Darunter kühlt der Körper zu stark ab, und man friert. Das Gegenteil ist bei höheren Temperaturen der Fall, und beides führt zu schlechten Schlaf mit vielen Unterbrüchen», sagt Cajochen.

Ich liege sowieso immer im Schatten. Ich brauche keine Sonnencreme.

Nein, auch im Schatten sind wir den UV-Strahlen ausgesetzt, die unsere Haut verbrennen können. Durch die Reflexion der Umgebungsstrahlung sind wir trotz des Sonnenschirms immer noch bis zu 50 Prozent der UV-Strahlung ausgesetzt. Einreiben muss also doch sein. Das gilt auch im Baumschatten und unter vorüberziehenden Wolken. Auch Wasser bietet keinen Sonnenschutz, es kann die Strahlung sogar noch verstärken. Sogar beim Tauchen ist man nicht geschützt, weil in einem halben Meter Tiefe noch rund 40 Prozent der UV-Strahlung durchdringen.

epa07672614 A person puts on sunscreen in front of the Marecottes swimming pool on a hot summer day in the village of Les Marecottes in Valais, Switzerland, 25 June 2019. Switzerland is preparing to f ...
Auch wer im Schatten ist, sollte nicht auf Sonnencreme verzichten.Bild: EPA

Ich creme mich laufend ein, deshalb kann ich lange in der Sonne liegen.

Nein. Am wichtigsten ist das erste Eincremen. Und das sollte man früh genug machen, denn es dauert etwa eine halbe Stunde, bis der Schutz der Sonnencreme aufgebaut ist. Beim Baden, Schwitzen und Abtrocknen geht der Schutz aber verloren. Deshalb muss nachgecremt werden, auch wenn «wasserfest» auf dem Produkt steht. In welchen Zeitabständen man sich einreiben muss, hängt unter anderem vom Lichtschutzfaktor der Creme ab. Je höher der Wert, desto länger der Schutz. Bei hellhäutigen Menschen rötet sich die ungeschützte Haut schon nach fünf bis zehn Minuten. Ein Sonnenschutzmittel mit Faktor 30 verlängert diese Zeit um etwa das 30-fache. Die Person kann also 300 Minuten in der Sonne bleiben.

Zu dick auftragen ist nicht gut.

Stimmt nicht. Mit der Sonnencreme darf dick aufgetragen werden. Um den angegebenen Faktor der Sonnenschutzcreme zu erreichen, braucht ein 1.80 Meter grosser Mensch etwa 40 Milliliter für den ganzen Körper.

An Hitzetagen muss ich vier Liter trinken.

Ja. An normalen Tagen reichen 1.5 bis 2 Liter. Bei hohen Temperaturen über 30 Grad wird die doppelte Menge empfohlen. Unser Körper besteht zu über 50 Prozent aus Wasser. Das Wasser im Körper ist unter anderem für die Regulation der Körpertemperatur verantwortlich und schützt somit den Körper vor Überhitzung. Deswegen ist es an Hitzetagen besonders wichtig, viel zu trinken. Denn durch das vermehrte Schwitzen verliert der Körper einen grossen Teil der aufgenommenen Flüssigkeit wieder. Wichtig ist, nicht nur viel zu trinken, sondern auch regelmässig. Übertreiben darf man es aber auch nicht. Zu viel Flüssigkeit kann das Herz und die Nieren stärker belasten.

epa09388332 Man fills a bottle of water during a hot day with temperature over 40 degrees Celsius in Skopje, Republic of North Macedonia, 02 August 2021. July was very hot across the southern and sout ...
Bei hohen Temperaturen sollte man die Wasserflasche oft genug auffüllen.Bild: keystone

Heisse Getränke sind in der Hitze besser als kalte Getränke.

Stimmt nicht. Beim Trinken von Kaffee oder heissem Tee schwitzen wir noch mehr, und für unseren Körper wird es noch schwieriger, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Aber auch kalte Getränke sind nicht besser. Das kühle Getränk hält die Schweissabsonderung nicht auf. Im Gegenteil. Durch das kalte Getränk nimmt der Körper an, dass er zusätzliche Wärme produzieren muss, weshalb es uns noch heisser wird. Am besten eignen sich lauwarme Getränke. Vorsicht aber beim lauwarmen Bier: Alkohol macht bei Hitze schneller betrunken, schlapp und ist schweisstreibend.

Auf Sport sollte man bei Hitze ganz verzichten.

Nein. Nicht ratsam ist die Jogging-Runde aber am Mittag und auch am Abend. An einem Hitzetag wird viel bodennahes Ozon gebildet: ein Reizgas, das Atembeschwerden verursachen kann. Je länger der Tag, desto mehr hat es davon. Am Morgen sind die Ozonwerte aber noch tief, eine Runde Joggen ist also gut verträglich.

Ein Sonnenstich ist das Gleiche wie ein Hitzestau.

Nein. «Eine direkte Sonneneinstrahlung auf den Kopf bewirkt einen Wärmestau im Hirn und reizt somit die Hirnhäute», sagt die Notärztin Elke Schmidt. Es kommt jedoch erst nach einer gewissen Zeit, also nach Stunden, zu Kopfschmerzen, Übelkeit wie auch Erbrechen. Ein Hitzestau entsteht dagegen auch ohne direkte Sonneneinstrahlung, wenn die Wärmeregulation des Körpers durch eine länger andauernde Wärmeeinwirkung gestört wird.

Direkte Sonneneinstrahlung auf den ungeschützten Kopf kann bis zu einer Entzündung der Hirnhäute führen, einer Meningitis, die in besonders schweren Fällen eine dauerhafte Schädigung des Gehirns zur Folge haben kann. Ein hochroter, heisser Kopf, Nacken- und Kopfweh sowie Schwindel sind Symptome eines Sonnenstichs. Kinder sind stärker gefährdet, weil ihre Schädeldecke dünn ist und somit nur wenig Schutz vor der Sonne bietet.

Kurze und weisse Kleidung ist das Beste bei Hitze.

Stimmt nicht ganz. Dunkle Farben nehmen die UV-Strahlung schneller und intensiver auf, die schwarze Hose erhitzt sich. Gleichzeitig reflektieren dunkle Farben den infraroten Anteil der Strahlung, weshalb der Körper besser vor Sonnenbrand geschützt ist. Kurze Hosen sind zwar luftig angenehm. Je mehr Haut man aber zeigt, desto mehr Stellen hat man, um sich diese zu verbrennen. Beduinen laufen deshalb nicht in Shorts herum, sondern in weiter luftiger Kleidung. Durch die verschiedenen Lagen der Textilien kann die Luft zirkulieren und die Haut kühlen. (aargauerzeitung.ch)

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6 Kommentare
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Texas_1
21.06.2022 06:36registriert April 2021
Benötigen wir wirklich weniger Schlaf oder schlafen wir einfach weniger? Ich brauche z.B. wegen der Hitze viel länger zum einschlafen.
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